Geothermie:Grünwalder hadern mit Einstieg in Unterhaching

Lesezeit: 4 min

Im Landkreis München spielt Geothermie eine große Rolle: Im Bild die Anlage in Unterhaching. (Foto: Claus Schunk)

Vor den Haushaltsberatungen kocht in Grünwald bei Gemeinderäten der Ärger über die Investition ins Unterhachinger Geothermieprojekt hoch. Grüne, SPD, FDP und PBG stoßen sich an den Millionenausgaben und der ausbleibenden Rendite.

Von Claudia Wessel, Grünwald

Der Haushalt für 2016 wird an diesem Dienstag erstmals von den Gemeinderäten in Grünwald beraten. Es ist der Haushalt einer wohlhabenden Gemeinde, die sich Vieles leisten kann. Manches, das sie sich leistet, findet aber nicht die Zustimmung aller Gemeinderäte. Die 50-prozentige Beteiligung der Erdwärme Grünwald (EWG) an der Geothermie Unterhaching seit 1. Januar 2014 etwa hat viele Kritiker. Dazu gehören die Gemeinderäte der Grünen, Ingrid Reinhart und Antje Wagner, Michael Ritz von der FDP, Achim Zeppenfeld von der SPD und die Fraktion der Parteifreien Bürger Grünwald (PBG). Insgesamt hat die Gemeinde der EWG für die Beteiligung an der Geothermie Unterhaching 23,5 Millionen Euro geliehen.

Die Kritiker haben nichts gegen die Erdwärme Grünwald. "Die PBG steht voll dahinter, die Geothermie für die Grünwalder Bürger als alternative Energieform bereitzustellen", sagt etwa Gemeinderat Tobias Brauner von den Parteifreien. Er hat auch Verständnis dafür, dass dies angesichts der Struktur des Gemeindegebietes "nie wirtschaftlich darstellbar sein" wird. Das falle nach dem Verständnis der Parteifreien auch unter die Daseinsvorsorge einer Gemeinde. "Was wir als PBG nicht mittragen, sind riskante Engagements in anderen Geothermieprojekten wie Unterhaching."

Seit Jahren gibt es technische Probleme

Schon seit Jahren kämpfe die Nachbargeothermie mit technischen und wirtschaftlichen Problemen. Die PBG-Fraktion hatte sowohl die Verbindungsleitung nach Unterhaching, die bereits acht Millionen Euro gekostet hat, als auch die Beteiligung an der Geothermie Unterhaching abgelehnt, da sie die Wirtschaftlichkeit nicht als gegeben sah.

Die EWG und die seinerzeit von der Gemeinde Grünwald beauftragten Berater - letztere hätten übrigens teilweise bis zu 400 Euro pro Stunde gekostet - hätten die finanzielle Zukunft des Projekts viel zu optimistisch dargestellt, sagt Brauner. "Leider wurde unsere durchaus berechtigte Kritik durch die absolute Mehrheit der CSU in den entsprechenden Sitzungen als unsinnig abgetan, ja sogar belächelt, und einfach überstimmt." Nun realisierten sich die damaligen Bedenken Stück für Stück, bedauert Brauner, was sich "an dem ausbleibenden Beteiligungsergebnis aus Unterhaching auch im Grünwalder Haushalt niederschlägt". Brauner findet es "sehr schade, dass im Grünwalder Gemeinderat mehrheitlich den Beratern mehr Gehör geschenkt wird als Mitgliedern im Gemeinderat, die auch ein gewisses wirtschaftliches Verständnis mitbringen".

"Das ist keine Win-win-Situation, sondern eher eine Lose-lose", sagt auch PBG-Gemeinderat Oliver Schmidt. "Eine reiche Gemeinde zu sein, berechtigt nicht dazu, einfach aus dem Vollen zu schöpfen." Und sein Fraktionskollege Hubertus Lindner ergänzt: "Wir haben in Grünwald nicht mehr unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten." Man habe 2014 rund 60 Millionen Euro aus den Rücklagen entnommen, 2015 zirka 34 Millionen. "Meine Frage in der Haushaltsdebatte wird sein: Wie viel haben wir noch? Wenn wir jetzt auch noch anderen Gemeinden helfen."

"Illusorische Prognosen" vom Bürgermeister Unterhachings, Wolfgang Panzer, und dem Geschäftsführer der Unterhachinger Geothermie, Wolfgang Geisinger, beklagt FDP-Gemeinderat Michael Ritz. Auch die Beratungskosten in Höhe von einer Million Euro haben sich seiner Meinung nach nicht ausgezahlt. Unverständlich ist für ihn die Beteiligung an Unterhaching auch wegen der Kalina-Technik, in seinen Augen die "schlechteste Technik für Stromkraftwerke am Markt", was zum Zeitpunkt des Kaufs bekannt gewesen sei.

Grünwald
:"Der Erdwärme geht's gut"

Andreas Lederle, Geschäftsführer des Geothermiebetriebs der Gemeinde Grünwald, zeichnet ein positives Bild der aktuellen Situation: Die Mängel der Anfangszeit seien behoben, der Zuspruch der Bürger groß

interview Von Claudia Wessel

Auch könne Unterhaching seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. So müsse es eigentlich Wärme von der Erdwärme Grünwald abnehmen, "kann das aber nicht einhalten und muss Strafe zahlen", sagt Ritz. Die Gewinne, die man versprochen habe, blieben aus, stattdessen müsse man Verluste hinnehmen. Die Beteiligung an Unterhaching überfordere Grünwald, findet Ritz. "Schon die Erdwärme Grünwald war wirtschaftlich schwierig und produziert keine Gewinne", daher sei ihm von Anfang an klar gewesen, dass "die Führung unter einem völlig unerfahrenen Bürgermeister" - gemeint ist Jan Neusiedl - mit einem weiteren Projekt überfordert sei.

Gemeinderäte fühlen sich übergangen

Kritik äußert er am Zustandekommen der Beteiligung. So seien monatelange Verhandlungen vonstatten gegangen, bevor der Gemeinderat überhaupt informiert worden sei. Als eine kleine Sparmaßnahme schlägt Ritz vor, einen der beiden Geschäftsführer "mit sehr hohen Gehältern" zu streichen. Übrigens ist der Fraktionskollege von Michael Ritz, Matthias Schröder, nicht derselben Meinung. Er zählt mittlerweile zu den Befürworter der Geothermie und der Beteiligung an Unterhaching.

"Für uns Grüne ist die Erdwärme grundsätzlich etwas Positives gewesen", sagt Gemeinderätin Ingrid Reinhart. "Wir haben aber sehr schnell gemerkt, dass die Kosten teilweise extrem höher sind als angekündigt." Man habe Gewinne versprochen und Verluste erlebt. Auch Reinhart beklagt, dass der Gemeinderat in letzter Minute von der Beteiligung erfahren habe und zwar in der Weihnachtssitzung 2013, als die Abstimmung sofort erfolgen musste. Obwohl schon damals die schlechte Technik in Unterhaching bekannt gewesen sei. Gibt es eine Lösung? "Man hat einen Vertrag und kommt nicht raus, aber ich würde auf keinen Fall mehr Geld reinstecken."

"Ich hätte das nicht gemacht", sagt auch SPD-Gemeinderat Achim Zeppenfeld, der damals noch nicht in dem Gremium war. "Man dachte vielleicht, man macht ein Schnäppchen", vermutet er. "Und Unterhaching wäre pleite gewesen ohne unsere Ablösung des Kredits." "Ich würde versuchen, einen Käufer für unsere Anteil zu finden." Vielleicht könne man auch Unterhaching rentabler machen "etwa durch Abschaffung des Kalina Kraftwerks".

Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching, hält den Kritikern der Zusammenarbeit der beiden Gemeinden entgegen, dass das Geschäft mit der Wärmebereitstellung "in Unterhaching bereits seit Jahren profitabel" sei und "sehr zuverlässig" laufe. Der Netzausbau schreite voran, sogar noch besser als geplant. Mehr als die Hälfte der Unterhachinger Haushalte sei bereits angeschlossen. Die Kalina-Technologie funktioniere seit Jahren und bringe die erwarteten Leistungsparameter.

In Unterhaching verweist man auf einen Unfall

Weil sich die finanzielle Regulierung eines größeren Versicherungsschadens in die Länge gezogen habe, seien die Gesellschafter temporär eingesprungen. Ende 2014 sei ein Ammoniak-Sammelbehälter implodiert und habe neu hergestellt werden müssen. Die Stromerzeugungsanlage sei damals vier Monate lang stillgestanden. In dieser Zeit sei ein Fehlbetrag von 1,2 Millionen Euro aufgelaufen. Bei robustem Betrieb laufe die Kalina-Anlage wirtschaftlich.

Im Bereich des Thermalwasserkreislaufs litten die Unterhachinger Anlagen unter starken Kalkablagerungen durch Thermalwasser; dies führe zu geringeren Wirkungsgraden und einem erhöhten Verschleiß der installierten Komponenten. Alle anderen Parameter der Thermalwasserförderung - wie Temperatur, Förderleistung und Druckverhältnisse im Erdreich - seien seit Start der Produktion stabil.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: