Krankenhaus in Kirchheim:Schlechte Prognose für Privatklinik

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Kirchheimer Pläne drohen zu scheitern: Die Krankenkassen sehen keinen Bedarf an Zusatzbetten im Raum München und Ebersbergs Landrat warnt davor

Von Christina Hertel und Karin Kampwerth, Kirchheim

Ein Klinikum für Kirchheim - nicht alle sind von dieser Idee begeistert. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern (Arge) sieht keinen Bedarf für zusätzliche Betten im Raum München. Auch der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß lehnt das Projekt ab. "Der Landkreis Ebersberg und die Region insgesamt sind mit ihren Kliniken sehr gut ausgestattet", sagt der CSU-Politiker. Ein neues Klinikum führt aus seiner Sicht zu einer Überversorgung, die sich negativ auf das bestehende Angebot auswirken könnte. Niedergesäß ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Kreisklinik Ebersberg.

Am kommenden Dienstag, 31. Mai, entscheiden der Krankenhausplanungsausschuss und das bayerische Gesundheitsministerium darüber, ob die geplanten 180 Betten dem Bedarf entsprechen. Im Vorfeld dieser Entscheidung sprachen sich die Krankenkassen am Dienstag gegen das Projekt aus. Laut der Arge, der unter anderem die AOK angehört, gibt es im Großraum München 18 380 Klinikbetten.

Städtische Kliniken müssen Betten abbauen

Fast jedes fünfte Krankenhaus Bayerns steht im Umkreis von München. Damit seien ausreichende Kapazitäten mit hoher fachlicher Expertise in München und Umland vorhanden. Hinzu komme, dass die Städtischen Kliniken im Rahmen ihres Sanierungskonzepts in den nächsten Jahren mehr als 700 Betten abbauen müssen. "Die Errichtung eines neuen Krankenhauses in Kirchheim im direkten Einzugsgebiet von München würde den Bereinigungsprozess konterkarieren", heißt es von der Arge.

Gerd Kleiber (FDP), Kirchheims Dritter Bürgermeister und Befürworter einer Privatklinik in der Gemeinde, sieht keinen Zusammenhang. "Im Nordosten von München gibt es sogar ein strukturelles Defizit", sagt Kleiber. Das macht er an den langen Wegen fest, die Rettungsfahrzeuge bis ins nächste Krankenhaus zurücklegen müssten.

Tatsächlich geht aus einer Statistik der Rettungsstelle Kirchheim hervor, dass 2015 pro Einsatz etwa 30 Kilometer zurückgelegt wurden und ein Einsatz etwa eineinhalb Stunden dauerte.

Der Ebersberger Landrat Niedergesäß indes spricht sich gegen das Klinikum aus. Ihn stört besonders, dass neben einer Palliativstation und einer Notfallambulanz auch eine Tumor- und eine orthopädische Chirurgie entstehen sollen. Er befürchtet, dass so gerade die Fälle, die für Kliniken lukrativ sind, dem Markt entzogen werden. "Das würde die wirtschaftliche Situation der umliegenden Häuser weiter verschlechtern."

"Healing Architecture" heißt das Zauberwort

Franz Gruber aus Kirchheim, der die beiden Professoren Andreas Sendler und Rudolf Hipp auf die Idee einer Klinik in der Gemeinde brachte und sich nun für das Projekt einsetzt, kann die Kritik des Ebersberger Landrats nicht nachvollziehen. "Er verkennt eines: Klinik ist eben nicht gleich Klinik." Das Krankenhaus in Kirchheim solle nach dem Konzept der "Healing Architecture", also heilender Architektur, erbaut werden.

Durch besonders helle Räume und der passenden farblichen Gestaltung sollen Patienten psychisch und physisch positiv beeinflusst werden. Ein altes Haus, so Gruber, könne man gar nicht mehr auf diesen Stand bringen.

Auch dass die Bevölkerung im Landkreis München in den kommenden Jahren um etwa 13 Prozent wachsen soll, ist für Gruber ein Argument für ein Krankenhaus. Den steigenden Bedarf sieht auch der Ebersberger CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Huber, demografiepolitischer Sprecher seiner Fraktion.

Konkurrenz entsteht aus Kirchheimer Sicht nicht

Doch eine neue Klinik hält er ebenso für falsch wie sein Parteifreund Niedergesäß. Einer steigenden Nachfrage könne man auch mit einer Erweiterung der bestehenden Häuser nachkommen. Das sei sogar wirtschaftlicher als der Bau einer neuen Klinik. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen verweist darauf, dass in den bestehenden Planungen bereits die Zunahme chronischer und altersbedingter Krankheiten einberechnet sei.

Dabei könne ein neues Kirchheimer Klinikum mit Ebersberg gut zusammenarbeiten, glaubt Gruber. Zum Beispiel sei dort die Urologie fantastisch. Eine große Konkurrenz entstehe aus seiner Sicht nicht. "Unsere geplanten 180 Betten könnten ohnehin nicht den gesamten Bedarf abdecken."

Außerdem betont Gruber, dass die Klinik privat geführt werde, also - anders als das Ebersberger Klinikum - ohne Steuergelder auskomme. Trotzdem sollen in Kirchheim nicht nur Privat-, sondern auch Kassenpatienten behandelt werden.

Der Ebersbergs Landrat äußert Verständnis, dass Kirchheim ein solches "Prestigeprojekt" gewinnen wolle. Doch das dürfe nicht dazu führen, dass bestehende Kliniken im Umland darunter leiden. Das sei Egoismus zu Lasten anderer. Diesen Vorwurf gibt Gruber an den Landrat zurück: "Hier aus Konkurrenzdenken den medizinischen Fortschritt in Kliniken zu verhindern, das ist purer Egoismus."

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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