Kreis und quer:Griaß di Popelkaff

Lesezeit: 2 min

Wenn Stars in die Provinz kommen, finden sie es dort meist komisch - daraus machen sie auch vor dem Publikum keinen Hehl.

Von Udo Watter

Servus Sauerlach, Griaß di Grünwald, Tach Taufkirchen. Künstler, besonders die mit einem Hang zur spöttisch-kabarettistischen Weltaneignung, neigen häufig dazu, ihr Publikum kollektiv mit dem Namen des jeweiligen Auftrittsortes anzusprechen. Besonders unterhaltsame Formen kann das annehmen, wenn das Auditorium zum Mitsingen animiert werden soll. "Ich kann dich nicht hören, Unterföhring."

Bühnenstars aus den Großstädten lassen dabei oft mit einer fast maliziösen Wonne Ortsnamen aus der oberbayerischen Provinz auf der Zunge surfen. Miss Evi etwa, die Sängerin und Moderatorin einer Berliner Burlesque-Show, die kürzlich in Unterschleißheim zu bestaunen war, liebte es, den Schauplatz ihres Auftritts mit leicht lasziver Tönung im Munde zu führen. Natürlich inszenierte sie auch spielerisch-subtil den Kontrast zwischen weltstädtisch-mondäner Frivolität und genierlicher Bürgerlichkeit, die den Genius loci einer Kleinstadt in der Nähe von München mutmaßlich prägt.

Mit Insider-Wissen kann jeder leicht glänzen

Das Publikum lässt sich die Frotzeleien gewöhnlich gerne gefallen - Günter Grünwald hat Unterhaching mal pfeilgrad als "Popelkaff" bezeichnet - weil der Blick von außen die Eigenwahrnehmung auf ein anderes Niveau hebt. Die lokale Blase, in der man sich bewegt, wird quasi in diesen Momenten zum Platzen gebracht. Und ja, vielleicht erfüllt es einen auch ein bisschen mit Stolz, wenn die überregional tourende Kultur-Prominenz den eigenen Ortsnamen richtig ausspricht - was etwa Politikern auf Wahlkampftour oft misslingt - oder ab und zu sogar lokales Insider-Wissen äußert.

Carolin Kebekus hatte etwa ihre eigene Theorie, warum das Taufkirchner Viertel "Am Wald" suboptimal beleumundet ist. "Am Wald? Das is' euer Ghetto?... Das ist doch kein Ghetto-Name. Wahrscheinlich gibt's bei euch nur einen einzigen Assi, und der wohnt am Wald", sinnierte die Kölner Komikerin. Bekannt dafür, über örtliche Situationen kundig zu sein, sind die Mitglieder der Künstler-Familie Well. Ex-Biermösl Stofferl Well demonstrierte das jüngst beim Neujahrskonzert in Grünwald, als er mit Gstanzln durchs Programm führte, die lokale Weisheiten von zeitloser Schönheit zu Tage förderten: so etwa gebe es in Straßlach "Bauern in Hülle und Fülle", daher stänke es dort "nach Gülle". Dagegen "in Grünwoid, stinkt's nach Goid" (Geld). Bürgermeister Jan Neusiedl derbleckte er ebenfalls recht ungeniert, indem er ihm geradezu luziferische Führungskompetenz bescheinigte. Die Besucher im August-Everding-Saal dürften die Ohren gespitzt haben.

Das Burlesque-erprobte Unterschleißheim scheint dagegen generell eine Inspirationsquelle erotischer Fantasien zu sein - nicht nur auf der Bühne, sondern auch in der Fiktion. In Sven Regeners Buch/Film "Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt" hat der Titelheld nach einer abgefahrenen Techno-Nacht in München guten ehrlichen Sex: im Fluxi-Hotel zu Unterschleißheim.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: