Anwohnerstreit:Kleinkrieg ums Kleine Theater

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Vor allem mit den Open-Air-Veranstaltungen des Kleinen Theaters im Sommer gibt es Probleme. Die Feierabend-Veranstaltungen am Mittwoch sind äußerst beliebt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Rund um die Kulturbühne auf dem ehemaligen Klinikareal in Haar ist das neue Wohngebiet Jugendstilpark entstanden. Inzwischen sind die Nachbarn eingezogen - und einige beschweren sich über den Lärm von Veranstaltungen.

Von Bernhard Lohr, Haar

Für die einen ist es höchster Kunstgenuss, für andere ist es belastender Lärm: Das Kleine Theater in Haar, das sich mit seinem breiten Kulturprogramm eine große Fangemeinde erarbeitet hat, bekommt es seit einiger Zeit verstärkt mit Beschwerden aus der Nachbarschaft zu tun. Das Theater liegt inzwischen mitten im Wohngebiet Jugendstilpark, das auf einem ehemaligen Teilgelände des Isar-Amper-Klinikums in Haar Zug um Zug ausgebaut wird.

Nach den hochgezogenen neuen Wohngebäuden geht es jetzt auch schrittweise um den Bezug der sanierten und zu Wohnungen umgebauten Klinikgebäude. Die Wohndichte steigt. Und damit wächst offenbar auch das Konfliktpotenzial. Gerade im Sommer.

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Ganz unerwartet kommt das alles nicht. Der Bezirk Oberbayern als früherer Träger der Klinik und Eigentümer des Kleinen Theaters sowie die Gemeinde Haar haben Anfang der Nullerjahre das historische Casino-Gebäude der Klinik und ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt bewusst als kulturellen Leuchtturm inmitten des künftigen Wohngebiets konzipiert. Das oft als Jugendstil-Kleinod bezeichnete Gebäude mit Bühne, in dem zur Zeiten der Psychiatrie auch mal Kinofilme für Patienten liefen, sollte dazu dienen, das Viertel kulturell zu beleben und auch darüber hinaus wirken. Bezirk und Gemeinde schlossen eine Betriebsvereinbarung, gemeinsam fördert man dessen Aktivitäten, die sich unter dem Intendanten Matthias Riedel-Rüppel zur Freude vieler auch in Haar stark entwickelt haben.

Als Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) im Bauausschuss bekannt machte, dass es Probleme mit der Nachbarschaft gibt, forderte Peter Schießl von der SPD, der Gemeinderat solle klar Stellung beziehen, dass er beim Kleinen Theater "nicht bereit ist, Abstriche zu machen". Man stehe unverbrüchlich hinter dieser Institution. Bukowski fand es eine "gute Idee", dies demonstrativ so nach außen zu kommunizieren. Sein Parteifreund Dietrich Keymer allerdings sagte, es gebe ein berechtigtes Ruhebedürfnis von Anwohnern, was bedeute, dass von Besucher des Kleinen Theaters ein "entsprechendes Verhalten erwartet" werden dürfe.

Matthias Riedel-Rüppel sucht seit einiger Zeit schon das Gespräch mit den Nachbarn. Doch es gibt Dinge, über die will er nicht verhandeln. (Foto: Sebastian Gabriel)

Doch was ist eigentlich los? Vereinzelte Klagen gab es schon in der Vergangenheit. Zuletzt bereitete vor allem das Parkchaos im Viertel und der Verkehr größeren Ärger. Das ebbte ab, als die Gemeinde an den schließlich auch als öffentliche Wege gewidmeten Straßen Verbotsschilder aufstellen ließ und die Kommunale Verkehrsüberwachung verstärkt losschickte. Doch seit einiger Zeit wird Intendant Riedel-Rüppel intensiver von einigen Nachbarn wegen der Geräuschkulisse bedrängt. Erst jüngst sei einer am Theater gestanden und habe gefordert, "dass sich das Kleine Theater einen anderen Standort suchen soll", sagt Riedel-Rüppel. Damit sei die Grenze der Debatte erreicht. Denn das Theater an diesem Ort infrage zu stellen, das gehe gar nicht.

Darin sieht sich der Intendant mit dem Bürgermeister, dem Bezirk und mit den Gemeinderäten einig. Das Theater war schließlich schon da, bevor der erste Bewohner in den Jugendstilpark eingezogen ist. Die Bühne wurde bereits bespielt, als die Klinikgebäude zum Teil noch genutzt wurden, und auch während diese leer standen. Der Bezirk und die Gemeinde überbrückten mit ihren Zuschüssen bewusst die Durststrecken, als etwa der Baulärm den Theaterbetrieb beeinträchtigte. Die Folgen der Corona-Pandemie wurden ebenfalls aufgefangen. Nun kann das Theater aufblühen. Und das soll auch so sein.

Bürgermeister Bukowski sagte im Bauausschuss, dass der Theaterbetrieb an dieser Stelle durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan gesichert sei. Matthias Riedel-Rüppel betont, jeder habe gewusst, dass es das Theater gibt, als er eine Wohnung im Jugendstilpark bezogen habe.

Dennoch verfolgen weder die Gemeinde noch das Theater momentan eine harte Linie. Man sucht das Gespräch mit der Nachbarschaft. Bürgermeister Bukowski kündigte einen runden Tisch an, an dem Anwohner, der Intendant des Theaters sowie Vertreter von Gemeinde und Bezirk sich aussprechen sollten. Es gelte tunlichst eine "rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden", sagt Bukowski.

Getränkegutscheine sollen die Anwohner besänftigen

Konkrete Anzeichen für eine derartige Verschärfung des Konflikts sieht Matthias Riedel-Rüppel bisher nicht. Ihm habe noch keiner mit einem Anwalt gedroht, sagt er. Konkret seien es auch nur drei Mietparteien, denen es zu laut sei. Er habe selbst den Kontakt zur Nachbarschaft gesucht und Mitteilungen des Theaters in die Briefkästen stecken lassen, mit zwei Getränkegutscheinen und der Einladung, mal vorbeizuschauen und ins Gespräch zu kommen.

Riedel-Rüppel kann nach eigenen Worten den Wunsch nach Stille "als Mensch voll nachvollziehen". Aber er ist eben auch ein Intendant, der weiß, dass er keine Hard-Rock-Diskothek betreibt und im Sommer das Außen-Programm spätestens um 21.30 Uhr endet. Er habe kein Krawall-Publikum. Das Kleine Theater werde wie übrigens auch die Gastronomie nebenan baurechtlich in einem Mischgebiet betrieben, in dem auch Gewerbe zulässig sei. Er tue einiges, damit am Abend dann auch möglichst bald Ruhe draußen einkehre. Aber es gebe natürlich am Mittwoch die beliebte Feierabend-Veranstaltung mit vielen Gästen im Wirtsgarten. Bühnenbauer und Techniker seien manchmal noch nach den Auftritten zugange, weil Geräte gleich abtransportiert werden müssten. Als Intendant sei es sein Job, Veranstaltungen zu ermöglichen.

Das Problem sind vor allem die Events draußen. Das Programm für 2023 steht, alles ist vertraglich fixiert und dort wird es auch keine Abstriche mehr geben. Doch Matthias Riedel-Rüppel zeigt sich offen für die Gespräche am runden Tisch. Eine Möglichkeit sei schon, dass "man über die Veranstaltungen 2024 nachdenkt". Vielleicht lasse sich da etwas machen. Aber am Standort und der Aufgabenbeschreibung des Kleinen Theaters darf seiner Überzeugung nach niemand rütteln. "Ich weiß nicht, ob man sich auf bestimmte Debatten einlassen soll."

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