Die Extrawurst, die ist uns fremd, doch geben wir das letzte Hemd." Vielleicht ist Kreativität ja der Schlüssel zum eigenen Heim. Man könnte doch mal auf Poesie setzen, statt nur einen Antrag auszufüllen. Einen Versuch ist es wert bei der angespannten Immobilienlage im Großraum München, dachten sich Katrin und Andreas (Namen geändert), als sie ihr selbst verfasstes Gedicht ins Oberhachinger Rathaus schickten, um in den Kreis der Bewerber für das neue Einheimischenmodell der Gemeinde aufgenommen zu werden. Denn: "Jeder, der Kinder hat, davon träumat, dass bau'n er könnt in seiner Heimat."
"Wir haben ein bisschen auf die "Bunter-Vogel-Taktik" gesetzt, sagt Katrin, wohl wissend dass sie zwar aus Oberhaching stammt, aber zu lange in München gewohnt hat, um als Einheimische zu gelten. Seit vier Jahren sucht die Familie nach einem Häuschen im Landkreis, "immer unter anderen Vorzeichen", wie die junge Mutter sagt, denn inzwischen sind sie zu fünft, die Kinder vier, zwei und ein halbes Jahr alt. Innenstadt, fünfter Stock ohne Aufzug ging einfach nicht mehr. Jetzt haben sie erst einmal ein Haus gemietet, befristet. Die Suche geht weiter, denn aus dem Einheimischen-Haus in Oberhaching ist, wie befürchtet, nichts geworden. Die Richtlinien der Gemeinde sprachen dagegen, der Bewerberkreis war groß. Von 80 Interessenten erhielten nur 14 eine Zusage für vergünstigten Grund am Neuen Weg. "Oberhaching wäre schon optimal gewesen, mit Oma und Opa am Ort", sagt Katrin.
Es gibt einen immensen Nachfrageüberhang
Die Preise auf dem freien Markt sind gerade in dieser Gemeinde im südlichen Landkreis enorm hoch und Neubaugebiete gibt es nur wenige. 745 Euro kostet der Quadratmeter Bauland, im Einheimischenmodell zahlt man die Hälfte. Der Immobilienverband IVD hat in seinem gerade veröffentlichen "Umlandbericht" der Gemeinde attestiert, nach wie vor eine gefragte Lage mit bester Wohn- und Lebensqualität zu bieten. Die Preise seien im letzten halben Jahr weiter gestiegen, "befeuert durch den immensen Nachfrageüberhang am Münchner Immobilienmarkt".
Die 700 000 Euro, die sich Katrin und Andreas als Obergrenze gesetzt hatten, werden da nicht mehr reichen. Für die neue Doppelhaushälfte in Oberhaching notiert das IVD-Institut je nach Wohnwert inzwischen 848 000 bis 1,15 Million Euro, in Gräfelfing sind es sogar 1,18 Millionen, in Grünwald zahlt man schon für ältere Häuser mehr als eine Million. Aber auch 680 000 Euro in Taufkirchen sind nicht gerade ein Schnäppchen. Noch dazu handelt es sich bei diesen Zahlen nur um Durchschnittswerte.
Klickt man sich durch die Offerten im Internet, bleibt Normalverdienern schnell die Spucke weg. Da ist man für eine Doppelhaushälfte Baujahr 1963 in Putzbrunn mit 113,62 Quadratmetern Wohnfläche, verteilt auf vier Zimmer, schnell mal eine Dreiviertelmillion los. Für ein Reiheneckhaus in Kirchheim, Baujahr 1979, will der Verkäufer 885 000 Euro und in Pullach ist man bei einer 20 Jahre alten Doppelhaushälfte mit 1,2 Millionen dabei.
Der Preis hängt sehr stark von der Lage ab
"Das sind die Wunschvorstellungen der Verkäufer, aber nicht unbedingt die Preise, die dann tatsächlich gezahlt werden", sagt Wernher Weigert, Leiter des Immobiliencenters der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. Dass jedes Haus und jede Wohnung im Großraum München "um jeden Preis" gekauft werde, könne er nicht bestätigen. "Das hängt sehr stark von der Lage ab", sagt er. Bei Spitzenobjekten allerdings würden schon häufig Preise gezahlt, "bei denen einem schwindelig wird". Wenn jemand ein Top-Objekt in einer bestimmten Lage unbedingt wolle, dann seien ihm 200 000 Euro mehr auch nicht mehr so wichtig.
Eine hohe Nachfrage im gesamten Landkreis München kann auch er bestätigen, dabei sei kein Ort besonders im Fokus, da insgesamt die Anbindung an die Stadt München in den Umlandgemeinden gut sei. Die historisch niedrigen Zinsen sind für ihn ein Hauptgrund dafür, dass "jeder, der irgendwie kann", sich eine Immobilie kauft. "Die Mieten steigen und als Altersvorsorge sind Immobilien weiterhin attraktiv." Verkauft werde hingegen kaum etwas, nur wenn ein Erbe aufgeteilt werden müsse, die Lebensplanung sich ändere oder ältere Leute nicht mehr in einem so großen Haus wohnen wollten. Wer nicht muss, verkauft nicht, denn die Werte werden weiter steigen.
