Wehrtechnik im Landkreis:Gehirn der Rüstung

Luftabwehrsystem Meads

Das Medium Extended Air Defense System, kurz Meads, soll das neue Flugabwehrraketensystem der Bundeswehr werden, wünscht sich Florian Hahn (CSU).

(Foto: dpa)

Auf dem Ludwig-Bölkow-Campus gehen zivile und militärische Forschung eine Symbiose ein. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn setzt sich für die Firmen ein, Kritiker werfen im Lobbyismus vor

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Die Rückbesinnung auf den Übervater gehört zum Selbstverständnis der Christsozialen. Wenn sie sich der Unentbehrlichkeit und des Erfolgs der Partei vergewissern wollen. Florian Hahn, Bundestagsabgeordneter der CSU aus Putzbrunn, erkennt in einer Entscheidung von Franz Josef Strauß eine besondere Bedeutung.

In den Fünfzigerjahren entschied Strauß, die wehrtechnische Industrie in Ottobrunn und Taufkirchen wieder aufleben zu lassen, um in Wehrfragen und der Ausrüstung der Bundeswehr unabhängig von den Amerikanern agieren zu können. "Eine steile These damals", sagt Hahn. "Aber diese technologische Unabhängigkeit haben wir uns bis heute bewahrt."

Auf dem Ludwig-Bölkow-Campus schlägt das Herz der deutschen militärischen Forschung. Ist etwa Oberndorf am Neckar mit Heckler und Koch so etwas wie der Handwerksbetrieb der deutschen Rüstungsindustrie, muss Ottobrunn als das Gehirn derselben gelten. "Waffenschmiede" wettern Kritiker. "Hochtechnologiestandort" halten Befürworter dagegen. Klar ist, zivile und militärische Forschung sind hier kaum voneinander zu trennen.

Von Energie bis zu Verteidigung und Sicherheit

Das hat auch politische Gründe. Die Industrieanlagen Betriebsgesellschaft, kurz IABG, etwa hat hier ihren Sitz. Die Gesellschaft wurde 1961 auf Initiative des Bundes gegründet und fungierte lange Zeit als Testeinrichtung für die Luftfahrt und das Verteidigungsministerium samt Windkanal für Flugzeuge.

Heute ist die IABG ein Privatunternehmen mit 900 Mitarbeitern, dessen Spektrum typisch für den Campus ist: von der Entwicklung von Automotiven über Energiethemen, die Luft- und Raumfahrt bis hin zu Verteidigung und Sicherheit. Zivil und militärisch.

Der Abgeordnete Hahn ist Mitglied im Aufsichtsrat der IABG. Als solches sah er sich zuletzt heftiger Kritik ausgesetzt: Unter anderem der Spiegel hatte berichtet, Hahn habe sich im Verteidigungsausschuss des Bundestags, dem er angehört, dafür eingesetzt, dass dem Unternehmen Staatsaufträge zugekommen seien. Konkret ging es etwa um das Flugabwehrraketensystem Meads, an dem MBDA Deutschland - und somit die IABG - beteiligt ist.

Wehrtechnik im Landkreis: Florian Hahn ist Wehrexperte der CSU.

Florian Hahn ist Wehrexperte der CSU.

(Foto: Claus Schunk)

Hahn konterte Vorwürfe, er sei Lobbyist. Dass er sich für die Interessen deutscher Unternehmen einsetze, gehöre zur Arbeit eines Abgeordneten. Hahn sagt zum Meads-Deal, der gerade vorbereitet wird: "Er würde in die USA gehen, wenn nicht ein deutsches Unternehmen den Zuschlag bekommt. Es ist für uns von essenzieller Bedeutung, Wissen und Können im Land zu halten."

"Die Bundeswehr muss ausgerüstet werden."

Auch aus Kostengründen: "Die Bundeswehr muss ausgerüstet werden. Wenn du bei den Amerikanern bestellst, zahlst du die Forschung mit." Das Know-how sei in Ottobrunn vorhanden: "Und es muss auf zukünftige Geschäftsfelder ausgebaut werden."

Diese Haltung brachte und bringt ihm auch Kritik ein. Bela Bach, Vorsitzende der Kreis-SPD, warnt vor einem "Interessenskonflikt" und kritisiert die Nähe Hahns zu "zahlreichen Rüstungsfirmen", die im Landkreis angesiedelt sind.

Den Versuch die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmen im Landkreis, die sich auch der militärischen Forschung verschrieben haben, zu bemessen, lassen die Firmen selbst kaum zu. Kaum ein Unternehmen, nahezu alles Mischkonzerne, weist den Bereich Rüstung oder Rüstungsforschung separat auf.

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung geht in ihrer Studie "Bayern unter Waffen" von bis zu 18 000 Beschäftigten in der "Rüstungsindustrie" in Oberbayern aus. Im Landkreis sollen es bis zu 3000 Angestellten vor allem in der Luft- und Raumfahrttechnik sein. Aber auch der zivile Bereich wächst weiter.

Das Land der Ingenieure

So ist etwa das innovative Bauhaus Luftfahrt eine echte Bereicherung für den Ludwig-Bölkow-Campus. Für eine Gemeinde wie Ottobrunn mit ohnehin geringen Gewerbesteuereinnahmen sind Airbus und IABG freilich gern gesehene Partner.

Der Landkreis würde bei weit mehr als 200 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und vier DAX-Unternehmen aus ökonomischer Sicht ohne die Rüstung und deren Forschungseinrichtungen problemlos überleben können. Hahn aber warnt: "Gehen die Unternehmen mit ihrem Wissen weg, gehen sie auch aus Bayern und Deutschland weg." Seine Konkurrentin Bach indes sagt, sie würde am liebsten auf Rüstungsindustrie verzichten.

Es wird schwer sein, gewachsene Strukturen aufzubrechen. Industrie und Lehre sind im Landkreis durch Kooperationen der Firmen mit der Universität der Bundeswehr in Neubiberg und der TU in Garching eng miteinander verwoben. Der Kreis ist so etwas wie das Land der Ingenieure - die werden gebraucht, um Helikopter, Solaranlagen, neue Antriebssysteme oder Windräder zu entwerfen. Aber auch Luftabwehrsysteme, Satellitenkommunikationssysteme, Militärjets, Gefechtssimulatoren. Seit Franz Josef Strauß.

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