Kreis und quer:Ohne uns geht's einfach nicht

Lesezeit: 2 min

Dass rund um München eher die Streber als die Müßiggänger leben, ist jetzt auch amtlich erwiesen.

Von Udo Watter, Landkreis München

Sapperlot. Jetzt ist er also da. Nein, nicht der Coronavirus, der war ja nie weg, und außerdem heißt es das Coronavirus. Es geht um den Lenz. Frühlingserwachen allerorten, warme Lüfte streichen über Isartal und Schotterebene. Spaziergänger baden im Blumenduft, alles räkelt und regt sich. Wer würde sich jetzt nicht gerne einen faulen Lenz machen, fünfe gerade sein lassen, den schlechten Nachrichten und alltäglichen Produktionsprozessen im Eskapismus des Sonnenscheins entfliehen? Nun, den Bewohnern des Landkreises München liegt das Faulenzen offenbar nicht so.

Man darf davon ausgehen, dass sie, auch wenn der Frühling sein viel zitiertes blaues Band flattern lässt, nicht so oft blau machen wie die anderen. Oder anders formuliert: nicht so oft krank werden wie die anderen. Der aktuelle Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) in Bayern enthüllt: Im Landkreis München war vergangenes Jahr jede Erwerbsperson durchschnittlich 9,1 Tage krankgeschrieben und das war bundesweit der niedrigste Stand. Der Landkreis der Superlative (höchste Wahlbeteiligung bundesweit, längste Floßrutsche Europas) schon wieder die Nummer eins.

Natürlich stellt sich die Frage nach dem Warum? Sind die Menschen zwischen Aying, Planegg und Unterschleißheim widerstandsfähiger und resilienter als anderswo (wäre mal eine hübsche Alternativ-Erklärung für die im Vergleich zu den Nachbar-Landkreisen auffällig niedrigen Infektionszahlen)? Ist es die besondere Lebensqualität im idyllischen Raum zwischen Stadt, flachem Land und hügeligen Voralpen? Die höhere Zufriedenheit mit dem Dasein, die einen weniger anfällig für Depressionen werden lässt? Oder vielleicht das geradezu protestantische Arbeitsethos der hier lebenden und wirkenden Menschen, die oft aus gut situiertem bürgerlichen Milieu stammen? Bundesweit fehlte jedenfalls im Schnitt jede erwerbstätige Person 14,6 Tage wegen Krankheit am Arbeitsplatz. Was das negative Ende angeht, setzt sich in Bayern der Landkreis Kronach die Krone auf: Dort fehlte vergangenes Jahr jede Erwerbsperson krankheitsbedingt 19,3 Tage.

Gute zehn Fehltage mehr also als hier. Gleichwohl könnte man die Spitzenposition des Münchner Umlands im Gesundheits-Ranking (der Landkreis Starnberg und die Stadt München sind ebenfalls weit vorne) auch ein bisschen kritisch interpretieren. Vielleicht glauben manche Menschen hier stärker als anderswo, ohne sie ginge nichts in der Arbeit. Nehmen sich so wichtig, dass sie auch bei angeschlagener Gesundheit ihren Job machen, obwohl es vernünftiger wäre, sich eine erholsame Auszeit zu gönnen. Wer freilich daraus schlösse, dies sei ausnahmslos ein Landkreis von Strebern und freudlosen Leistungsträgern, die weder Müßiggang kennen noch das Leben zu feiern wissen, irrt natürlich. Wer entführt schon einen Mann zum Junggesellenabschied nach Mallorca wie diese Woche in Neubiberg geschehen (was einen veritablen Polizeieinsatz auslöste)? Bleibt indes zu hoffen, dass die Beteiligten auf der Baleareninsel nicht gesoffen haben, bis der Arzt kam.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: