Haarer Gemeindefinanzen:Panasonic-Wegzug ist Schlag ins Kontor

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Die Firma ist längst weg aus Haar - jetzt schlägt der Steuerausfall durch. (Foto: dpa)

Vor Jahren hat der japanische Technologiekonzern Haar verlassen. Jetzt muss das Rathaus 4,8 Millionen Euro Gewerbesteuer erstatten.

Von Bernhard Lohr, Haar

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) war gerade mit dem Bayerischen Gemeindetag in Berlin, als sie die Hiobsbotschaft ereilte: Die Gemeinde Haar muss 4,8 Millionen Euro an Gewerbesteuer zurückzahlen, weil ein Unternehmen seit 2017 Steuern in Haar bezahlt hat, obwohl es längst seinen Sitz verlegt hatte. Für Müller war die Dienstreise in dem Moment erledigt, sie packte den Koffer und saß bald darauf mit den Mitarbeitern im Rathaus zur Krisensitzung zusammen.

"Für mich war das ein großer Schreck", sagt Müller. Es wurde im Haushalt umgeschichtet und mittlerweile gegen die Stimmen der CSU ein Nachtragshaushalt verabschiedet. Abstriche an laufenden Vorhaben habe man vermieden, sagt Müller.

Doch wie konnte es sein, dass ein Unternehmen, das nicht nur ein paar Euro zum Gewerbesteueraufkommen beiträgt, einfach aus der Gemeinde verschwindet und keiner kriegt es richtig mit? Wie die SZ aus sicherer Quelle erfahren hat, handelt es sich um den japanischen Technologiekonzern Panasonic, der an der Hans-Pinsel-Straße eine Dependance unterhielt, die vor Jahren nach Ottobrunn ging. Müller hält sich zum Namen bedeckt, sagt aber auch, dass es um ein international aufgestelltes Unternehmen gehe, in dem Geschäftsfelder umgeschichtet und Bereiche neu aufgeteilt worden seien. Auch sei das Unternehmen längst erneut umgezogen. Abgemeldet hat sich das Unternehmen laut Müller in Haar nicht, was es genauso wenig müsse wie eine Privatperson. Die Möglichkeiten eines Rathauses, bei Firmen hinter die Kulissen zu schauen, seien begrenzt. "Wir sind keine Detektive."

Als aber das Finanzamt für die Steuer 2017 wegen besagter Firma aus Haar Gelder zurückforderte, fragte die Kämmerei nach und kam - 2018 und 2019 eingerechnet - am Ende auf die doch nicht unbedeutende einstellige Gesamtsumme, die zuviel entrichtet worden war. Zuletzt ging man in Haar davon aus, dass sich die Gewerbesteuer-Einnahmen 2019 mit 21,4 Millionen Euro um 1,9 Millionen besser entwickeln als gedacht. Nun werden es laut Nachtragshaushalt wohl 16,5 Millionen Euro. Der Steuerausfall sei mittelfristig in der Finanzplanung verkraftbar, sagt Müller, auch weil man bis 2022 statt vier Millionen Euro jetzt 9,7 Millionen Euro an Zuschuss für den Grundschulbau erwarte. Kurzfristig hat man laut Müller eine Million Euro dadurch rausgeholt, dass wegen des verzögerten Fortschritt bei Bauvorhaben der Gemeinde Ausgaben erst später anstehen.

Keine Abstriche an Kitaplänen

Die benötigte provisorische Kindertagesstätte an der Rechnerstraße wird sich die Gemeinde jedenfalls weiter leisten. Auch Mehrausgaben wie bei der Sanierung des Geschäftshauses an der Leibstraße 24 sind gedeckt. Doch die Gemeinde wird eine in der Kameralistik, also der Rechnungslegung von Gemeinden, entscheidende Latte reißen und keinen Cent vom Verwaltungshaushalt, in dem das laufende Geschäft verbucht wird, in den Vermögenshaushalt transferieren. 232 000 Euro fließen in die Gegenrichtung. Für 2020 plant die Kämmerei, dass wieder 3,2 Millionen Euro in den Vermögenshaushalt eingehen. Auch soll 2022 die Pro-Kopf-Verschuldung bei 879 Euro liegen und damit sogar niedriger als im jetzt revidierten Haushaltsplan.

Bürgermeisterin Müller, die kürzlich verkündete, dass das neu in Haar angesiedelte Technologieunternehmen Attocube erstmals Gewerbesteuer bezahlt hat, sieht sich nun wachsender Kritik ausgesetzt. Mit dem Pharmaunternehmen MSD wird im Jahr 2021 wieder ein großer Gewerbesteuerzahler Haar verlassen. Andreas Bukowski, Vorsitzender des Gewerbeverbands Haar-Trudering und der örtlichen CSU, fordert, größeres Augenmerk auf die Gewerbeentwicklung zu legen.

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Es könne nicht sein, dass eine Rathausverwaltung nicht wisse, ob ein wichtiger Gewerbesteuerzahler noch am Ort sei oder nicht. Der aktuelle Vorgang zeige Defizite auf. Man dürfe nicht alleine auf die Zugkraft der Boomregion vertrauen. Seit März 2019 ist mit Alicia Frey eine Fachfrau für Wirtschaftsförderung im Rathaus tätig. Frey und Müller wurden Montagabend bei einem Treffen des Gewerbeverbands erwartet.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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