Kommunalwahl in Unterschleißheim:Bastion der Volksparteien

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Wie hoch wo gebaut werden darf, ist eines der großen Themen in Unterschleißheim. (Foto: Robert Haas)

In der größten Stadt des Landkreises München machen CSU und SPD traditionell die Bürgermeisterwahlen unter sich aus - auch diesmal läuft es darauf hinaus.

Von Klaus Bachhuber

Um die ganz spezielle Tonart des Unterschleißheimer Wahlkampfs verstehen zu können, ist es hilfreich, den jüngsten massiven Konfliktpunkt im Stadtrat heranzuziehen. Intensiv debattiert wurde da, ob man die Finanzierung einer - allseits unstrittigen - 14-Millionen-Investition in städtischen Wohnungsbau in der mittelfristigen Finanzplanung unter Eigenmitteln verbuchen und Kredite erst dann aufnehmen sollte, wenn es akut nötig würde. Oder ob man eine Neuverschuldung im Plan vorsehen, aber darauf verzichten sollte, wenn fremdes Geld dann doch nicht gebraucht würde.

Es hat schon seine Berechtigung, dass sich ein Finanzausschuss über so etwas Gedanken macht. Andererseits zeigt es aber, dass eine Kommune mit diesen Sorgen wenig andere haben kann. Mehr als 50 Millionen Euro Investitionen alleine heuer - alles einmütig durchgewinkt. Und was sonst so alles in der Schwebe ist, vom Haus für Kultur und Vereine bis zu neuen Kindertagesstätten, da sind Konfliktpunkte bestenfalls der Name oder der Standort. Mit Projekten als Wahlversprechen jedenfalls lässt sich in der Stadt kein Wähler ködern.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Christoph Böck, SPD Alter: 53 Jahre, wohnt seit 1981 in Unterschleißheim Familienstand: verheiratet, zwei Kinder Beruf: Erster Bürgermeister, Maschinenbauingenieur Hobbys: Zeit für die Familie, Joggen, Rad- und Skifahren

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Stefan Krimmer, CSU Alter: 41, wohnt seit Geburt in Unterschleißheim Familienstand: verheiratet, ein Kind Beruf: Dialogmarketingfachwirt Hobbys: Musizieren, Radfahren, Ringkampf, Literatur

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Tino Schlagintweit, Grüne Alter: 61 Jahre, wohnt seit 1992 in Unterschleißheim Familienstand: verheiratet, zwei erwachsene Kinder Beruf: Biologe, Umweltjournalist Hobbys: Geige, Sport (Laufen), Fotografie, Spanisch

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Martin Reichart, Freie Bürger Alter: 61 Jahre, wohnt seit 1988 in Unterschleißheim Familienstand: drei erwachsene Kinder Beruf: Architekt und Stadtplaner Hobbys: Hund, Tennis, Gitarre, Lese, Wohnmobil-Reisen

Die Auseinandersetzungen, in denen sich die Protagonisten abgrenzen wollen, sind daher Feinheiten oder Stilfragen. Wie hoch sollen Hochhäuser an welcher Stelle werden dürfen? Hier steht die Forcierung massiver Bebauung im bestehenden Siedlungsbereich anstelle von Ausweisung neuer Bauflächen am Stadtrand gegen den Schutz der Wohnviertel vor übermäßiger Verdichtung; das Thema elektrisiert mindestens die Betroffenen immerhin so sehr, dass sich ausgehend von diesen Debatten eine neue Wählergruppe gegründet hat, das "Bündnis für Unterschleißheim".

Ist die Bürgerbeteiligung ausreichend? Bürgermeister Christoph Böck (SPD) hält sich einiges darauf zugute, dass er speziell bei Großprojekten so früh und so umfassend wie nie zuvor den Bürgerdialog suche - aber regelmäßig ist das manchen zu wenig. Zu wenig ergebnisoffen, zu klar interessengesteuert seien diese Veranstaltungen, so die wiederkehrende Kritik.

Pikanterie erhalten derartige Stilfragen durch die Positionierung der CSU. Sehr lange war die Partei in Unterschleißheim nicht unbedingt als Verfechterin subtiler Bautätigkeit bekannt und ihre Neigung zu Bürgerbeteiligung eher ausbaufähig. Seit das Rathaus aber rot geführt ist, gerät aus schwarzer Sicht jede Bebauung viel zu dicht und massiv, und Bürgerbeteiligung ist erst dann ihren Namen wert, wenn sie basisdemokratisch bis zur Urschreitherapie ist.

