Honigproduktion:Bienen-Paradies an einem Ort der Trauer

Lesezeit: 3 min

Imker Benjamin Wimmer öffnet seine Bienenstöcke, die in Nachbarschaft zu Grabsteinen auf dem Waldfriedhof des Isar-Amper-Klinikums stehen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Benjamin Wimmer ist Unternehmensberater und Hobby-Imker. Für seine Bienen hat er am Friedhof des Isar-Amper-Klinikums ein ideales Umfeld.

Von Lara Jack, Haar

Versteckt hinter Bäumen, unweit eines verwitterten Grabes hört man es auf dem Waldfriedhof des Isar-Amper-Klinikums in Haar summen. Der Standort, an dem Benjamin Wimmer seine Bienen stehen hat, ist durchaus kein gewöhnlicher. Will der Hobby-Imker seinen Tieren einen Besuch abstatten, muss er unter anderem an Gräbern von Euthanasie-Opfern aus der Zeit des Nationalsozialismus vorbei. Die Geschichte des Ortes ist schrecklich, der Weg zu den Bienenstöcken stimmt nachdenklich. Für die Insekten wiederum ist diese Stelle ein vollkommenes Paradies.

Es ist ein verregneter Vormittag, an dem Wimmer sich zu seinen Bienenvölkern begleiten lässt. Gut gelaunt steigt er an der Eingangspforte zum Friedhof aus seinem Auto. Hauptberuflich ist er Unternehmensberater, die Imkerei betreibt er nebenbei als Hobby und das offenbar mit großer Leidenschaft. Noch trägt er sportliche Alltagskleidung, aber seine Schutzausrüstung hat er schon parat. In der einen Hand trägt er die Imkerkleidung, in der anderen eine blecherne Apparatur mit Blasebalg, deren Zweck dem Laien erst später enthüllt wird.

Schutzkleidung ist zur Sicherheit angesagt, bevor der Imker mit dem Smoker an die Bienenstöcke herangeht. (Foto: Sebastian Gabriel)

Ein Kiesweg führt entlang uralter Grabkreuze, deren Inschrift kaum mehr lesbar ist, durch den menschenleeren Friedhof. Wenige Schritte abseits des Weges stehen Wimmers Bienenstöcke. Seit einem Jahr sind die Völker hier beheimatet und wie dankbar er für diesen Standort ist, betont der Imker mehrmals. Seine Bienen könnten sich mit einem Flugradius von vier Kilometern am Nektar und den Pollen der umliegenden Rapsfelder, Kleingartenanlagen und des Riemer Parks bedienen. Ein deutlich größeres Trachtangebot also, als auf dem häufig von Monokulturen geprägtem Land. Da ist es wenig überraschend, dass Wimmer bereits etwa 60 Kilogramm Honig beisammen hat, wie er stolz erzählt. "Es gibt hier Blühstreifen, die die Klinik extra stehen lässt für die Bienen. Dann wachsen in der näheren Umgebung unter anderem Himbeeren, Brombeeren, Kastanien, Raps und alles, was der Kleingarten bietet. Der Honig wird also wahrscheinlich sehr aromatisch", vermutet Wimmer. Die Honigwaben werden zweimal im Jahr geschleudert. So gibt es um Pfingsten herum den lieblichen, cremigen Frühlingsblütenhonig und im Sommer den etwas würzigeren, herberen Sommerblütenhonig.

Der "Smoker" kommt zum Einsatz und es riecht nach Lagerfeuer

Im Neun-Tages-Rhythmus sieht Wimmer bei seinen Bienen nach dem Rechten. Dem regnerischen Wetter geschuldet schwirren an diesem Tag deutlich weniger von ihnen umher denn üblich. Schutzkleidung, wie Schleier und Handschuhe, ist dennoch ein Muss. Dann kommt das eigentümliche Gerät mit Lederblasebalg zum Einsatz, das eigentlich "Smoker" heißt und, wie der Name schon verrät, Rauch erzeugt. Der Imker brennt Pappe an, legt sie in das Behältnis und pumpt fachmännisch Rauch aus der Öffnung. Im regennassen Wald riecht es nun, als hätte jemand ein Lagerfeuer entzündet.

Der Imker nimmt die einzelnen Waben heraus und begutachtet sie. (Foto: Sebastian Gabriel)

Vorsichtig hebt Wimmer den obersten Holzkasten des Bienenstocks, den Honigraum, an und lässt Rauch in die untere Brutzarge strömen, wo sich die Brutwaben befinden. Das Summen wird lauter. Der Rauch, als Vorbote für Feuer, vermittelt den Bienen Gefahr. "Das hat den Effekt, dass sie sich mit Honig vollsaugen, damit sie im Falle einer Flucht genügend Honig haben. Dadurch sind sie beschäftigt und greifen mich nicht an", erklärt Wimmer. Er kann so in Ruhe die einzelnen Waben herausnehmen und begutachten. Vier Völker beherbergt er momentan, weitere sechs sind in Planung. In einem Volk leben bis zu 50 000 Bienen, allein an einem Tag legt die Bienenkönigin fast 2000 Eier. Diese Leistung begeistert den hauptberuflichen Unternehmensberater und seine allgemeine Faszination an den Tieren ist spürbar, gar ansteckend. "Fast zwei Drittel des Sortiments in Supermärkten wäre nicht da ohne die Bienen. Ich werde immer demütig, wenn ich darüber nachdenke: Ich als Mensch konsumiere so vor mich hin, während dieses kleine Tier solche Leistungen erbringt."

Unterdessen gewähren die Bienen einen Blick in den Honigraum. Zwischen Brutzarge und Honigraum ist ein Gitter, das ausschließlich die Arbeiterinnen passieren lässt und die Bienenkönigin somit daran hindert, Eier im Honig abzulegen. Auf die hellgoldenen Honigwaben ist Wimmer ganz besonders stolz. Sind die einzelnen Zellen in der Wabe versiegelt, ist das ein sehr gutes Zeichen. "Ab diesem Punkt haben die Bienen entschieden, der Honig ist gut, so wie er ist, und verschließen die Wabe mit einer feinen Wachshaut", sagt er und hält begeistert eine Honigwabe in die Höhe. Roh essen könne man die sogar. Beim Honigkonsum liegt dem Imker aber vor allem eines am Herzen: "Als deutscher Imker kann ich nur appellieren, den deutschen Imkerhonig zu kaufen. Man weiß bei importiertem Honig, gerade aus Nicht-EU-Ländern nicht, ob er mit Reissirup oder anderen Substanzen gestreckt ist."

Um im deutschen Imkerglas abfüllen zu dürfen, bedürfe es wiederum einer Zertifizierung, dadurch sei hohe Qualität garantiert. Wimmer selbst ist bis jetzt noch nicht für den Deutschen Imkerbund zertifiziert, mit seinem Honig weiß er aber schon einiges anzufangen. Anfragen gebe es bereits aus privatem Umfeld und auch Patienten der Klinik, die beim Spaziergang über den Friedhof die Bienenstöcke entdeckten, zeigten sich am Erwerb des lokalen Honigs interessiert.

Die Biene hat als sympathisches, fleißiges Tier in Deutschland eine starke Lobby. Alleine mit ihrem Schutz ist es in Sachen Biodiversität aber noch nicht getan. Wie könnte man also noch anderweitig zum Artenschutz beitragen? Wimmer: "Man könnte im Garten Blühpflanzen säen und sollte auch für andere Bestäubungsinsekten Möglichkeiten schaffen zu nisten. Zum Beispiel mit Insektenhotels."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: