Kultur:Musik wie ein Road Trip

Lesezeit: 3 min

Timea Göghova posiert für ihr neues Album "Wild Storm". (Foto: privat)

Timea Göghova ist im Rock zuhause und liebt Mozart. Vielfältige Einflüsse lassen sich auch auf ihrem ersten Solo-Album "Wild Storm" erkennen. Wenn die 44-Jährige nicht gerade auf Englisch singt, organisiert sie an der VHS Haar Deutschkurse für Geflüchtete.

Von Bernhard Lohr, Haar/Finsing

Timea Göghova liebt Musik. Und das mit weit geöffneten Armen. Ihre Liebe beginnt mit Guns n' Roses, reicht bis Nina Hagen und hört bei Mozart und hartem Metal-Sound nicht auf. "Ich mag Überraschungen", sagt die 44-Jährige, die im Auto auf längeren Fahren gerne selbst singt. Oft läuft dann ihr Smartphone auf Aufnahme nebenher. Manch gute Idee für einen Song hat sie so "on the road" festgehalten. Das zahlt sich nun aus. Denn mehr und mehr findet die Sängerin, die in der Metal-Band Still Awake eine musikalische Heimat hat, zu ihrem eigenen musikalischen Weg. Mehrere Singles hat sie zuletzt herausgebracht. Kürzlich präsentierte sie im Kulturzentrum Einstein in München ihr erstes Album "Wild Storm". Anders als der Titel bei einer noch dazu aus der Metal-Szene stammenden Künstlerin vermuten ließe, findet Göghova bei den elf Liedern mit Klavierbegleitung eine neue Tonalität - gefühlvoll, nachdenklich, unkonventionell.

Dass sich ihre Gedanken nicht nur um sie drehen, zeigt sich an ihrem Engagement für Geflüchtete, für die sie an der Volkshochschule Haar Deutschkurse organisiert. Dabei ist Deutsch nicht mal ihre Muttersprache. Göghova, die ungarische Wurzeln hat, wuchs in der Slowakei auf. Musik war im dortigen Elternhaus präsent. Die Eltern lernten sich im Chor kennen, der Vater war begabter Virtuose, der sich höhere Weihen des Geigenspiels selbst beibrachte. "Meine Vorliebe für Klassik und komplexe Musik stammt auch von ihm", sagt Göghova.

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Doch Harmonie prägte nicht unbedingt das Familienleben, weshalb die Tochter früh eigene Wege ging und sich mit 20 Jahren mit 200 Pfund in der Tasche aufmachte nach London. Sie arbeitete als Au-pair, lernte in einem Sprachkurs Deutsch und sagt heute. "Ich hab mich tatsächlich in die deutsche Sprache verliebt." Sie ging nach München. Heute lebt sie in Finsing im Landkreis Erding und an der VHS Haar ist sie seit einigen Jahren Leiterin des Fachbereichs Deutsch als Fremdsprache und Integration.

Insofern scheint sie auch angekommen zu sein. Sie mache beruflich das, was ihr Freude bereite, sagt sie. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn künstlerisch ist bei der Frau, die mit ihren langen schwarzen Haaren bei Metal-Auftritten wirkt, als stünde Fee Morgana aus der Artus-Sage auf der Bühne, viel in Bewegung. Das auffällige Outfit, das die 44-Jährige auch auf ihrem aktuellen CD-Cover zeigt, zitiert den Stil der Mittelalter-Rock-Szene und der Gothic-Welt. Einordnen lässt sich das so schwer wie die Musik. Nur Schlager, das sagt Timea Göghova mit großer Bestimmtheit, lehne sie ab. Nichts an Göghovas Kunst ist gefällig, leicht konsumierbar. Sie singt trotz ihrer Liebe zur deutschen Sprache auf Englisch, und das mit der breiten Koloratur ihrer Stimme. Das geht bis ins Liedhafte, Opernhafte und Schrille und greift arabische Klänge auf.

Timea Göghova beeindruckt bei ihren Auftritten mit ihrer Energie. (Foto: Roland Lorenz)

So ähnlich hätte mancher vielleicht die frühe Nina Hagen beschrieben. Insofern passte es durchaus, dass Göghava bei ihrem bisher größten Auftritt bei der TV-Show "Voice of Germany" den Hagen-Song "Ich glotz TV" derart offensiv präsentierte, dass sich Johannes Oerding und Mark Forster bei den "Blind Auditions" umdrehen mussten. Was geht da ab? Diese Frage war in ihren Augen schon davor abzulesen. Und ebenso erstaunt schauten sie dann auf die Frau in Tigerhose und punkigem T-Shirt, die soeben Hagens "Ich schalt' die Glotze an - die Daltons, Waltons, everyone" aus voller Kehle rausgehauen hatte. Bei dem Gesangswettbewerb war dann in der nächsten Runde Schluss. Göghava trat bald darauf im ungarischen Fernsehen bei einer ähnlichen Talentshow mit "Welcome to the Jungle" von Guns n'Roses. Die in den Gesichtern in Budapest ablesbare Überraschung war nicht minder als bei Oerding und Forster. "Geile Energie" hatte Forster Göghova attestiert.

Diese Energie steckt die Sängerin jetzt in ihre Soloprojekt, das sie mit Caro d'Ilirium als Partner am Piano und anderen Gastmusikern professionell verfolgt. Sie habe mit einem Label einen Vertrag für zwei CDs, sagt Göghova, die weltweit vertrieben werden. Die Songs von "Wild Storm" erzählen die Geschichte einer Frau, die kämpft und ihren Weg geht. "Stand up", heißt die erste Nummer und "A long Road" der Schlusstitel. Besonders hängt Göghova an der Nummer "World of Terror", die die allgemein bedrückende Weltlage thematisiert, auf die sie eine einfache und bei ihrer Geschichte logisch klingende Antwort hat. "Ich bin Europäerin, und damit basta." Dass sie sich mit ihrer TV-Erfahrung auf großen Bühnen auch jüngst als deutscher Beitrag für den Eurovision-Song-Contest beworben hat, erzählt Göghova am Ende fast beiläufig.

Den Auftritt der Lord Of The Lost in Liverpool, deren Stil musikalisch und vom Auftreten tatsächlich in die Kategorie von Timea Göghova fällt, hat die Frau aus dem Münchner Umland mangels eigener Glotze bei einer Bekannten im Fernsehen gesehen. Sie fand ihn ganz gut, wenn auch etwas "zu populär". Göghova schließt nicht aus, sich beim nächsten Eurovision-Contest wieder zu bewerben. An eigenen Songs fehlt es ihr dafür nicht.

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