Den Verlust der unter dem christsozialen Bürgermeister Rolf Zeitler 24 Jahre gewohnten Gestaltungsmacht, über weite Strecken flankiert durch absolute oder mindestens komfortable Mehrheiten im Gemeinde- beziehungsweise Stadtrat, hat die CSU in Unterschleißheim zwar nicht mit Totalopposition beantwortet. Aber einige mindestens ungewöhnliche Verhaltensweisen der Fraktion im Verlauf der sieben Jahre unter Christoph Böck ließen den Phantomschmerz verflossener Glorie schon schwer erahnen.

Der Stadtratsarbeit hat das eher nicht geschadet. Die Frontlinien CSU hie, SPD, Grüne und ÖDP da, mit Freien Bürgern und FDP wahlweise hier oder dort oder ganz allein, stehen zwar häufig; allerdings gab es immer wieder zweckbezogene Bündnisse ohne Scheuklappen. Von der Allianz aus CSU und Grünen bei der Wahl von Böcks Stellvertretern bis hin zu diversen Einigungen von CSU und SPD zur Marginalisierung kleiner Partikularwünsche.

(Foto: SZ)

Zum ersten Mal seit 1984 wählen die Unterschleißheimer heuer Stadtrat und Bürgermeister wieder gemeinsam, seit dem Tod von Bürgermeister Hans Bayer im Amt 1989 waren die Bürgermeisterwahlen aus dem Rhythmus. Per Gesetzesänderung wurde die Amtszeit, in die Christoph Böck 2013 in der Stichwahl gegen Brigitte Weinzierl (CSU) gewählt worden war, auf sieben Jahre gestreckt, sodass die Wahltermine wieder synchronisiert wurden.

Vier Kandidaten stehen zur Wahl. Bei allem Respekt für Tino Schlagintweit (Grüne), dem einzigen Nicht-Stadtrat, und Martin Reichart (Freie Bürger), der zum dritten Mal kandidiert, dürfte die Prognose eines Duells zwischen Amtsinhaber Böck und Stefan Krimmer (CSU) nicht zu gewagt sein. Krimmer ist seit seinem Einzug in den Stadtrat 2014 im Wahlkampfmodus; auf seinen Visitenkarten steht "Bürgerdienstleister", aber sein erklärtes Ziel war und ist, Bürgermeister zu sein.

Die CSU hat er als Ortsvorsitzender auf sich eingeschworen - nahezu jedenfalls; bis auf den Betriebsunfall mit dem prominenten Dissidenten Theo Pregler, der nach 25 Jahren für die CSU im Stadtrat und diversen Parteiämtern nun aus Antipathie gegen Krimmer Wahlwerbung für Böck betrieben hatte. Diesen Wahlkampf-GAU hat die CSU durch krampfhaftes Ignorieren klein zu halten versucht. Es hat für Böck nicht erst diesen Ritterschlag eines langjährigen Kontrahenten - Pregler schien 2013 als Nachfolger Zeitlers gesetzt - gebraucht, um den Zeitlerschen Schatten abzuschütteln. Das Zerrbild, dass ein Sozi hier das Erbe des erfolgreichen CSUlers verspielen könnte, war nie real.

Wohl auch in Folge des jahrzehntelangen Dualismus zwischen roten und schwarzen Bürgermeistern hat der Stadtrat eine Unwucht entwickelt. Zwar gehören ihm aktuell sechs Gruppierungen an, aber Grüne, Freie Bürger, ÖDP und FDP sind alle zusammen schwächer als allein die SPD mit zehn plus Bürgermeister oder die CSU mit zwölf Sitzen. Eineinhalb Gruppen kommen 2020 nun sogar noch dazu; eine halbe, weil sich das "Bündnis für Unterschleißheim" zwar als neue Kraft formiert hat, dann aber mit der FDP gemeinsam eine Kandidatenliste bildete, sodass es keine weitere Liste geben wird.

Zentrales Anliegen des Bündnisses ist es, das Auswuchern der Siedlungsdichte zu begrenzen, die neuen Wohnviertel am Rathausplatz und bei der Erschließung des bisherigen Siemens-Parkplatzes sind hier die auslösenden Momente gewesen. Welche Anliegen die erstmalige Kandidatur der AfD hat, ist schwer zu referieren. Kein Bewerber auf der Liste ist je in einer öffentlichen Debatte aktenkundig geworden, noch keinen einzigen Beitrag der AfD zu irgendeinem Thema in Unterschleißheim hat es gegeben - dafür aber jetzt eine Liste, mit der wenigstens in der bevölkerungsreichsten Landkreiskommune der Bundestrend abgeschöpft werden soll.

Alle Berichte, Reportagen und Analysen zur Kommunalwahl unter www.sueddeutsche.de/thema/Kommunalwahl_im_Landkreis_München.

© SZ vom 03.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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