Coronavirus:Das war's dann wohl - oder auch nicht

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Nach wie vor kann sich jeder Landkreisbürger per Antigen-Schnelltest kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. (Foto: Claus Schunk)

Die Inzidenz sinkt, und das Landratsamt veröffentlicht keine Daten mehr. Warum der Eindruck dadurch trotzdem falsch sein dürfte.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Noch immer müssen Autofahrer auf der Wasserburger Straße in Haar im Bereich des Test- und Impfzentrums abbremsen: Die Höchstgeschwindigkeit ist hier von Tempo 60 auf 50 und teilweise sogar 30 Stundenkilometer gedrosselt. Der Grund: Weil im Corona-Test- und Impfzentrum des Malteser-Hilfsdienstes so viel los war, parkten viele Besucher auf der gegenüberliegenden Seite am Straßenrand und überquerten die viel befahrene B 304. Die Betonung aber liegt auf "war" - denn geimpft wird hier wie im gesamten Landkreis München kaum mehr und auch zum Corona-Test - egal ob Antigen-Schnell- oder PCR-Test - kommen immer weniger Menschen. Das hat wiederum Auswirkungen auf die Infektionszahlen: Wo weniger getestet wird, gibt es auch weniger Befunde - negative wie positive. So hat die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis München am Dienstag erstmals seit Januar die Marke von 1000 wieder unterschritten. Ob die aktuelle Inzidenz von 984,0 stimmt, ist angesichts dessen aber fraglich.

Die geringe Anzahl an Tests hat eine höhere Dunkelziffer zur Folge

Mit den Corona-Zahlen des Landkreises war es in den vergangenen Monaten schon so eine Sache: So wirkte der Landkreis auf der Corona-Landkarte des Robert-Koch-Instituts (RKI) wochenlang beinahe wie eine Insel der Glückseligkeit in einem Meer der Corona-Hölle. Während in München und den Nachbarlandkreisen immer neue Rekordwerte gemeldet wurden, übermittelte das Münchner Landratsamt immer neue Tiefststände an das RKI. Wie längst bekannt ist, lag dies aber nicht an der besonderen Achtsamkeit der Menschen im Landkreis, sondern vielmehr an den massiven Problemen bei der Erfassung positiver Testergebnisse im Landratsamt. Es fehlte mehrfach an Personal im Gesundheitsamt, um die Testergebnisse abzuarbeiten. Als die Bundeswehr Soldaten zur Verstärkung schickte, kam man mit den aktuellen Fallzahlen zunächst wieder zurecht - nur um dann erneut nicht mehr hinterher zu kommen. Wegen des Kriegs in der Ukraine wurden die Unterstützungskräfte der Bundeswehr abgezogen und angesichts der Flüchtlinge innerhalb des Amtes zugunsten der Ausländerbehörde umgeschichtet. Mittlerweile laufe die Datenerfassung wieder, heißt es aus dem Landratsamt. Aber welche Aussagekraft hat die Inzidenz tatsächlich?

Ein Blick auf die schiere Zahl der vorgenommenen Testungen lässt Zweifel daran aufkommen, dass der am Dienstag offiziell vom Landratsamt gemeldete Wert von 948,0 Ansteckungen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche stimmen dürfte. In der Woche vom 31. Januar bis zum 6. Februar erfolgten in den kommunalen Testzentren des Landkreises 16 568 PCR-Tests sowie 7417 Antigen-Schnell-Tests. Diese Zahlen sind - mit geringen Schwankungen - seitdem kontinuierlich rückläufig. In der Woche vom 28. März bis 3. April, als nahezu alle Corona-Beschränkungen fielen, ließen noch etwa 7000 Menschen einen Abstrich per PCR-Test machen und etwas mehr als 4000 einen Schnelltest. In der vergangenen Woche sanken diese Werte auf nur noch etwa 5300 PCR-Testungen und etwas weniger als 4000 Schnelltests. Weniger Tests bedeuten aber auch weniger positive Ergebnisse.

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Landrat Göbel bestätigte die Zweifel an der Aussagekraft der Sieben-Tage-Inzidenz unlängst: Der tatsächliche Wert müsse weit über dem offiziell ausgewiesenen liegen, durch die geringere Test-Bereitschaft in der Bevölkerung steige natürlich auch die Dunkelziffer an Infektionen. Aber, so Göbel, dies habe letztlich keine Auswirkungen, da mit der Inzidenz überhaupt keine Konsequenzen mehr verbunden sind - weder eine Maskenpflicht in Innenräumen noch Kontaktbeschränkungen oder andere Einschränkungen des öffentlichen Lebens.

Auch deshalb verzichtet das Landratsamt seit dieser Woche darauf, täglich eigene, nachgebesserte Infektionszahlen auf seiner Homepage zu veröffentlichen, und verweist stattdessen lediglich auf die offiziellen Statistiken des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie des RKI. Beide Institutionen erhalten die neuesten Infektionsfälle wiederum täglich vom Gesundheitsamt im Landratsamt, in der Regel werden diese gegen 14 Uhr übermittelt. Meldungen positiver Testergebnisse, die nach diesem Zeitpunkt im Gesundheitsamt eingehen, werden vom RKI rückwirkend dem Meldetag des positiven Befundes zugeschlagen. Dadurch kann es laut Landratsamt immer wieder zu Diskrepanzen bei den tagesaktuellen Zahlen und den bereinigten Daten kommen.

Mit einer Inzidenz knapp unter 1000 stellt der Landkreis München derzeit übrigens - mal wieder - keinen Ausreißer nach unten dar. Zum Vergleich: In München lag die Inzidenz am Dienstag bei 1074,7, im Landkreis Starnberg bei 1070,2.

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