Gräfelfing:Ins Cluster-Wohnzimmer oder in die Bibliothek?

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Auf dem Gelände der einstigen Doemens-Brauereifachschule soll ein Wohnprojekt umgesetzt werden. (Foto: Catherina Hess)

Das Konzept für das Wohnprojekt auf dem ehemaligen Doemens-Gelände sieht viele gemeinsam genutzte Flächen vor. Bei der Höhe des Gebäudes kommt die Gemeinde den Kritikern aus der Nachbarschaft entgegen.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Vom Gästezimmer über die Werkstatt bis hin zum Café - Gemeinschaftsflächen sollen das Kernelement des geplanten Wohnprojekts in Gräfelfing werden. Die Interessengemeinschaft Alte Brauakademie hat dem Hauptausschuss des Gemeinderats jetzt das konkrete Raumkonzept vorlegt. Es sieht neben vielen Gemeinschaftsräumen und -flächen flexible, autarke Wohneinheiten unterschiedlicher Größe vor. Das Konzept soll die Basis für einen Architektenwettbewerb bilden.

Die IG Alte Brauakademie, ein Zusammenschluss interessierter Bürger und Gemeinderäte, die ein Konzept für das gemeinschaftliche Wohnprojekt erarbeiten, ist inzwischen auf 80 aktive Mitglieder gewachsen. Sie wollen mit dem Projekt eine "moderne Dorfgemeinschaft" im Ortszentrum von Gräfelfing verwirklichen. Gebaut wird auf dem Gelände der ehemaligen Doemens-Brauereifachschule in der Stefanusstraße in Kooperation mit dem kommunalen Wohnungsunternehmen Gemeindebau Gräfelfing. Es wird allerdings mindestens noch rund vier Jahre dauern, bis Umzugskartons in das neue Haus getragen werden können.

Patricia Young-Balik und Martin Feldner von der IG Alte Brauakademie haben ihr Konzept vorgestellt. (Foto: Catherina Hess)

Eines ist den Aktiven in der IG in den vergangenen Monaten der Planung klar geworden: Das Projekt gelingt nur, wenn die Mietergemeinschaft zusammenkommen kann und es Raum für Begegnung gibt, so drückte es Patricia Young-Balik, Vorstandsmitglied der IG und Architektin, vergangene Woche in der Sitzung aus. Ein solcher Gemeinschaftsraum muss zentral gelegen sein, sodass er zum Mittelpunkt wird. Hier können Yogakurse stattfinden, ein Café-Betrieb wird gewünscht, PC-Arbeitsplätze ebenfalls. Auch eine Bibliothek ist angedacht, Hausaufgabenbetreuung kann hier stattfinden und auch das Gräfelfinger Repair-Café seine Treffen abhalten. Es gibt außerdem den Wunsch, ein Gästezimmer bereit zu halten, das die Mieter nach Bedarf anmieten können. Eine Werkstatt soll allen Mietern offen stehen wie auch ein Hauswirtschaftsraum.

Wichtig sei, dass Flure nicht als reine Verbindungswege gesehen werden, sondern zu Begegnungsflächen werden könnten, sagte Young-Balik. Insgesamt sind 320 Quadratmeter Gemeinschaftsflächen vorgesehen. Diese seien von der Gemeinschaft zu finanzieren. Beim vorgestellten Raumkonzept würden auf jeden Mieter zwei Quadratmeter Gemeinschaftsfläche entfallen, die dieser über seine Miete mitfinanziert.

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Insgesamt sind 39 Wohneinheiten vorgesehen, weniger, als der Bebauungsplan der Gemeinde zulässt, bisher war immer von etwa 40 bis 45 Wohnungen die Rede. Die Größe der Wohnungen im jetzigen Konzept variiert zwischen 45 und 90 Quadratmetern, die Einheiten sind für Singles bis hin zum Fünf-Personen-Haushalt gedacht. Die großen Wohnungen sollen sich auch für Wohngemeinschaften eignen, die Bad, Küche und Wohnzimmer teilen wollen. Daneben sollen auch zwei sogenannte Cluster-Wohnungen entstehen, dem "Wohnmodell der Zukunft", wie es Young-Balik ausdrückte: Mieter leben in kleinen autarken Wohneinheiten, haben aber die Möglichkeit, auch eine Gemeinschaftsküche und ein Wohnzimmer für alle zu nutzen.

Ein Mitspracherecht der Mieter bei der Wohnungsvergabe wird gewünscht

Ob sich alle Wünsche realisieren lassen, wird der Architektenwettbewerb zeigen, und auch der Anspruch an die Wirtschaftlichkeit des Bauprojekts wird maßgeblich ein. An letzteres erinnerte Till Reichert, Geschäftsführer der Gemeindebau, die das Projekt realisieren wird. Bei der Frage, wer in dem Haus wohnen wird oder wer nachzieht, wenn Mieter ausziehen, ist ein Mitspracherecht der Mietergemeinschaft wünschenswert, sagte Martin Feldner, Gemeinderat der Grünen/Unabhängige Liste, der in seiner Rolle als Vorstandsmitglied der IG das Konzept am Dienstag das Konzept mit vorstellte. Petra Schmid (CSU) mahnte an, die finale Vergabe der Wohnungen unbedingt in Händen des Gemeinderats zu behalten. Es sei wichtig, hier objektive Kriterien anzulegen.

Parallel zur Konzeptentwicklung läuft das Bauleitverfahren. Ebenfalls vergangene Woche hat der Bauausschuss nach der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans die Stellungnahmen unter anderem aus der Bürgerschaft behandelt. Außergewöhnlich viele Bürger - insgesamt 15 aus der unmittelbaren Nachbarschaft - haben Kritik am geplanten Bauprojekt geäußert. Schon seit klar ist, dass auf dem Grundstück eine Verdichtung durch Wohnungsbau geplant ist, gibt es Proteste der Anwohner.

Kritisiert wird in den Stellungnahmen immer wieder die geplante Höhenentwicklung, die "unverhältnismäßige Nachverdichtung", der Verlust des Gartenstadtcharakters und die Zunahme der Verkehrsbelastung. Einige der Stellungnahmen sind wortgleich formuliert. Der Bauausschuss stimmte kleinen Planänderungen zu, blieb aber seiner Haltung treu, auf dem Grundstück nahe zum Ortszentrum verdichten zu wollen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eine Änderung ist, dass die maximale Höhe der Gebäude auf 10,50 Meter verbindlich festgeschrieben wird. Drei Vollgeschoße werden festgesetzt, wobei das oberste Geschoss ein zurückgesetztes Terrassengeschoss ist. Insgesamt kann ein Neubau so nicht höher werden als die existierenden Häuser in der Nachbarschaft. Außerdem wird die Geschossfläche noch einmal um 400 Quadratmeter auf 3300 Quadratmeter reduziert.

Der Bauausschuss folgte der Einschätzung der Verkehrsgutachter, dass sich der Verkehr gut abwickeln lasse. Der Kritik der Anwohner, dass die Verkehrszahlen während der Pandemie ermittelt wurden und damit nicht realistisch seien, konnte der Ausschuss nicht folgen. Es gehe vor allem um die Verkehrsprognose und an der würden die Pandemiezahlen nichts ändern. Die Beschlüsse wurden jeweils einstimmig gefasst, Ende des Monats muss der Gemeinderat noch zustimmen.

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