Immobilien im Landkreis München:Das Millionenspiel

Immobilien im Landkreis München: SZ-Grafik

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Exorbitante Summen für ein Eigenheim und Mieten von mehr als 2000 Euro - die Immobilienpreise im Landkreis München kennen offenbar nach oben keine Grenze. Das überfordert selbst Gutverdiener. Makler erwarten keine Entspannung.

Von Iris Hilberth

Eine Anzeige aus einem Immobilienportal im Internet von dieser Woche: Doppelhaushälfte in Oberhaching, 150 Quadratmeter Wohnfläche auf 175 Quadratmeter Grund. Der Verkäufer wirbt dennoch mit "parkähnlichem Grundstück". Dazu hochwertige Parkettböden, gehobene Ausstattung, elektrische Rollläden und natürlich Geothermie. Die bevorzugte Wohngegend versteht sich bei Oberhaching fast schon von selbst. Der Preis für den Neubau: 1 025 000 Euro. Mehr als eine Million. Dass man mit älteren Häuser vergleichsweise günstiger wegkommt, ist bei ähnlicher Größe zu erwarten, doch auch hier fragt sich ein normal bis gut verdienender Kaufinteressent, sofern er nicht gerade geerbt hat: Wer kann das bezahlen?

Noch ein Beispiel, dieses Mal Unterhaching: Reihenmittelhaus, 161 Quadratmeter Wohnfläche, 297 Quadratmeter Grund, Baujahr 1920, modernisiert: 885 000 Euro. Selbst das 55 Jahre alte "Haus mit Potenzial" in Grasbrunn, das hohen Sanierungsbedarf erahnen lässt, soll mit nur 93 Quadratmetern Wohnfläche und 387 Quadratmetern Grund 550 000 Euro kosten.

Wer mehr Platz braucht für die Kinder, der muss rausziehen in die Region

Für Normalverdiener ohne üppige Erbschaft ist das alles unbezahlbar. Zum Beispiel Horst Buchenholz (Name geändert) und seine Familie. Sie sind längst davon abgekommen, sich nach eigenen vier Wänden im Landkreis umzuschauen. Derzeit wohnt die vierköpfige Familie in einer Dreizimmerwohnung im östlichen Landkreis zur Miete. 83 Quadratmeter, 1000 Euro kalt. Dazu kommen 250 Euro Nebenkosten. "Auf Dauer ist die Wohnung für uns vier zu klein. Aber mehr können wir uns nicht leisten", sagt Buchenholz. Dabei hat man noch Glück: In der Nachbarschaft wurde unlängst eine Zweizimmerwohnung für den gleichen Preis neu vermietet.

Seit das zweite Kind auf die Welt kam, schaut sich die Familie nach einer größeren Wohnung um. Doch um sich die leisten zu können, müsste sie weiter rausziehen. Am Stadtrand, von wo man schnell mit der S-Bahn in der Stadt ist und Gymnasium oder Realschule zu Fuß oder per Rad erreichbar sind, kosten Vierzimmerwohnungen selten unter 1400 Euro Miete, Reihenhäuser leicht 2000 Euro und mehr. Und kaufen ist ebenso wenig finanzierbar. Selbst in Dörfern wie Grasbrunn werden aktuell für familiengerechte Neubauwohnungen kaum unter 600 000 Euro und für Doppelhaushälften 750 000 Euro verlangt. Dabei hat die Ortschaft noch nicht einmal eine eigene S-Bahn-Station.

Dennoch bleiben die Anbieter selten lange auf ihren Immobilen sitzen. In seinem jüngsten Marktbericht hat der Immobilienverband Deutschland (IVD) festgestellt, dass im Landkreis München im Jahr 2015 die Angebotsdauer von Häusern durchschnittlich bei 11,4 Wochen lag und damit ähnlich wie in den anderen Landkreisen der Region. Nur die Landeshauptstadt liegt mit 9,2 Wochen noch einmal deutlich darunter. Laut IVD geht die Angebotsdauer rund um München seit 2013 zurück. Dazu trügen im Wesentlichen das geringe Objektangebot und die hohe Nachfrage bei. "Die in den vergangenen Jahren sehr günstigen Bauzinskonditionen haben die Nachfrage nach Immobilien in der Region München zusätzlich stark angetrieben", sagt Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts.

Eine Dreizimmerwohnung in Unterföhring kostet nach 13 Jahrend das Doppelte

Dabei hätten steigende Preise und die somit gesunkenen Renditen kaum negative Auswirkungen auf die Nachfrage. Nach Jahren mit teilweise starken Preisanstiegen sei im Herbst 2014 zwar eine leichte Verlangsamung der Aufwärtsspirale bei den Kaufpreisen beobachtet worden. Doch was heißt das schon, bei den laut IVD "im bundesweiten Vergleich sehr hohen Preisen" in den Gemeinden des Münchner Umlandes?

In den vergangenen fünf Jahren verzeichneten alle untersuchten Kreisstädte im Münchener Umland Zuwächse im zweistelligen Bereich. Verkauft man etwa in Unterföhring seine 13 Jahre alte Dreizimmer-Wohnung, bekommt man heute locker das Doppelte. Für ein Haus am selben Ort langt es für den Verkäufer der Eigentumswohnung trotz des lukrativen Geschäfts noch lange nicht. Das musste kürzlich eine Familie feststellen, die gehofft hatte, sich das größere Heim in Unterföhring leisten zu können. Sie musste schließlich die unmittelbare Stadtnähe aufgeben und zog nach Fischerhäuser.

Bei Doppelhaushälften herrschen Münchner Preise

Wer im Landkreis München auf der Suche nach einem Eigenheim ist, muss insbesondere auch in den Würmtalgemeinden Gräfelfing und Planegg kräftig in die Tasche langen. Durchschnittlich 1,16 Millionen Euro zahlt man laut IVD in Gräfelfing für ein frei stehendes Einfamilienhaus mit gutem Wohnwert. Wird dieser als "sehr gut" eingestuft, ist man schon bei 1,8 Millionen. Bei Doppelhaushälften herrschen Münchner Preise, Neubauten liegen mit 1,12 Millionen Euro sogar darüber. Im Isartal muss man sogar noch etwas drauflegen, will man Hausbesitzer werden. 1,4 Millionen für guten Wohnwert, knapp 1,7 Millionen für die gehobene Klasse. Selbst für gebrauchte Doppelhaushälften kommt man hier an die Millionengrenze.

Allerdings war Grünwald auch ein Jahr zuvor schon genauso teuer, angestiegen sind die Preise in jüngster Zeit nicht mehr. Gleichwohl haben dort in den vergangenen zehn Jahren die Objekte ein Niveau erreicht, dass laut IVD selbst für "solvente und anspruchsvolle Käufer" ein Grenzbereich erreicht ist. Alte Bebauungspläne schrieben für heutige Verhältnisse zu große und pflegeintensive Grundstücke vor, heißt es in der Marktanalyse, und darunter leide Grünwald. Reihenhäuser und Eigentumswohnungen spielen hier eine untergeordnete Rolle. Mietwohnungen sind gar nicht erst aufgeführt.

Kräftig angezogen haben die Preise auch in Oberhaching. Dort zahlt man für ein frei stehendes Haus mit gutem Wohnwert mittlerweile 880 000 Euro, neue Doppelhaushälften sind oft noch teurer, hier notiert der IVD Preise über einer Million. Der Verband attestiert der "lebendigen" Gemeinde viel Flair und einen regen Alltag. Bei der Ausweisung neuer Baugebieten sei die Gemeinde allerdings sehr restriktiv, 2015 sei die Neubautätigkeit praktisch zum Erliegen gekommen. Auch bei Mietwohnungen liegt Oberhaching mit 13,90 Euro pro Quadratmeter an der Spitze und wird in der Untersuchung des IVD im Landkreis nur noch von Kirchheim (14,70 Euro) getoppt. Die Gemeinde Oberhaching versucht inzwischen mit Einheimischenmodellen bei den steigenden Wohnkosten gegenzusteuern.

In Ottobrunn ist der Platz knapp und Immobilien sind besonders teuer

Ottobrunn tut sich mit derartigen Plänen wegen der ohnehin schon dichten Bebauung und der wenigen verbliebenen freien Flächen schwer. Neuer Wohnraum könne dort nur durch Nachverdichtung in Form von Baulückenschließung entstehen, heißt es in dem Marktbericht. Entsprechend hoch sind die Preise. Für ein frei stehendes Haus mit gutem Wohnwert muss man durchschnittlich 900 000 Euro locker machen. Beim Mieten von Reihenhäusern legt man in Ottobrunn mehr hin als in München (2150 Euro im Monat). Laut IVD fehlt in der gesamten Region vor allem erschwinglicher Wohnraum im einfachen und mittleren Segment. Da die Grundstückspreise hoch seien und die Baukosten stiegen, entstünden aktuell überwiegend Wohnungen im höherpreisigen Segment. Marktforschungsleiter Kippes: "Der angestaute Bedarf an bezahlbaren Wohnungen wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen."

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