Gaza-Krieg:Der Nahost-Konflikt ganz nah

Lesezeit: 3 min

Igal Avidan liest in Garching aus seinem aktuellen Buch über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. (Foto: Stephan Rumpf)

Wie könnten Juden und Palästinenser friedlich zusammenleben? Bei zwei Veranstaltungen der Volkshochschulen in Garching und Neubiberg versucht der israelische Journalist und Autor Igal Avidan, trotz des aktuellen Kriegs Hoffnung zu verbreiten.

Von Hannah Küppers, Garching

Jüdische und arabische Israelis, die einander Nachbarschaftshilfe leisten, in denselben Kindergarten gehen, in einem gemeinsamen Chor Friedenslieder singen - das sind Geschichten, die in den zurückliegenden zwei Monaten seit dem Terrorangriff der Hamas selten zu hören waren. Aber es gibt sie und der israelische und in Berlin lebende Journalist und Autor Igal Avidan hat sie in einem Buch gesammelt, das derzeit ein Hoffnungsschimmer zwischen vielen schlechten Nachrichten sein kann. Am Mittwochabend war Avidan in Garching zu Gast, am Donnerstag in Neubiberg, um jeweils auf Einladung der örtlichen Volkshochschule seine Friedensgeschichten zu teilen und im Anschluss mit zwei Politikwissenschaftlern und Nahostexperten der Bundeswehr-Universität zu sprechen: einmal mit Jan Busse, das andere Mal mit Stephan Stetter.

Der 7. Oktober ist laut Busse selbst für diese Krisenregion eine besondere Zäsur gewesen. Als "enthemmte Gewalt", gerade auch gegen zivile Ziele, bezeichnet der Politologe die Terrorangriffe der Hamas. Er schätzt sie als Teil einer Strategie ein, Angst und Schrecken zu erzeugen. Gewaltsame Auseinandersetzungen hat es seit der Staatsgründung Israels immer gegeben, zuletzt im Mai 2021 - für Avidan der Auslöser, sich an das Schreiben seines Buches zu begeben. Der Autor erinnert sich, dass die Ausschreitungen ein Albtraum für ihn gewesen seien. "Innerhalb des gleichen Stadtviertels, in ein und derselben Straße gingen Menschen aufeinander los", erzählt er. Gerade deshalb wollte er in seinem Buch mit dem Titel "...und es wurde Licht!" eine völlig andere Geschichte erzählen. "Ich habe mich auf die Beziehungen konzentriert, nicht auf den Konflikt."

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Das Buch, das der gebürtige Israeli im Mai dieses Jahres veröffentlicht hat, ist mit seinen Erzählungen von Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen jüdischen und arabischen Israelis ein Kontrapunkt zum derzeit hasserfüllt erscheinenden Verhältnis zweier Kulturen. "Wenige wissen überhaupt, dass es arabische Israelis gibt", sagt der Autor und erinnert daran, dass diese 21 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachten, weshalb Avidan sie nicht als Minderheit bezeichnet. "Es sind zwei Millionen Menschen, die bis zur Teilung des Landes dort lebten und dann ihr Land, ihr Eigentum und ihre Verwandten verloren. Es sind keine Migranten." Es seien Menschen, die in einem Staat leben, der sich im Dauerkonflikt mit ihrem eigenen Volk befindet.

Der Journalist begab sich für die Recherchen auf eine Reise vom Norden in den Süden Israels und steuerte mehrere Städte an, in denen jüdische und arabische Israelis leben. An manchen Tagen führte er neun Interviews. Aus einer Begegnung ergab sich die nächste, es entwickelte sich eine Dynamik. Avidan traf sich etwa mit einem jüdischen Fischlokalbesitzer, der vielen Kindern seiner arabischen Nachbarn, die auf die schiefe Bahn geraten waren, Praktika in seinem Restaurant in der Hafenstadt Akkon ermöglichte. Er besuchte die Probe eines jüdisch-arabischen Frauenchors in Jaffa, traf eine jüdische Schulleiterin, die jeden Morgen durch ein speziell für sie angefertigtes Loch durch die Mauer auf die arabische Seite der Stadt Ramla kommt. Arabische Gesprächspartner hätten ihm manchmal anfangs Misstrauen entgegengebracht, schildert der Autor, aber später positiv reagiert, weil ihnen jemand einfach nur zuhörte. Dass sich jemand in Deutschland für ihre Geschichte interessiert, habe sie oft überrascht.

Avidans Friedensgeschichten sind Zeichen der Hoffnung, die langfristigen Lösungen, nach denen er mit dem Politologen Busse in Garching sucht, sind jedoch nur sehr hypothetisch. Auf die Frage, was nach dem Krieg kommt, beschränken sich beide auf potenzielle politische Lösungen, die alle an irgendeiner Stelle einen Haken haben. Für den Politikwissenschaftler scheint eine Zweistaatenlösung die derzeit realistischste Variante zu sein; er räumt allerdings ein, dass dazu eine demokratische Legitimierung der Autonomiebehörde erste Voraussetzung sein müsse. "Keine Mauer, aber ein guter Nachbar kann Schutz bieten", ist Avidans These.

Er hält auch seit Beginn des Kriegs im Oktober den Kontakt zu einigen Protagonisten seines Buches. Seine Beobachtung ist, dass zahlreiche Araber, die es sich leisten könnten und ein "ruhiges Leben" haben wollten, ihre von Kriminalität und Gewalt gezeichneten Ortschaften verlassen und in jüdische, gut situierte Regionen ziehen. "Die Vermischung von arabischer und jüdischer Bevölkerung in Israel wird wachsen", ist sich Avidan sicher. Das ist wohl keine Lösung für die derzeitige Kriegssituation, aber von seiner Hoffnung abbringen lässt sich der Journalist nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAutoposer-Treffen
:Tunen, bis die Polizei kommt

Die Gruppe "Blacklist München" motzt ihre Autos auf und verabredet sich in Garagen. Während die Polizei immer wieder Wagen aus dem Verkehr zieht, verstehen die Fahrer nicht, was daran schlimm sein soll. Ein Besuch bei einem Treffen in Haar.

Von Laura Geigenberger und Lisa Marie Wimmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: