Probleme bei der Geothermie Grünwald:Die Pumpe macht nicht mehr mit

Lesezeit: 5 min

Der Technische Leiter der Erdwärme Grünwald Horst Wagner mit der neuen Pumpe am Bohrloch. (Foto: C.schunk)

In Grünwald ist die Beteiligung an der Unterhachinger Geothermiegesellschaft wegen der vielen Pannen dort umstritten. Nun gibt es auch an der eigenen Anlage Probleme.

Von Claudia Wessel, Grünwald/Unterhaching

Jetzt ist es doch passiert. Das, wovon die Erdwärme Grünwald am Standort Laufzorn bisher verschont geblieben war, was nur dem Partner und Pechvogel Geothermie Unterhaching zu passieren schien, und zwar nicht zu knapp: der Ausfall der Pumpe, die das Thermalwasser aus 3000 Meter Tiefe holt.

In der Nacht zum vergangenen Freitag um 3 Uhr klingelte der Alarm den Technischen Leiter der Erdwärme Grünwald, Horst Wagner, aus dem Bett, es war ernst, es war ein "großer Alarm". Er fuhr sofort zum Standort nach Laufzorn, machte erste Tests, die tagsüber fortgesetzt wurden. Diagnose: Nicht zu retten, die Pumpe muss ausgebaut und ersetzt werden.

Der Heizöl-Kessel sprang sofort an

Die Versorgung mit Wärme war allerdings keine Sekunde unterbrochen. Nach dem Ausfall sprang sofort der Heizöl-Kessel an, dann schickten die Partner aus Unterhaching über die Verbundleitung ihre Wärme. Vielleicht doch ganz gut, dass es diesen Verbund gibt? Davon sind einige Grünwalder Gemeinderäte gar nicht überzeugt. Sie kritisieren den Zusammenschluss mit dem Partner, der auf eine Reihe von technischen Problemen zurückblickt. Grünwald dagegen hatte bis vor dem 8. April gut reden.

Dort lief alles glatt, während Unterhaching von Anfang an von einigen Malheuren verfolgt wurde. Zum Beispiel von der Implosion des Behälters für Ammoniak-Reste im Herbst 2014. "Der ist zusammengeschrumpft wie eine Cola-Dose", erinnert sich Geschäftsführer Wolfgang Geisinger. Grund war nach seiner Auskunft ein Bedienfehler von Seiten der Betreiberfirma. Damit habe man nicht rechnen können.

Geothermie
:Erdwärme für den Südosten

Geothermie-Kraftwerke in Brunnthal sollen Tausende Haushalte klimafreundlich mit Energie versorgen. Unternehmen planen bis 2019 den Aufbau eines Leitungsnetzes nach Ottobrunn, Neubiberg, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Hohenbrunn.

Von Michael Morosow

Es wurde niemand verletzt. Doch weil der Behälter ersetzt werden musste, stand die gesamte Anlage fünf Monate still, was Kosten von 1,2 Millionen Euro verursachte, die sich beide Gesellschafter teilen. Wobei die Erdwärme Grünwald der Geothermie Unterhaching deren Anteil auch noch leihen musste. Ja, solche Schäden sind versichert. Aber weil Versicherungen auch nicht so einfach zahlen, ohne das Wenn und Aber genau zu überprüfen, sind die 600 000 Euro, die Grünwald dem Partner vorgestreckt hat, noch nicht wieder zurückgeflossen.

Die Zuverlässigkeit der Kalina-Technik ist heiß umstritten

Die Grünwalder Kritiker vermuten unter anderem, die Schwierigkeiten der Geothermie in Unterhaching stammten von "der schlechtesten Technik auf dem Markt", wie FDP-Gemeinderat Michael Ritz das Kalina-Kraftwerk nannte. Das sehen Fachleute allerdings anders. Christoph Wieland vom Lehrstuhl für Energiesysteme der Technischen Universität München versichert: "Kalina und ORC-Technologie sind gleichwertig. Zwar ist die Kalina-Anlage technisch aufwendiger, erzielt aber höhere Wirkungsgrade." Alle anderen Behauptungen seien "nicht fachlich begründet".

Der ORC-Prozess nutze ein organisches Arbeitsmedium, ohne Wasser, die Kalina-Technik ein Gemisch aus Ammoniak und Wasser. Auch Kai Zosseder, Leiter der Arbeitsgruppe Geothermie, dessen Fachgebiet die Tiefengeothermie ist, bestätigt die Gleichwertigkeit von Kalina und ORC. War die Sache mit dem Ammoniak-Behälter somit nur ein dummer Zufall, ein menschlicher Fehler eben, wie er überall vorkommen kann? Eine Antwort wird immer noch von Gutachtern gesucht. Wieland und Zosseder weisen darauf hin: Wenn es bei der Geothermie noch ein großes Problem gebe, dann liege dieses nicht bei der Frage Kalina oder ORC, sondern eher bei den Pumpen. Der jüngste Vorfall bei der Erdwärme Grünwald gibt ihnen Recht.

In Unterhaching wurde schon zwölf Mal die Pumpe ausgewechselt

Auch Unterhaching hat damit zu kämpfen. Bei der Geothermie wurde seit 2007 schon zwölf Mal die Pumpe ausgewechselt. Elf Mal war sie kaputt. Beim zwölften Mal dachte man, sie wäre kaputt, es war aber das Steuerungsgerät. Die Grünwalder Pumpe lief immerhin 30 Monate lang problemfrei. Die längste Zeit, die in Unterhaching dieselbe Pumpe im Bohrloch arbeitete, war gerade mal 14 Monate. Um den Betriebsausfall durch den häufigen Wechsel so kurz wie möglich zu gestalten, hat man inzwischen an beiden Standorten je ein zusätzliches Bohrloch mit einer Ersatzpumpe angelegt. Außerdem gibt es in Unterhaching einen Vertrag mit den Stadtwerken München, die innerhalb von 48 Stunden anrücken und den Wechsel erledigen, sodass der Ausfall auf höchstens etwa sechs Tage begrenzt ist. In Grünwald dauerte der Pumpenwechsel jetzt sieben Tage.

"Unterhaching hat aber auch die größte Lernkurve", sagt Kai Zosseder. "Und das nützt der ganzen Branche." Er ist einer der zahlreichen Wissenschaftler, die versuchen, die Probleme der Geothermie zu lösen. Von Anfang an wurde Unterhaching als erste stromerzeugende Anlage begleitet von mehreren Firmen im Auftrag des Umweltbundesministeriums. Die "Lernkurve" der Geothermie Unterhaching in Sachen Pumpe verlief über diverse Schäden, die Geisinger aufzählt. Mal war ein Kabel nicht wasserdicht, dann platzten Isolierungen, dann verstopften Kalkablagerungen die Pumpe oder bildeten Krusten auf dem Motor, was zu dessen Hitze-Tod führte. Doch all das habe man inzwischen gelöst beziehungsweise erkannt, und es komme nicht mehr vor. Es bleibt aber ein sehr großes und bisher unlösbares Problem: Verkalkung der Rohre und Maschinen, genannt Scaling.

Kalk setzt sich in den Rohren fest, in der Pumpe, einfach überall

Geisinger holt jetzt einen handfesten Beweis für dieses Problem: einen Klotz aus glitzernden grauen Kalkplättchen, die bombenfest aneinanderkleben. Diese harte und unnachgiebige Materie setzt sich in der Pumpe fest, in den Rohren, an den Platten des Wärmetauschers, einfach überall. An den kürzlich ausgebauten Rohren, die in Unterhaching neben dem Kraftwerk gestapelt liegen, kann man das Desaster sehen: Ihr Inneres ist ausgekleidet von einer undurchdringlichen, harten Schicht von grau glitzerndem Kalk. Man denkt an die Adern eines Menschen auf dem Weg zum Herzinfarkt.

