Nahverkehr:Ein Bahnsteig muss reichen

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Nicht mehr zeitgemäß: Der Hohenbrunner S-Bahnhof bietet bis heute keine Möglichkeit für Rollstuhlfahrer, ohne Hilfe auf den Bahnsteig zu kommen. (Foto: Claus Schunk)

Weil ein größerer Umbau sehr teuer und zeitaufwendig wäre, begnügen sich die Gemeinderäte zähneknirschend mit einer Minimallösung für die S-Bahnstation Hohenbrunn. Einziger wirklicher Fortschritt wird ein Aufzug sein.

Von Stefan Galler, Hohenbrunn

Als am Ende abgestimmt wurde, wirkte es bei so manchem Gemeinderat, als wäre der Arm plötzlich tonnenschwer: Viele der Hohenbrunner Lokalpolitiker hatten von einer großen Lösung bei der Neugestaltung der S-Bahnstation Hohenbrunn geträumt, von zwei Bahnsteigen mit Rampen für Rollstuhlfahrer und für Eltern mit Kinderwagen sowie einer breiten Unterführung, die den zu bauenden neuen Ortsteil "Hohenbrunn West" mit dem Dorfkern verbindet. Doch in einer außerordentlichen Sitzung des Gremiums, in der zwei Bahnmanager alle Detailfragen beantworteten, war am Dienstagabend bald klar, dass ausschließlich die Minimallösung darstellbar sein würde. Einerseits aus finanziellen Gründen, aber auch, weil nur diese Variante eine zügige Fertigstellung garantiert, idealerweise rechtzeitig zur Inbetriebnahme der neuen Realschule, die 2026 erfolgen soll. Das heißt, dass die Station auch weiterhin nur einen Mittelbahnsteig zwischen den beiden Gleisen haben wird, einziger signifikanter Fortschritt zum Ist-Zustand wird ein neuer Aufzug sein.

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Entsprechend bedient waren einzelne Gemeinderäte gegen Ende der Sitzung: "Wir haben nur eine theoretische Entscheidungsfreiheit", sagte etwa Manfred Haucke (Bürgerforum) sichtlich erbost. Und Wolfgang Schmidhuber (Grüne), der sich seit Jahren für einen Umbau des S-Bahnhofs stark macht und in den jüngsten Wochen noch einmal vehement die Werbetrommel dafür gerührt hatte, stellte zähneknirschend fest: "Es bleibt unbefriedigend. Diese Lösung bietet keine echte Barrierefreiheit und keine vernünftige Ortsteilverbindung."

Die Vertreter der Deutschen Bahn (DB) hatten zunächst in einer Präsentation alle möglichen Varianten für den Umbau des Bahnhofs vorgestellt, dabei auch Prognosedaten geliefert für die Zeit, wenn das Wohngebiet westlich des Bahnhofs erst einmal bezogen sein wird: Während heute täglich etwa 1370 Fahrgäste in Hohenbrunn ein- und aussteigen, dürften es im Jahr 2035 bereits 2800 sein und im Jahr 2040 sogar 3600. Dafür würde ein 210 Meter langer Bahnsteig mit 96 Zentimeter Höhe, einer 53 Meter langen Überdachung und einem Wetterschutzhäuschen ausreichen. Die Unterführung hätte die Mindestbreite von 2,50 Meter, was lediglich Fußgänger zuließe, aber keine Fahrradfahrer. "Mit diesen Maßen wären sogar 600 Ein- und Aussteiger mehr möglich", sagte Sven Belger, Leiter Planung Bayern Süd bei der DB Station & Service.

Auf den Treppen wird es auch in Zukunft eng zugehen. (Foto: Claus Schunk)

Sein Kollege Herbert Kölbl, Leiter Vertrieb Mobility Bayern bei der DB Station & Service, ergänzte zum Thema Barrierefreiheit, dass mehr als ein Aufzug pro Bahnsteig nicht förderfähig sei. Dieser reiche in der Regel jedoch aus: "Im gesamten S-Bahngebiet München beträgt die Verfügbarkeit der Aufzüge 97 Prozent." Dieser Wert werde täglich aktualisiert. Die DB habe Dienstleister engagiert, die verpflichtet seien, einen defekten Lift innerhalb von zwei Stunden zu reparieren, sollte jemand in einem Aufzug eingesperrt sein, müsse sogar innerhalb von 30 Minuten jemand da sein, der die Person befreit.

Für zwei Bahnsteige würden enorme Umbauten fällig - das könnte bis zu 30 Millionen Euro kosten

Verantwortlich dafür, dass eine Lösung mit zwei Bahnsteigen letztlich nicht infrage kam, war wie so oft das liebe Geld. Die nun weiterverfolgte Lösung mit nur einer Plattform wird mit etwa elf Millionen Euro Gesamtkosten veranschlagt, von denen die Gemeinde bei entsprechender Förderung zumindest drei Millionen Euro selbst tragen muss, Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) rechnet eher mit vier bis fünf Millionen Euro, "vor allem wenn wir eine breitere Unterführung oder andere Sachen zusätzlich haben möchten". Dagegen geht Kölbl davon aus, dass die Variante mit den beiden Außenbahnsteigen insgesamt bis zu 30 Millionen Euro teurer geworden wäre - für die ohnehin durch zahlreiche Projekte wie Hallenbad und Sportcampus, neue Realschule, Sanierung öffentlicher Einrichtungen sowie die Errichtung eines neuen Feststadels finanziell klamme Gemeinde auch mit Zuschüssen nicht zu bezahlen. Dabei würde in diesem Fall nicht der Grunderwerb für den dann doppelt so breiten Bahnhof das Gros der Mehrkosten ausmachen, sondern umfangreiche Umbauten: Man bräuchte zwei neue Weichen, die Oberleitungen und Signale müssten angepasst und auch der Bahnübergang an der Kirchstockacher Straße müsste komplett umgebaut werden.

Nach der Abstimmung geht es nun in die konkrete Planungsphase, über den Sommer werde das Ausschreibungsverfahren vorbereitet, sagte Belger. Parallel sei die Finanzierung des Umbaus zu fixieren. Straßmair betonte, dass es bislang keine verbindlichen Zusagen für eine staatliche Förderung gebe. "Wenn sich am Ende kein Geldgeber findet, dann müssen wir das Projekt eben vorzeitig beenden", sagte der Bürgermeister und wies darauf hin, dass man der Gemeinde dann nicht mehr die Schuld zuschieben könne, wenn am maroden Bahnhof womöglich neben der dann neuen Realschule ein Unfall passiere.

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