Kreis und quer:Bademantel des Schweigens

Lesezeit: 2 min

Bademäntel? Nein, das traditionelle Nationalgewand Thawb der Araber. (Foto: Matthias Koch/Imago)

Der flapsige Kommentar von Haching-Trainer Sandro Wagner zeigt einmal mehr die Grenzen des Sagbaren auf.

Kolumne von Udo Watter, Unterhaching

Das traditionelle Nationalgewand der Marokkaner ist die Djellaba, ein bodenlanger Mantel, der sich vom Thawb der arabischen Halbinsel schon allein dadurch unterscheidet, dass er eine spitze Kapuze hat. Es gibt freilich auch Bademäntel mit Kapuzen. Insofern ist es vielleicht ganz gut, dass Deutschland bei der WM ausgeschieden ist, statt im Achtelfinale auf Marokko zu treffen. Wobei man davon ausgehen darf, dass ZDF-Experte Sandro Wagner seine Lektion in Sachen flapsiger Klamottenwitze gelernt hat. Ja, der 35-Jährige, der im Hauptberuf Trainer der Spielvereinigung Unterhaching ist, hat mit seiner Bademantel-Bemerkung über den Thawb, den einheimische Stadionbesucher beim Spiel gegen Spanien trugen, ein Vollbad im Fettnäpfchen genommen. Eklat! Skandal! Rassismus! Kleiner ging's nicht. Das ZDF und Wagner entschuldigten sich, der Sender in einem etwas willfährigen Tonfall.

Wegen seiner Äußerung über die katarischen Fans und ihre Thawbs im Stadion in der Kritik: Sandro Wagner, TV-Fußball-Experte und Trainer der Spielvereinigung Unterhaching. (Foto: Tom Weller/dpa)

Auch wenn Wagners Worte inzwischen von anderen wichtigen Diskursen abgelöst sind - war die "One-Love-Binde" schuld am DFB-Ausscheiden? - wirft "Bademantel-Gate" doch zeitlose Fragen auf. Was ist sagbar, was ist tragbar? Wie achtsam muss Humor sein? Es soll ja Menschen geben, die unter ihrem Niveau lachen können, und sich sogar wohl dabei fühlen, obwohl sie das moralisch gar nicht dürften. Wörter machen Leute, Kleider machen Leute. Was wäre über La'eeb, das Maskottchen der WM, modisch zu sagen? Manche behaupten, es sei ein Geist, manche, ein fliegendes Tischtuch. Bei der "Heute Show" vermuten sie, es handele sich um die verlorene Unterhose von Goleo, dem Maskottchen der WM 2006 in Deutschland.

Anders als der hosenlose Löwe tragen viele Bayern Lederhose. Nicht nur de facto, sondern oft auch metaphorisch und, wie manch kritischer Kabarettist meint, sogar im Gehirn. Generell soll den Bayern auf Wunsch gegnerischer Fans immer die Lederhose ausgezogen werden - konkret gemeint sind Spieler und Anhänger des FC Bayern, für den der gebürtige Münchner Wagner auch mal aktiv war. Nun ist es ein Unterschied, ob Fans Spottgesänge im Stadion grölen oder ein TV-Experte bei Klamottenwitzen die Achtsamkeit außer Acht lässt. Würde Wagner es lustig finden, wenn ein arabischer Kommentator beim Blick auf Sportparkbesucher - sagen wir vom Heimat- und Trachtenverein D'Hachingertaler - Flapsigkeiten über deren hirschlederne Beinkleider verlautbaren würde?

Wo ist die Grenze zwischen frotzeln, anecken und beleidigen? So viel scheint sicher: Achtsamen Humor gibt es genau so wenig wie ironische Orgasmen. Besonders, wenn die Achtsamkeit bereits zur Idiosynkrasie verwandelt ist, der es versagt ist, Fünfe auch mal gerade sein zulassen. Gerade aber das hülfe, die schnell aufploppenden Mikroaggressionen zu vermeiden, die das Netz verunreinigen. Legen wir den Bademantel des Schweigens drüber.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDeutsches Vorrunden-Aus bei der WM
:Das Ergebnis, das zum großen Schlamassel passt

Fast niemand freute sich auf die WM in Katar und nun fährt das deutsche Team zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Hause. Sportlich stellen sich nach dem schweren Rückschlag Fragen - vor allem an den Bundestrainer.

Von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: