Flucht und Migration:Helferkreise sind zunehmend am Limit

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Ehrenamtliche wie Elisabeth Schneider-Eicke, die Koordinatorin des Helferkreises Asyl im Würmtal, leisten wertvolle Integrationsarbeit. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In vielen Kommunen können sich die Ehrenamtlichen nicht mehr so intensiv um Flüchtlinge kümmern, weil es an Unterstützern fehlt. Vor allem der bürokratische Aufwand macht den Helfern zu schaffen.

Von Luisa Wick, Landkreis München

Es passiert immer wieder, dass Geflüchtete mitten im Ort auf sie zukämen und fragten, ob es nicht jemanden gebe, mit dem sie Deutsch lernen könnten, erzählt Lisa Obermaier, Sprecherin des Helferkreis in Haar. "Ich muss sie dann leider abweisen", sagt Obermaier. Die Helfer seien bereits an der Belastungsgrenze. Sie könnten die Geflüchteten nicht mehr in dem Maße unterstützen, wie sie gerne würden, oder gar nicht mehr. Gerade sucht Obermaier verzweifelt Paten für eine Familie und für mindestens zwei Berufsschüler, die Unterstützung in Mathe und Deutsch bräuchten.

Die Integration der Geflüchteten leidet, wenn die Helferkreise überlastet sind. Diese Erfahrung hat auch Dagmar Hoffmann gemacht, die Vorsitzende des Helferkreises in Unterföhring ist: "Früher haben wir jedes Kind zur Schulanmeldung begleitet und uns mit den Lehrern ausgetauscht, welche Unterstützung es braucht", sagt Hoffmann. Heute müsse sie abwägen: Welches Kind schafft es eventuell allein, bei wem ist der Bedarf größer? Die aktuelle Belastung sei "grenzwertig". Ende Juni wurde in Unterföhring eine zweite Flüchtlingsunterkunft mit rund 330 Plätzen an der Betastraße eröffnet. Sie sei aktuell circa zur Hälfte belegt, sagt Hoffmann. Den Menschen dort könne der Helferkreis bislang kaum zur Seite stehen. Auch die Sozialberater der Diakonie, die die Menschen in der Unterkunft unterstützen sollten, könnten nicht dauerhaft vor Ort sein. Die zwei Mitarbeiter betreuten noch drei weitere Einrichtungen. "Die haben wohl auch Personalmangel", sagt Hoffmann. Unterföhring ist neben Höhenkirchen-Siegertsbrunn die einzige Gemeinde im Landkreis, die aktuell mehr Geflüchtete aufgenommen hat, als sie müsste.

Elisabeth Schneider-Eicke, die sich um Asylbewerber in der Unterkunft in Gräfelfing kümmert, in der um die 150 Menschen leben, spricht von einer dauerhaft hohen Belastung. Viele der Bewohner seien bereits anerkannt, bekämen aber keine Wohnung und könnten das Heim demnach nicht verlassen; sie gelten als sogenannte "Fehlbeleger", wie es im Amtsdeutsch heißt. Nur etwa jedes halbe Jahr komme es vor, dass eine Familie mal eine Wohnung finde, so Schneider-Eicke, aber teilweise tue sich gar nichts. Besonders die Behördengänge seien mühselig und vor allem zeitaufwendig. Es passierten viele Fehler, Papiere blieben liegen oder würden falsch bearbeitet werden. Eine Verbesserung der Situation würde die Arbeit der Helfer "um ein Vielfaches erleichtern", sagt die Gräfelfingerin.

Wie viel Last eine solche Verbesserung den Helfern von den Schultern nehmen könnte, zeigt das Beispiel Oberschleißheim. Früher sei durch die Behördengänge ein "hoher Aufwand" entstanden, so Peter Lemmen, einer der Koordinatoren des örtlichen Helferkreises. Heute spielten sie nur noch eine untergeordnete Rolle. Grund dafür sei die Unterstützung durch die Sozialarbeiter der Caritas. Sie übernähmen alles, was Ämter angehe, berichtet Lemmen. So sei der Helferkreis aktuell nicht überbelastet. Anders stelle sich das natürlich dar, wenn künftig deutlich mehr Geflüchtete der Gemeinde zugewiesen werden würden. "Das wäre eine Herausforderung", so Lemmen. Dann würde die stetige Belastung eine Grenze überschreiten. Um seine Soll-Quote zu erfüllen, muss Oberschleißheim um die 100 weitere Plätze bereitstellen. Die Soll-Quote wird für jede Gemeinde individuell unter Einbezug der Einwohnerzahl berechnet.

"Menschen, die von Deutschen Unterstützung bekommen, geht es in Deutschland einfach besser", sagt die Asylhelferin

Wie wichtig die Arbeit der Helferkreise ist, zeigen die Geschichten der Ehrenamtlichen. Sie erzählen, dass kleine Mädchen nach Wochen wieder lachen konnten und junge Männer durch die Nachhilfe ihre Ausbildung erfolgreich abschlossen. "Menschen, die von Deutschen Unterstützung bekommen, geht es in Deutschland einfach besser", sagt Obermaier aus Haar. Durch die Helferkreise entstehe eine Verbindung zum Ort, erklärt Hoffmann, es entstehe ein Gefühl von Heimat. "Das sind entwurzelte Menschen. Wir geben ihnen ein kleines Stück Bodenhaftung und wenn man sich sicherer fühlt, verhält man sich auch anders." Hoffmann ist überzeugt, dass es auch durch die Arbeit der Helferkreise bislang keinen Konflikt zwischen Bürger und Geflüchteten gegeben habe. Harald Schertler, Leiter der Polizeiinspektion Ismaning, kann diesen Zusammenhang nicht statistisch belegen, wie er der SZ sagt. Doch auch er lobt die Arbeit der Ehrenamtlichen in den Helferkreisen als "gelebte Prävention".

Die meisten Helferkreise gründeten sich um das Jahr 2015 herum. Die Hilfsbereitschaft seitens der Bevölkerung sei damals um einiges höher gewesen, sagen Hoffmann und Schneider-Eicke übereinstimmend. In der Folge sei die Unterstützung über die Jahre gebröckelt und übrig geblieben sei nur ein harter Kern, so Obermaier. Dabei sei der Bedarf sehr hoch - und er wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen. 2200 weitere Menschen muss der Landkreis München noch aufnehmen, um sein Soll zu erfüllen. Um die Menschen zu integrieren, brauchen die Helferkreise dringend Unterstützung.

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