Kommunalrecht:Hundebesitzer dürfen abstimmen

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Wann Gemeinderäte wegen Befangenheit ausgeschlossen werden, ist zwar geregelt, aber doch etwas zweideutig

Von Iris Hilberth, Landkreis

Wer darf in welchem Gremium mitstimmen, und wann gilt er als persönlich beteiligt und muss die Diskussionsrunde verlassen? Auf Kommunalebene regelt die Bayerische Gemeindeordnung den Ausschluss von Ratsmitgliedern und legt fest, in welchen Fällen sie als befangen gelten und in welchen eben auch nicht. Ob dadurch bei den Beschlüssen in den Rathäuser immer alles ganz sauber abläuft und sich die Damen und Herren in Berlin tatsächlich an den Kommunalpolitikern ein Beispiel nehmen können, bezweifeln mache dennoch.

Nachdem der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn nach der Berichterstattung im Spiegel wegen seiner Doppelrolle als stets stimmberechtigtes Mitglied im Verteidigungsausschuss und zugleich bezahltes Aufsichtsratsmitglied des Rüstungsunternehmens IABG in die Kritik geraten war, mahnten SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach und die Kreissprecherin der Grünen, Antje Wagner, solche Interessenskonflikte auch in Berlin zu vermeiden.

Der Gemeinderat entscheidet über den Ausschluss

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Sie verwiesen auf die lokale Ebene, wo "Gemeinderäte von Abstimmungen ausgeschlossen werden, sobald auch nur der Schwager davon profitieren könnte".

Tatsächlich heißt es in Artikel 49 der Gemeindeordnung: "Ein Mitglied kann an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grad oder einer von ihm kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen natürlichen oder juristischen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.

Gleiches gilt, wenn ein Mitglied in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat." Ob nun ein Mitglied in einer bestimmten Angelegenheit von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen wird, entscheidet der Gemeinderat, allerdings ohne den Betroffenen.

"Bei uns sind jedenfalls die Gemeinderatsmitglieder von Beratung und Abstimmung über einen Bebauungsplan ausgeschlossen, um deren Grundstücke es geht", hatte Wagner auf ihrer Facebook-Seite ihrer Parteifreundin Claudia Köhler aus Unterhaching geantwortet, die in der Diskussion um Hahns Tätigkeiten sich die Frage erlaubt hatte: "Bist Du sicher, dass das auf lokaler Ebene ausgeschlossen ist?"

Wagner ist schon überzeugt davon, dass die Gemeindeordnung greift und führt als weiteres Beispiel das Unternehmen eines Grünwalder Gemeinderats an, das sich auf eine Ausschreibung beworben habe (Architekturbüro, Zaunbau, Metallbau). Dann sei dieser natürlich von der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen.

Stefan Schelle darf beim Thema Musikschule nicht mitstimmen

So sieht man immer mal wieder Gemeinderatsmitglieder vor die Tür gehen oder im Zuschauerbereich Platz nehmen, während die Kollegen über eine Bebauungsplan diskutieren. Steht etwa die Bezuschussung der Musikschule Oberhaching auf der Tagesordnung, macht Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) vorübergehend seinen Platz für seinen Stellvertreter frei. Schelle ist Vorsitzender der Musikschule. Ebenso handhabt es Landrat Christoph Göbel (CSU), wenn der Kreistag einen Antrag des TSV Gräfelfing auf den Tisch bekommt, dessen Präsident er ist.

Doch ob das in allen Gremien auf lokaler Ebene immer so läuft, bezweifelt Claudia Köhler doch ein wenig. "Wichtig wäre es, da genau hinzuschauen und darauf zu achten, dass die Vorgaben eingehalten werden", sagt sie, schließlich sitze ja in fast jedem Dorf auch der örtliche Baulöwe im Gemeinderat.

Mitunter ist es aber gar nicht so einfach, hier die richtige Entscheidung zu treffen. Im Kommunalpolitischen Leitfaden der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung wird davor gewarnt, die Frage nach der persönlichen Beteiligung "aus dem Bauch heraus" zu entscheiden.

Das Gesetz erfasse viele Fälle nicht, in denen eine unvoreingenommene, objektive Beratung und Beschlussfassung kaum zu erwarten sei, etwa bei einfachen Vereinsmitgliedern, wenn es um die Förderung ihres Vereins gehe. Knackpunkt ist der "individuelle Sondervorteil".

Ein Gruppeninteresse rechtfertige keinen Ausschluss, die Beratung über die Hundesteuer kann also nicht alle Hundebesitzer ausschließen. So hielten drei Garchinger Grünen-Stadträte ihren Ausschluss von Beratungen und Abstimmung über ein Bürgerbegehren, das sie selbst initiiert hatten, für "rechtswidrig". Bei Initiatoren von Bürgerbegehren gibt es laut einem Kommentar zur Gemeindeordnung keine Befangenheit.

Geraten wird, im Zweifel von einem Ausschluss abzusehen, denn ein unberechtigter Ausschluss führe immer zur Ungültigkeit der Entscheidung. Eine unberechtigte Mitwirkung eines Gemeinderatsmitglieds hingegen nur dann, wenn dessen Stimme für das Abstimmungsergebnis entscheidend war.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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