Infrastruktur:So steht es um die Brücken um München

Lesezeit: 3 min

  • Etwa 1400 von 5400 Brücken in Bayern sind sanierungsbedürftig, neun Prozent mehr als noch vor drei Jahren.
  • Zwischen 2013 und 2017 wurden nur 37 Prozent der freigegebenen Mittel für Sanierungen abgerufen.
  • Einsturzgefahr besteht nach Angaben des Staatlichen Baumamts Bayern aber nirgends.

Von Christina Hertel

Mit einem Hammer klopft Natalie Zunac gegen einen Brückenpfeiler. Tok, tok, tok, der Ton ist hell. Ein gutes Zeichen, sagt Zunac. Sie ist Bauingenieurin, 31 alt. Für die Autobahndirektion Südbayern überprüft sie die Brücken zwischen Ingolstadt und Garmisch, insgesamt 1396 Stück. Ihre Aufgabe ist, festzustellen, welche Brücken marode sind, was, wann, wo saniert werden muss. Im Landkreis München ist das eine Menge: Neun Autobahnbrücken und acht Brücken an Bundesstraßen sind sanierungsbedürftig. Die Autobahnbrücken werden alle spätestens bis 2024 repariert oder neu gebaut - als letztes ist die an der A 99 in Brunnthal dran. Bei den Bundesstraßen wird die Hälfte in den nächsten vier Jahren in Angriff genommen. Der Rest folgt laut Staatlichem Bauamt Freising möglichst bald danach.

Insgesamt ist der Zustand der Brücken im Landkreis, der Autobahndirektion Südbayern zufolge, etwas schlechter als im Durchschnitt Bayerns. So bekommen hier 18 von 90 Autobahnbrücken die Note 3 und schlechter, ihr "Bauwerkszustand", wie es in der Fachsprache heißt, ist nicht ausreichend. Doch eine Gefahr, dass die Brücken einstürzen wie in Genua vor zehn Tagen, bestehe nicht, sagt Stefan Meier vom Staatlichen Bauamt Freising. Diese Bewertung bedeutete bloß, dass die Behörden möglichst bald planen müssen, wie sie die Brücken reparieren.

Verkehr in Bayern
:Staatsregierung räumt Sanierungsbedarf von Tausenden Brücken ein

Mehr als 90 Prozent der Autobahnbrücken müssten umgehend bis mittelfristig instand gesetzt werden, so das zuständige Ministerium. Die Opposition bemängelt zu wenig finanzielle Mittel für Reparaturmaßnahmen.

Die Brücke, unter der Bauingenieurin Natalie Zunac steht, gehört nicht zu jenen im Landkreis, die saniert werden müssen. Sie liegt an der A 95 auf dem Weg Richtung Starnberg und wurde erst 2015 gebaut. Zunac muss sie trotzdem alle drei Jahre überprüfen, etwa eineinhalb Stunden dauert das. Sie und ihr Kollege, der Techniker Stefan Tiefenmoser, klopfen mit einem Hammer den Beton ab, schauen sich Ritzen und Spalten an und kontrollieren, ob sich irgendetwas an der Brücke verändert hat. Alle sechs Jahre untersuchen sie die Brücke intensiver, dann kommen auch Leitern und Hubwagen zum Einsatz. Das könne dann schon mal mehrere Tage dauern, sagt Zunac. Heute muss sie in ein Formular, das in einem Klemmbrett steckt, aber nur kleinere Mängel eintragen. Oben an der Brüstung ist etwas Farbe abgeblättert, unten am Sockel, ist der Beton nicht ganz glatt.

Würde Zunac unter der Isarbrücke an der B 471 in Ismaning stehen, sähe das wohl anders aus. Für ihren Zustand hat diese die Note 4 bekommen - ungenügend. Sie gehört damit zu den zehn marodesten Brücken Deutschlands. An der Brücke platzt Beton ab, er hat Risse und Hohlstellen. An Schweißnähten, Trägern und Blechen hat sich Rost gebildet. Bis spätestens 2022 soll sie laut Stefan Meier neu gebaut werden - so wie die Brücke an der Staatsstraße 2088 über die Isar bei Oberföhring.

Dass oft nichts anderes übrig bleibt, als Brücken abzureißen und neu zu errichten, kritisiert Anton Hofreiter, Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag scharf: "Es ist zu wenig Geld in den Unterhalt und die Sanierung gesteckt worden, weil es für einige Politiker populärer ist, bei der Eröffnung einer neuen Brücke das Bändchen durchzuschneiden." Wer jedoch eine Sanierung in Auftrag gebe, komme mit keinem Foto in die Regionalzeitung. Damit verursache man zunächst Stau, Umleitungen und Verkehrschaos.

Tatsächlich saniert der Freistaat weniger Brücken, als er könnte: Eine Anfrage der SPD im Landtag ergab, dass zwischen 2013 und 2017 für Sanierungen nur 37 Prozent der freigegebene Mittel abgerufen wurden. Doch mit der Instandsetzung zu lange zu warten, führt aus Hofreiters Sicht zu einem Problem: "Wenn nicht zum richtigen Zeitpunkt saniert wird, wird alles immer teurer." Alleine der Neubau der Isarbrücke in Ismaning kostet zehn Millionen Euro. Wie viel für die Brücken über die Isar und die Bahn in Oberföhring, die bis 2022 ebenfalls neu gebaut oder repariert werden sollen, anfallen, stehe noch nicht fest, sagt Meier. Klar ist aber: Für alle neun sanierungsbedürftigen Autobahnbrücken muss man mit etwa 33,5 Millionen Euro rechnen.

Die Brücken im Landkreis sind nicht schlechter als anderswo

Bauingenieurin Natalie Zunac, sagt, sie beobachte nicht, dass die Brücken im Landkreis München in einem wesentlich schlechteren Zustand seien als anderswo. Man müsse bedenken, dass viele Bauwerke hier besonders alt seien. Die Brücken an der A 8 in Neubiberg, Unterhaching und Brunnthal, die zwischen 2019 und 2022 in Stand gesetzt werden, stammen zum Teil noch aus den Dreißigerjahren. Und dass derzeit und in den kommenden Jahren so viele Brücken auf der A 99 saniert werden, hänge auch mit dem achtspurigen Ausbau des Rings zusammen.

Hinzu komme, sagt Stefan Meier vom Bauamt, dass die Straßen hier in der Region stärker belastet werden als anderswo in Bayern - vor allem durch den Schwerlastverkehr. "Ein Lkw", sagt Meier, "schädigt die Straße so viel wie mehr als 100 000 Pkw." Baustellen an Brücken wird es aber auch im Rest Bayerns geben: Aus der Anfrage der SPD geht hervor, dass derzeit etwa 1400 von 5400 Staatsbrücken sanierungsbedürftig sind - neun Prozent mehr als noch vor drei Jahren.

Genauso lange überprüft Zunac schon, wie stabil die Autobahnbrücken sind. Dass sie nach einer Kontrolle eine Straße sofort sperren lassen musste, weil das Bauwerk einzustürzen drohte, sei in dieser Zeit erst einmal vorgekommen - als ein Lastwagen gegen einen Pfeiler fuhr.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: