Grenznah betrachtet:Toter Müllberg

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Die Pläne zur Erweiterung der Mülldeponie Nord-West sind längst vom Tisch. In den 80er Jahren demonstrierten die Bürger mit einem Fackelzug gegen die Einrichtung. Heute sind nur zwei Drittel der Deponie gefüllt. Es wird mehr recycelt.

Von Gudrun Passarge, Garching

Der Blick vom Müllberg der Deponie Nord-West aus in Richtung München und in Richtung Garching ist grandios. "Al Gore war auch ganz begeistert, als er hier mit seinen Cowboystiefeln stand", erzählt Günther Langer vom Besuch des damaligen amerikanischen Vizepräsidenten. Langer ist Leiter des Büros der Werksleitung des AWM (Abfallwirtschaftsbetrieb München) und damit auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. In der Sonne blitzen blaue Scherben und verbogene Gabeln auf, ein Falkenpaar zieht seine Runden. Von hier oben ist alles gut zu sehen: der Faulturm vom Klärwerk, die Gebäude der Gesellschaft für Sondermüllbeseitigung in Bayern, der 75 Meter hohe Fröttmaninger Müllberg, die Klärschlammdeponie auf der Ostseite der Autobahn (35 Meter hoch), die gerade begrünt wird, und auch das Heizkraftwerk in Unterföhring, 1964 gebaut, ist unschwer zu erkennen. "Im Endeffekt sind alle Negativeinrichtungen hier im Norden konzentriert", sagt Langer, sieht man von der Allianz-Arena ab.

1986 demonstrierten Garchinger mit einem Fackelzug gegen die Deponie

Der AWM-Mitarbeiter kennt die Historie des Geländes gut, denn er saß von 1988 bis 1991 auf der anderen Seite der Grenze im Garchinger Rathaus. Langer war Umweltreferent der Stadt und hat die Kämpfe gegen die Mülldeponie Nord-West hautnah miterlebt. Die Deponie Großlappen wurde geschlossen, als die Deponie Nord-West 1987 im Entsorgungspark Freimann in Betrieb genommen wurde.

Bis zuletzt waren die Garchinger auf die Barrikaden gegangen. 1986 demonstrierten die Bürger sogar mit einem Fackelzug gegen die neue Negativeinrichtung; er reichte von Garching bis zur Deponie. Die Prognosen gingen damals davon aus, dass die Kapazität der Deponie 1991 schon wieder ausgeschöpft sein würde und sie erweitert werden müsste in Richtung Garching. Doch es kam anders. Das neue Abfallwirtschaftskonzept mit Drei-Tonnen-System und Wiederverwertung zeigte bald Wirkung. 6,5 Millionen Kubikmeter waren als Volumen genehmigt, 3,5 Millionen Kubikmeter sind bis 1997 dort abgelagert worden, darunter 116 556 Tonnen unbehandelter Münchner Hausmüll. 2006 wurde die Deponiegasverwertung stillgelegt, wegen Gasmangel. "Der Berg lebt nicht mehr so richtig", sagt Langer.

Er blickt auf das Gelände östlich des Bergs. Nur zwei Drittel der Deponie sind gefüllt, weil mehr recycelt wird und die Müllströme sich jetzt anders verteilen, auch aus finanziellen Gründen. "Die Deponierung ist die teuerste Lösung", sagt Langer, "wegen der Nachsorge." Dafür habe der AWM Geld für circa 100 Jahre zurückgelegt. Doch der übrige Platz der Deponie auf Münchner Flur bleibt nicht ungenutzt. Unter anderem steht dort seit 2008 die TFA, die Trockenfermentationsanlage. Hier entstehen aus 25 000 Tonnen Biomüll etwa 10 000 Tonnen Kompost im Jahr. Und durch die Verstromung des Biogases werden bis zu 1600 Haushalte mit Strom versorgt.

Daneben befindet sich noch eine freie Lagerfläche. All das müsste verschwinden, müsste die Deponie doch ihr Ursprungsvolumen nutzen. Von einer zusätzlichen Erweiterung auf Garchinger Flur ist jedoch schon längst nicht mehr die Rede. "Das ist sehr unwahrscheinlich. Die Stadt hat es eigentlich ausgeschlossen, dass die Deponie erweitert werden muss." Für Langer ist das nur gut, denn er hat dem damaligen Garchinger Bürgermeister Helmut Karl bei seinem Weggang versprochen, alles zu tun, "damit kein Münchner Müll in Garching abgelagert wird". Bis jetzt schaut es gut aus, dass er sein Wort halten kann.

© SZ vom 08.09.2017 / pa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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