Nachruf:Ein Erfüllter, der andere erfüllte

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Dirigierkunst: Albert Neuhauser bei einem Auftritt 2009 in St. Severin, dem Jahr, in dem er dort als Chorleiter aufhörte. (Foto: Ulla Baumgart)

An diesem Samstag findet der Gedenkgottesdienst für Albert Neuhauser statt, der als Chorleiter und Musiktheatermacher das Kulturleben in Garching jahrzehntelang bereichert hat und vor wenigen Wochen überraschend im Alter von 77 Jahren gestorben ist.

Von Nicole Graner und Udo Watter, Garching

Albert Neuhauser hatte dichtes, fülliges Haar. Und diese eine Locke fiel ihm oft in die Stirn. Immer dann, wenn er mit allen Sinnen dirigierte oder wenn er begeistert von neuen Projekten erzählte. So voller Energie und mit einer Begeisterung, die in dem Moment schon ansteckte, in dem Ideen erst einmal nur Gestalt annahmen. Musikpassagen, Bühnenbilder - so vieles sah er im Geiste schon vor sich, bevor ein Ton gesungen, ein Bühnenbild entstanden war. Und dann löste sich eben diese Locke, sie tanzte hin und her, und Neuhauser strich sie sich dann mit einer kurzen Bewegung aus dem Gesicht. Nichts durfte ihn stören, wenn er seine Ideen lebte oder einmal in die Musik eingetaucht war, für die er brannte - der Chorleiter, Kirchenmusiker, und langjährige Vorsitzende des Garchinger Kulturvereins "Zeitkind".

Vom Dirigieren hatte er sich schon länger zurückgezogen, aber die Locke wird nun auch nicht mehr beim Aushilfs-Orgelspielen tanzen. Neuhauser, der für sein kulturelles Engagement 2006 mit dem SZ-Tassilo-Preis geehrt worden war, ist vor einigen Wochen überraschend gestorben - im Alter von 77 Jahren. An diesem Samstag, 8. Oktober, wird es einen Gedenkgottesdienst ihm zu Ehren geben in der St.-Severin-Kirche in Garching, Beginn 19 Uhr. Und danach ein Treffen in der Pfarrei, unter anderem mit Familienangehörigen des Verstorbenen, zahlreichen Weggefährten und ehemaligen Schülern.

"Für uns war die Nachricht ein Schock", sagt Rolf Schönwald, der 2017 den Vorsitz des Theater- und Kulturvereins "Zeitkind" von Neuhauser übernommen hat. "Im Juli hat er uns noch beim Straßenfest am Zeitkind-Stand besucht und wir hätten nie gedacht, dass es die letzte Begegnung sein würde." Schönwald, der sich etwa gern an seinen Auftritt im Musical "Feuerhex" im Circus Krone - eine Produktion, die Neuhauser ursprünglich zur Feier der U-Bahn-Verlängerung nach Garching 2006 auf die Beine gestellt hatte - im Jahr 2008 erinnert, gehört zu der Vielzahl an Schauspielern, Sängern, Schülern, Lichttechnikern oder Theaterbegeisterten im Münchner Norden, die Neuhauser inspiriert und gefördert hat. "Er war so eine wichtige Persönlichkeit in Garching und hat dort das Kulturleben über ein halbes Jahrhundert bereichert", so Schönwald.

Als langjähriger Chorleiter und Kirchenmusiker von St. Severin (1967 bis 2009), als Initiator großer Musical-, Konzert- und Theaterprojekte (Carmina Burana, "Die Bernauerin", das Musical "Zeitkind" oder eben "Die Feuerhex") und als Lehrer an der Mittelschule Garching war er einer, der mit Elan und großer pädagogischer Leidenschaft an die Dinge ran ging -, selbst wenn das mitunter Projekte waren, die sehr groß dimensioniert und ambitioniert waren. "Es muss Verrückte geben, die etwas auf den Weg bringen", hat Albert Neuhauser einmal gesagt. "Er hat sich um alles gekümmert und er hat auch gekämpft", sagt Schönwald. Dabei konnte der 1944 geborenen Neuhauser die Grenzen diplomatischer Zurückhaltung auch mal überschreiten - das Verhältnis zum Kulturamt der Stadt war nicht immer frei von Spannungen, es ging nicht zuletzt um die Frage angemessener finanzieller Unterstützungen für seine Projekte.

Den Tassilo-Preis hat Neuhauser zusammen mit dem Chor St. Severin bekommen. Unter dessen Dach hat er etliche Musiktheater produziert und geleitet, beginnend 1992 mit einer im Garching als legendär geltenden Aufführung des Musicals "Zeitkind", bei dem rund 140 Menschen auf der Bühne waren (2012 wurde noch mal eine technisch professionalisierte Neuinszenierung im Bürgerhaus gezeigt). Die Gründung des gleichnamigem Theatervereins erfolgte im Juni 2010. Neuhauser, der als Chorleiter in St. Severin 2009 aufgehört hatte, wurde erster Vorsitzender und war als Kultur- und Musiktheatermacher weiter sehr aktiv. Bis 2017.

Seinen Sängerinnen und Sängern die Musik so nahe wie möglich zu bringen, sie empfänglich zu machen für den schönen Ton, die Kraft des Klangs - das war seine Antriebsfeder, sein Magnetfeld, in dem er wirken konnte. Und natürlich der Nachwuchs. Wie sehr war es ihm wichtig, junge Menschen für das große Experiment Musik und Bühne zu begeistern. Und so gelang es ihm immer wieder, alle auf der Bühne zu vereinen: Jene, die gut singen konnten, jene die erst im Chor angefangen hatten und bei denen auch mal ein Ton wackeln durfte, Große und Kleine. Schüler und Studenten. Alle waren sie da. Immer und immer wieder probte er, mit Geduld, Gespür und einfach einer großen Freude. Nach einem langen Probentag, unzähligen wiederholten Stellen, 1000 Fragen an ihn, fehlendem Equipment, sagte er einmal: "Ist das nicht schön zu sehen, wie wir alle zusammen Musik machen?"

Er strahlte. War glücklich. Erfüllt. Seine Erfüllung durch die Musik hat er weitergegeben. "Mein Anliegen ist es immer gewesen, die Künste herauszulocken", hat er gesagt. So hat er viele Generationen musikfreudiger und theaterbegeisterter Jugendlicher und Erwachsener befeuert.

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