Bildende Kunst:Plakative Bilder mit rätselhaften Titeln

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Die bunten Bilder von Ramona Leiß machen spontan gute Laune. (Foto: Claus Schunk)

Die Künstlerinnen und Künstler der Hans-Pinsel-Straße 7 in Haar gewähren Einblick in ihre Arbeit - und wollen doch nicht alles verraten.

Von Angela Boschert, Haar

Seit 2015 öffnen die Künstlerinnen und Künstler der Hans-Pinsel-Straße 7 in Haar einmal im Jahr ihre Ateliertüren. Bei der siebten Auflage hatten die Besucher am Wochenende gleich an zwei Tagen dazu Gelegenheit, neue Werke und Techniken sowie die Weiterentwicklung von Bekanntem bei 13 Malern und Bildhauern zu entdecken. Das unausgesprochene Motto schien Farbe und Klimawandel zu sein.

So machen die bunten Bilder der Moderatorin und Autorin Ramona Leiß spontan gute Laune. In ihrem jüngsten Acrylbild "Native" herrscht eine plakative Formensprache. Je zwei amerikanische Ureinwohner mit Federschmuck, zwei Frauen, Wölfe und Pferde befinden sich in einer abstrahierten Landschaft, einander zugewandt oder auch ichbezogen isoliert. Trotz der spielerischen Darstellung in sanften Blautönen weckt das Bild tiefergehende Assoziationen.

Corinna Weiss will nach eigener Aussage "die Fantasie anregen sowie Gedanken anstoßen", was ihr vorzüglich gelingt mit dem Bild einer Taube, die sich vor der Kulisse einer Hochhausstadt befindet. Doch sie trägt die Hochhäuser auf ihrem Rücken. Warum das? Auf ihrem neuesten Bild zeigt sich ein braun-goldener röhrender Hirsch, auf dessen Rücken keck ein Hase als "Männlichkeitssymbol" sitzt und um dessen Körper sich eine nackte Frau klammert. Auf ihrer Hüfte prangt eine heraldische Lilie, das Zeichen von Herrschaft, wie Weiss erklärt. Was sie mit dem Bildtitel "Hufruf" meint? Dazu schweigt Weiss.

"Hufruf" heißt dieses Bild von Corinna Weiss. (Foto: Claus Schunk)

Anders die Malerin und Bildhauerin Fancher, die sagt: "Titel müssen nichts mit dem Malprozess zu tun haben, sie fallen mir spontan ein." Sie wiederum gibt keine näheren Erläuterungen zu ihren jüngsten in Blau und Gelb gehaltenen kleinen Ölbildern "Passenger" und "Haystuck (Heuhaufen)", da bei abstrakten Bildern jeder etwas anderes sehe; auch nicht, ob sie politisch gedacht habe und es sich bei "Passenger" um ein Boot auf dem Meer handele.

Altes bewahren und Neues ausprobieren will Constanze Onischke. Die gelernte Modedesignerin überrascht mit farbkräftigen Hühnern, die sie auf die Kunststoffhülle dicker Strohmatten gemalt hat. Im Gemeinschaftsatelier mit Birgit Aichele und Jeannette Daucher pflegen die drei Modeexpertinnen einen regen Austausch über ihre Kunstprojekte. Zeigen Aicheles erste Werke Abbildungen von Lotusblüten, weil sie zufällig eine solche auf einer Postkarte als Vorlage hatte, reizt sie jetzt die Bedeutung dieser Blume an sich. Was genau, sagt sie nicht, aber ein bewundernder Glanz huscht über ihre Augen. Solche Momente ziehen viele Besucher trotz des schönen Wetters in die Ateliers. Sie können auch erleben, wie Künstler ungeplant miteinander kreativ werden. So legte Claus Bierling im Atelier von Hannes Höfler einen Papprahmen auf dessen von Farbe übersäten Arbeitstisch ab und hielt inne. Es hatte sich "ein abstraktes Bild par excellence" gebildet: einzigartig in seiner Zufälligkeit.

Die rostige Säule ist eigentlich aus Holz

Als Experimentator mag man Bierling bezeichnen, denn er verblüfft mit einem Bild, bei dem große weiße Schuppen von gelbem Untergrund abstehen, so als ob die Farbe vom Malgrund geplatzt sei. Doch entstanden die wie aus Kunststoff aussehenden Schuppen bei Bierling, weil er Steinmehl mit Wasser angemischt hat und das beim Trocknen vom Malgrund in ungleichen Stücken weggebrochen ist. Ein Einzelstück! Er gibt seinen Werken keine Titel. Anders seine Frau Andrea Matheisen. Ihre Bronzefiguren mit dicken Clownsfüßen und nach oben hin kleiner werdenden Körpern stehen für die Leichtigkeit und Freigeistigkeit, die beide in der Kunst sehen. Doch in der Figur "Der Kokon des Schmetterlings" will sie zeigen, dass wir Menschen erst zur (geistigen) Freiheit gelangen müssen, indem wir unseren "Kokon" durchbrechen.

Bei Stefanie Feix hingegen fesselt die Materialität ihres etwa 40 Zentimeter hohen Objekts "Rust Meets Dust". Es sieht einer Metallsäule täuschend ähnlich, ist aber ein Holzblock. Feix hat auf ihn mithilfe von Eisenpulver und Essig Rost aufgebracht und darüber als Kontrast Acrylfarbe und Dreck miteinander zu einer Kruste verarbeitet. Verblüffend. Wer Muße mitbrachte, konnte immer wieder solche Besonderheiten entdecken und zwei hochinteressante, launige Nachmittage in Haar verbringen.

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