Erneuerbare Energien:Geothermie ist nah und doch so fern

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Um die Wärmewende zu schaffen, haben sich mehrere Kommunen zu einem Bündnis zusammengeschlossen. (Foto: Florian Peljak)

Hartmut Dannenberg wartet in Kirchheim seit elf Jahren auf einen Anschluss an die Fernwärme. Dabei verläuft die Leitung nur 100 Meter von seinem Haus in der Ortsmitte entfernt.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

Hartmut Dannenberg ist Meteorologe. Er beschäftigt sich schon lange mit dem Klimawandel und weiß, wovon er spricht, wenn er auf die Gefahren aufmerksam macht, die damit einhergehen. Bereits vor etwa 40 Jahren, erzählt der Kirchheimer, hatte einer seiner Klassenkameraden - der bekannte Klimaforscher Hartmut Graßl - auf die damit verbundenen Risiken hingewiesen. Umso erpichter ist Dannenberg eigenen Worten zufolge, wegzukommen von fossiler Energie. Seine Wunschlösung: Ein Geothermie-Anschluss. Vor elf Jahren schloss Dannenberg einen Vertrag mit der AFK-Geothermie GmbH, einer kommunalen Tochtergesellschaft der drei Gemeinden Aschheim, Feldkirchen, Kirchheim, um sein Reihenhaus im Kirchheimer Ortskern an das Erdwärmenetz anzuschließen - und wartet bis heute darauf.

Beim Vertragsabschluss im Jahr 2011 sei ihm schriftlich in Aussicht gestellt worden, dass der Anschluss im Folgejahr realisiert werden könne, gibt Dannenberg an. 2012 wurde er jedoch enttäuscht: In seiner Straße gebe es kein ausreichendes Interesse an der Geothermie, "aus wirtschaftlichen Gründen" müsse die Leitungsverlegung verschoben werden. "Danach hat sich die AFK nicht mehr gerührt", sagt Dannenberg.

Erst auf telefonische Nachfrage einige Jahre später habe man ihm mitgeteilt, dass ein Anschluss in seiner Straße nicht vorgesehen sei. Zu wenige hätten dort ihr Interesse bekundet - damit die AFK tätig werde, müsste mehr als die Hälfte der Anwohner einen Vertrag abschließen, so die Auskunft, die Dannenberg eigener Aussage nach erhielt. "Mir wurde geraten, ich solle doch bei meinen Nachbarn Werbung für die AFK machen, weil der Anschluss sonst wohl nie kommt." Als er seinen Vertrag abgeschlossen hatte, sei nie die Rede von einer Mindestanzahl an Interessenten pro Straße gewesen, sagt der Kirchheimer, auch auf der Webseite der AFK sei davon nichts zu lesen. "Dort wird alles so dargestellt, als sei der Anschluss so einfach zu erhalten, wie einen Fernseher zu kaufen."

Hartmut Dannenberg wollte seine Gasheizung längst gegen einen Geothermie-Anschluss austauschen. (Foto: Claus Schunk)

Im vergangenen Sommer teilte die AFK Dannenberg mit, dass sein Vertrag aufgelöst werde - "in beiderseitigem Einverständnis", wie es in dem Schreiben heißt. Der Kirchheimer kann darüber nur lachen: "Das war nicht in meinem Sinne, das hat die AFK für mich beschlossen." Da er sein Haus nach wie vor an die Geothermie anschließen möchte, erwirkte er die Aufrechterhaltung des Vertrags. Über eine zeitnahe Realisierung hat Dannenberg jedoch immer noch keine Informationen erhalten.

Besonders frustriert ist er darüber, dass das bestehende Netz der AFK in greifbarer Nähe zu seinem Reihenhaus verläuft: Der Kirchheimer lebt nicht etwa abgelegen, sondern mitten im Ortskern. Die Geothermie-Leitungen liegen seinen Worten zufolge gerade einmal 100 Meter von seinem Grundstück entfernt. "Bei der Gründung der AFK war die Voraussetzung, dass jeder Bürger Anspruch auf einen Anschluss hat", sagt Dannenberg. Gerade in der aktuellen Situation, in der eine Abhängigkeit von russischem Erdgas immer problematischer werde, ist Dannenberg enttäuscht: "Es ist doch absurd: Wir stehen wortwörtlich auf der Geothermie und müssen trotzdem noch Energie aus Russland abnehmen."

Die Geschäftsführerin der AFK argumentiert mit der Wirtschaftlichkeit

Die aufgrund der kriegsbedingten Unsicherheit gestiegene Nachfrage nach Geothermie-Anschlüssen spürt eigener Aussage nach auch Martina Serdjuk, Geschäftsführerin der AFK. "Das bewegt momentan viele, die Dringlichkeit ist jetzt da." Serdjuk kann daher auch die Verärgerung Dannenbergs verstehen: "Es tut mir wirklich weh, dass man gerade Leute, die so überzeugt von der Geothermie sind, noch nicht anschließen kann."

Die Geschäftsführerin argumentiert ebenfalls mit der Wirtschaftlichkeit: "Wir bauen unser Netz jedes Jahr aus, aber wir können Anschlüsse nur in die Straßen verlegen, in denen es ausreichendes Interesse gibt." In der Tat lägen zwar die bestehenden Leitungen "im Kreis um das Haus von Herr Dannenberg herum", räumt Serdjuk ein. Doch für die Größe und die Wärmeabnahme des Gebäudes seien 100 Meter ein weiter Weg.

Der Grund für die Auflösung von Dannenbergs Vertrag war laut Serdjuk jedoch nicht, dass ein Anschluss seines Grundstücks völlig unmöglich ist. Die meisten Kunden, so auch Dannenberg, hätten vor Jahren eine Anzahlung geleistet, "bei den Verträgen, die ich nicht sofort realisieren kann, möchte ich dieses Geld nicht so lange verwahren." Auf den Wunsch nach einem Anschluss oder die Wahrscheinlichkeit hätte die Auflösung jedoch keinen Einfluss.

Serdjuk verteidigt auch die Empfehlung an die Kunden, bei mangelndem Interesse in der Straße selbst Werbung zu machen. Oft sei ein direktes Gespräch mit einem Nachbarn erfolgsversprechender als ein anonymes Schreiben von der AFK. "Wenn ein Brief von einer großen Firma kommt, legt man ihn oft weg", sagt Serdjuk. Mit welcher Wartezeit bei einem neuen Vertragsabschluss zu rechnen ist, kann die Geschäftsführerin nicht pauschal sagen, das sei abhängig von verschiedenen Faktoren: Die Gesamtentwicklung des Netzes spiele ebenso eine Rolle wie die Kapazitäten der AFK oder das Interesse im Gebiet.

Hartmut Dannenberg hat in jedem Fall weiterhin Interesse an einem Geothermie-Anschluss, wie er sagt. "Meine Gasheizung ist jetzt 32 Jahre alt und es graut mir bei dem Gedanken, sie wieder mit Gas ersetzen zu müssen." Energie aus Erdwärme ist seiner Ansicht nach eine zukunftsträchtige Chance. "Meines Erachtens müsste sowohl das Land Bayern wie der Bund im Hinblick auf die zu erwartende Energiekrise jetzt massiv in Projekte wie die Geothermie investieren."

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