Immobilien im Landkreis München:Das Millionenspiel
Exorbitante Summen für ein Eigenheim und Mieten von mehr als 2000 Euro - die Immobilienpreise im Landkreis München kennen offenbar nach oben keine Grenze. Das überfordert selbst Gutverdiener. Makler erwarten keine Entspannung.
Die Kreissparkasse verlangt 20 Prozent Eigenkapital
Eine Studie der Postbank hat im vergangenen Jahr bestätigt, dass Käufer von Häusern und Eigentumswohnungen in dieser Gegend finanziell alles richtig gemacht haben. Der Landkreis München führt demnach deutschlandweit das Ranking der Landkreise an, in denen bis 2030 die Immobilie "erheblich an Wert gewinnt". Viel teurer als noch vor 15 oder 20 Jahren käme der Kauf auch gar nicht, wenn man die Finanzierung bei der Rechnung mit berücksichtige, sagt Weigert. Aufgrund der niedrigen Zinsen zahle man an Ende kaum mehr. 20 Prozent Eigenkapital muss man bei der Kreissparkasse aber weiterhin auf den Tisch legen, "das ist auch zum Wohle des Käufers so geregelt", sagt er. Bei den hohen Preisen muss man diese Summe aber erst einmal auftreiben, damit man überhaupt ins Geschäft kommt. Manche hätten etwas geerbt, andere eine kleinere Immobilie verkauft, so Weigert.
SZ-Grafik; Quelle: IVD-Institut, Marktbericht Münchner Umland Wohnimmobilien
SZ-Grafik; Quelle: IVD-Institut, Marktbericht Münchner Umland Wohnimmobilien
SZ-Grafik; Quelle: IVD-Institut, Marktbericht Münchner Umland Wohnimmobilien
SZ-Grafik; Quelle: IVD-Institut, Marktbericht Münchner Umland Wohnimmobilien
Auch wenn es offenbar viele solvente Bürger in den Landkreis zieht und die Neubauten häufig schon verkauft sind, bevor überhaupt der erste Bagger anrollt, bleiben immer noch zahlreiche Menschen, die auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. Die Mieten im Landkreis sind ungebrochen hoch, mehr als 15 Euro pro Quadratmeter ist in vielen Gemeinden keine Seltenheit mehr. Für schwache Einkommensgruppen oder Familien, denen plötzlich ein Verdienst weg bricht, wird es immer schwerer, eine Wohnung zu finden. Eine alleinerziehende Mutter aus Kirchheim ist froh über ihre 75 Quadratmeter im ersten Stock für etwa tausend Euro im Monat. Obwohl sie Vollzeit arbeitet, ist das viel Geld, etwas Größeres mit Garten ist nicht drin. Sollte sie mal aus der Wohnung rausmüssen, wird es schwierig. "So etwas finde ich nicht mehr", da ist sie sich sicher.
Die Gemeinden versuchen inzwischen mit verschiedenen Modellen diesem Trend etwas entgegenzusetzen. Mancherorts wie in Neubiberg und Unterhaching sind Genossenschaften im Gespräch. In verschiedenen Gemeinden wird derzeit über das Münchner Modell der sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) nachgedacht. "Wir können den Boden nicht einfach dem freien Markt überlassen", wirbt David Grothe, Grünen-Gemeinderatsmitglied in Taufkirchen, für derartige Richtlinien in seiner Gemeinde. Dieses Modell sehe vor, dass nur die Hälfte des Wertzuwachses eines Grundstücks beim Investor bleibe, der andere Teil an die Kommune gehe, die damit geförderten Wohnungsbau und soziale Infrastruktur finanziere. Oberschleißheim hat gerade Richtlinien für die Sobon erarbeitet, in Hohenbrunn ist sie ebenfalls ein Thema.
Die Zuwanderung in den Landkreis wird nicht abreißen. Bis 2034 soll die Einwohnerzahl laut Landesamt für Statistik noch einmal um etwa 50 000 auf dann 390 000 steigen. "Man kann nicht einfach zusperren. Die Leute kommen und versuchen unterzukommen", sagt Roman Dienersberger, Leiter Wohnungswesen der Regierung von Oberbayern, und wirbt für den Wohnungspakt Bayern, mit dem Kommunen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gefördert werden. Zwar seien immer Wohnungen gebaut worden, doch habe sich die Wohnfläche pro Einwohner seit 1972 beinahe verdoppelt. Damals benötigte jeder durchschnittlich 27 Quadratmeter, heute sind es 45. Das habe weniger mit Ansprüchen, sondern vielmehr mit veränderten Haushaltsgrößen durch viele Alleinwohnende zu tun.