Bernhard Köhl untersucht für seine Doktorarbeit an der TU die Verkalkung der Rohre in Unterhaching. (Foto: Robert Haas)

So wie die Geothermie Unterhaching das Pech hatte, dass der Ammoniak-Behälter implodierte, so hat sie auch das Pech, dass sie vom Scaling extrem verfolgt wird. In Grünwald dagegen ist Scaling nur in Ansätzen aufgetreten. Warum? "Wenn wir das wüssten", sagt Geschäftsführer Andreas Lederle. Ob der jetzige Pumpenausfall eventuell doch durch Verkalkung verursacht wurde, muss noch untersucht werden. In Laufzorn hatte man jedenfalls bis zum 8. April einige Theorien, warum alles so gut klappte. Zum einen könnte es daran liegen, dass die Anlage großzügig gebaut ist und damit auch die einzelnen Teile größer sein können, sagte Horst Wagner beim Rundgang durch die Anlage.

Eine weitere These Wagners für das wenige Scaling in Laufzorn ist die, dass man eine Open Hole-Bohrung habe anstatt "Schlitzliner" wie in Unterhaching. Das Laufzorner Themalwasser auf den untersten 1000 Metern der Bohrung "geht hin, wo es will, und nicht, wo es muss", so Wagner. Dennoch weiß niemand sicher, warum die Verkalkung auftritt, warum sie bei manchen Standorten sofort da ist und bei manchen erst nach drei Jahren - Unterhaching - bei einigen wiederum bisher kaum, wie in Laufzorn. Es gibt über die Gründe in der gesamten Branche, ob bei den Praktikern oder den Wissenschaftlern, bisher nur Vermutungen.

Thomas Baumann zieht einen Vergleich zu Heizspiralen des Wasserkochers

Thomas Baumann ist Leiter der Arbeitsgruppe Hydrogeologie und Hydrochemie am Institut für Wasserchemie der Technischen Universität München. Er sitzt in seinem Büro in der Marchioninistraße 17 und versichert: "Wir haben Ansätze, um das Problem zu lösen." Allerdings: "Wir müssen erst mal erkunden, was da genau passiert." Denn das weiß man leider auch hier noch nicht. Was man weiß, ist: Das Problem entsteht erst, wenn man das Wasser erhitzt, der Kalk lagert sich dann genau an den Stellen ab, die besonders heiß sind. "Man kennt das von den Heizspiralen im Wasserkocher", so Baumann. Auch der Motor in den Geothermie-Pumpen ist besonders heiß, seine Temperatur erreicht bis zu 150 Grad. Das ist aber nur eine von vielen Hypothesen, die Baumann und seine Wasserfachleute haben.

Noch keine von ihnen ist als Durchbruch bewiesen. Man befindet sich noch im Stadium der Datensammlung, sagt Baumann. Eine solche Datensammlung erstellt gerade sein Doktorand Bernhard Köhl. Er hat aus allen in Unterhaching ausgebauten Rohren Ablagerungen gesammelt, aus verschiedenen Tiefen. Diese werden jetzt unter dem Rasterelektronenmikroskop untersucht. Baumann ist optimistisch. Allerdings weiß er auch, dass vor der Umsetzung von Hypothesen "der Kaufmann" ins Spiel kommt. Denn die Idee, beispielsweise eine Pumpe tiefer in die Erde zu schaffen als Versuch, das Scaling zu verhindern, ist sehr teuer.

Wolfgang Geisinger ist ein solcher Kaufmann. "Ich will den wissenschaftlichen Beweis", sagt er. "Ich habe keine Lust, immer nur zu basteln." Auf diesen Beweis wird er wohl noch eine Weile warten müssen, obwohl wirklich eifrig geforscht wird. Finanziert wird die wissenschaftliche Begleitung der Geothermie vom Freistaat Bayern, der dafür von 2016 bis 2020 eine Summe von 11,5 Millionen Euro bereitgestellt hat. Bis die Forscher erste handfeste Ergebnisse vorlegen können, gilt für die Geothermie: Learning by doing. Und jetzt muss sogar die Erdwärme Grünwald basteln.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: