Frust bei Feuerwehren:Retten, bergen, löschen - Formular ausfüllen

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Erst der Papierkram, dann die Übung: Wenn sie Einsätze realitätsnah simulieren will wie hier in Garching, braucht die Feuerwehr eine Genehmigung. (Foto: Florian Peljak)

Seit 2001 müssen Feuerwehren Übungen, die den Verkehr beeinträchtigen könnten, genehmigen lassen. Bisher hat sich im Landkreis niemand daran gehalten

Von Martin Mühlfenzl

Im Jahr 2001 war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler - eine Ewigkeit ist das jetzt her. Bayerischer Staatsminister des Inneren war damals - im von den Vereinten Nationen ausgerufenen "Jahr der Freiwilligen" - Günther Beckstein. Dessen Wirken ist gefühlt noch länger her, hat aber auch seine Spuren hinterlassen.

Feuerwehrler bei einer Übung in Garching. (Foto: Florian Peljak)

Eine dieser Hinterlassenschaften aus dem Jahr der Freiwilligen betrifft ausgerechnet auch die Ehrenamtlichen: 2001 ordnete das bayerische Innenministerium an, dass jede Veranstaltung, die den Straßenverkehr im öffentlichen Raum massiv beeinträchtigen könnte, der Zustimmung der jeweiligen Behörde bedarf.

Nicht nur die Feuerwehren sind betroffen

Wenn etwa die Freiwillige Feuerwehr Unterschleißheim auf der Landshuter Straße eine Übung abhalten will, muss sie beim Landratsamt München einen Antrag stellen. Die Kreisbehörde wiederum muss diesen prüfen und eine verkehrsrechtliche Anordnung herausgeben.

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Die Regelung freilich trifft nicht nur Feuerwehren, sondern etwa auch Faschingsvereine, die einen Umzug planen, oder Spielmannszüge, die auf der Bundesstraße durch ihren Ort ein Weinfest veranstalten.

Bis ins Jahr 2001 waren durch eine sogenannte Vollzugsbekanntmachung des Innenministeriums die Polizei und Feuerwehren von dieser Regelung ausgenommen. Seit 15 Jahren ist das anders, im Landkreis München aber wurde die neue Regelung eigentlich nie angewandt. Deren Abschaffung aber fordert nun der Freie-Wähler-Kreisrat Otto Bußjäger in einem Brief an seinen Parteikollegen und Landtagsabgeordneten Max Streibl.

"Weder praxistauglich noch bürokratiearm."

Erst der Papierkram, dann die Übung: Wenn sie Einsätze realitätsnah simulieren will wie hier in Garching, braucht die Feuerwehr eine Genehmigung. (Foto: Florian Peljak)

Bußjäger ist selbst Gruppenführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Höhenkirchen. Die bestehende und im Landkreis plötzlich sehr aktuelle Gesetzesänderung von 2001 nennt Bußjäger ein "Konjunkturprogramm für Aktenvernichter". Denn diese Regelung sei "weder praxistauglich noch bürokratiearm", sagt Bußjäger: "Obwohl doch das Innenministerium damals von einer Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung gesprochen hat", sagt Bußjäger, "aber letztlich mit fatalen Folgen für Ehrenamt und Verwaltung."

Denn jetzt soll die lange missachtete Neuregelung auch im Landkreis umgesetzt werden. "Im vergangenen Dezember hat uns das Landratsamt in einem Schreiben darauf aufmerksam gemacht, dass wir bei der Planung einer Übung entweder bei der Gemeinde oder beim Landratsamt einen Antrag stellen müssen, wenn der Straßenverkehr beeinflusst wird", sagt Ottobrunns Feuerwehrkommandant Eduard Klas. Wie seine Feuerwehr bis dahin mit der Anordnung umgegangen ist? "Auf dem kurzen Dienstweg - ein Anruf oder eine schnelle E-Mail ans Ordnungsamt. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis", sagt Klas.

Das Landratsamt hat an die 15 Jahre alte Regelung erinnert

Der eigentlich Weg, sagt Bußjäger, müsse aber mehr bürokratische Schritte beinhalten: Die intensive Vorbereitung der Beantragung einer verkehrsrechtlichen Anordnung - gegebenenfalls mit Plänen und Karten. Die Prüfung durch die Verwaltung. Die Ausarbeitung eines Umleitungsplans. Die Beschilderung durch den Bauhof oder die Feuerwehr. "Da bereiten wir alles penibel vor, aber das Wetter spielt nicht mit - und wir müssen Gerätekunde machen", sagt Bußjäger. "Und der ganze Rotz war umsonst." Kommandant Klas sagt: "Da kommt schon Zeit zusammen. Wir Ehrenamtler opfern aber eh schon einen Großteil unserer Freizeit." Im Sinne der Ehrenamtlichen müssten alle bürokratischen Hürden beseitigt werden.

Dafür setzt sich jetzt auch Kreisbrandrat Josef Vielhuber ein, der ebenfalls im Dezember durch das Landratsamt informiert und aufgefordert wurde, sich an die 15 Jahre alte Neuregelung zu halten. "Wir stehen jetzt in Verhandlungen mit dem Landratsamt und loten aus, welche Spielräume es gibt", sagt Vielhuber. "Es sind ja nicht nur die Feuerwehren betroffen. Aber gerade für uns sind solche Übungen auch im Straßenverkehr enorm wichtig."

Nun müsse definiert werden, wie viel Bürokratie wann sein muss - oder eben nicht: "Die Gemeinden sind ja auch froh, wenn sie solche Anträge nicht oft und nicht so ellenlang bearbeiten müssen."

Warum das Landratsamt überhaupt im Dezember an die Feuerwehren des Landkreises herangetreten ist, weiß Vielhuber auch nicht. Er vermutet aber: "Es geht sicher um haftungsrechtrechtliche Fragen. Denn wenn keine Genehmigung vorliegt, und es passiert bei einer Übung etwas, ist der kleine Ehrenamtliche dran."

Es droht die bürokratische Lawine

Otto Bußjäger hat indes nicht nur seinen Parteifreund Streibl angeschrieben, sondern auch den zuständigen Ministerialdirektor im Innenministerium. Den hat er darauf hingewiesen, dass die Regeländerung im Landkreis "in den vergangenen 15 Jahren übrigens unentdeckt" geblieben ist. Soll heißen: Es wusste niemand davon. Kommandant Klas sagt: "Die haben bei der Novellierung 2001 die Feuerwehren mit reingeschrieben. Aber mitbekommen hat das hier bei uns keiner. Wir haben unsere Arbeit gemacht."

Und jetzt, sagt Bußjäger, drohe die "bürokratische Lawine" auf die Ehrenamtlichen zuzurollen. Um die abzuwehren, müsse der alte Passus wieder hergestellt werden - mit den Ausnahmen für Polizei und Feuerwehr.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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