Hobby-Fotografie:Meister der präzisen Ruhe

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Gerhard Wettemann hat 1996 den Abflug des Airbus-Frachtflugzeugs Super Guppy vom damaligen Flugplatz in Neubiberg festgehalten. (Foto: Gerhard Wettemann)

Die Mitglieder des Fotoclubs Ottobrunn-Neubiberg feiern 70-jähriges Bestehen. Seit der Gründung hat sich technisch viel verändert, aber Können braucht es immer noch, um ein gutes Bild zu machen.

Von Franziska Gerlach, Neubiberg/Otttobrunn

Nehmen wir die Nahaufnahme der Zwergdommel, die stolz ihren Fang präsentiert. Vermutlich hat der Fisch im Schnabel des Vogels noch gezappelt, aber solche Informationen geben Fotos ja nicht preis. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass der Urheber des Bildes, Cor van der Zee, eine ganze Weile in dem Weiher ausharren musste, ehe er den Moment des Triumphs mit der Kamera einfangen konnte. "Der stand bis zur Hüfte im Wasser", sagt Sebastian Thor, der Vorsitzende des Fotoclubs Ottobrunn-Neubiberg. Anders ließen sich solche Aufnahmen - etwa auch die einer Wasserralle, welche sich spiegelnd übers Wasser beugt - überhaupt nicht machen.

Dekorative Spiegelung: "Wasserralle" von Cor van der Zee. (Foto: Cor van der Zee)

Wie in der Vergangenheit hört die Jahresausstellung des Fotoclubs Ottobrunn-Neubiberg im "Haus für Weiterbildung" in Neubiberg auch diesmal auf den Namen "Rückblende". Zu sehen gibt es bis 26. November 65 Aufnahmen von 16 Fotografen und Fotografinnen des Vereins, von denen einige ihre Werke in der Vergangenheit erfolgreich bei den Wettbewerben des Deutschen Verbandes für Fotografie (DVF) platzieren konnten. Wer im ersten Stock der Volkshochschule aus dem Fahrstuhl tritt, steuert überdies unmittelbar auf eine Collage aus historischen Fotos, dem Gründungsprotokoll von 1953 und einer Beitrittserklärung auf einem Bierdeckel zu. Lauter Dokumente, die daran erinnern, dass der Fotoclub im November 70 Jahre alt wird. Eine Mark kostete die Mitgliedschaft bei den "Fotoamateuren Ottobrunn", wie der Verein hieß, zu dem sich ein Dutzend fotobegeisterter Menschen damals zusammenschloss. Es waren die Wirtschaftswunderjahre, die Zeit der elektronischen Küchengeräte und des Farbfernsehens, und auch in der Fotografie lösten Farbfilme die alten Schwarzweißfilme ab. Eine Zeit des Aufschwungs, und mittendrin die Hobbyfotografen aus dem Südosten von München. "Da wurden die Badezimmer zu Nasszellen umfunktioniert, um Filme zu entwickeln", erklärt Thor, der 1982 zum Verein kam.

"Fossile Energie II" von Reinhold Pfeufer (Foto: Reinhold Pfeufer)

Heute zählt der Fotoclub 20 Mitglieder, das älteste ist 89 Jahre alt, ein anderes bereits seit 1967 dabei. Alle zwei Wochen trifft man sich, um technische Neuerungen zu besprechen, sich gegenseitig Fotos zu zeigen oder dem Vortrag eines externen Referenten zu folgen. Im Übrigen habe man der analogen Fotografie nicht nachgeweint, sondern die Umstellung auf das Digitale vielmehr als Fortschritt begrüßt, erzählt Thor. "Das war eine Verbesserung der Bildqualität." Mit der neumodischen Unsitte, immer und überall das Essen mit dem Smartphone aufzunehmen und die Bilder in den sozialen Medien zu teilen, kann der 79-jährige Putzbrunner dagegen nichts anfangen. Noch entschiedener lehnt der Vorsitzende des Fotoclubs es ab, Bilder mittels Künstlicher Intelligenz zu generieren. "Das hat mit Fotografie nichts zu tun", betont er.

Zwar stellen die Vereinsmitglieder schon lange keine Diaprojektoren auf, um einmal im Jahr ihre besten Aufnahmen zu präsentieren. Und um sich eine eigene Dunkelkammer zu leisten, muss man heute schon ein sehr überzeugter Anhänger des Analogen sein. Doch trotz moderner Finessen und Spielereien geht es beim Fotografieren im Grunde noch immer um das Abpassen der richtigen Witterung, die Auswahl des geeigneten Standpunkts, das Einstellen der optimalen Belichtungszeit. Fotografieren erfordert Geduld, mal mehr, mal weniger, meistens mehr. Und an der Ausstellung im Haus für Weiterbildung lässt sich gut ablesen, dass viele, die in der Freizeit mit der Kamera losziehen, gerade in dieser präzisen Ruhe einen Ausgleich zum stressigen Alltag finden.

Von Garching aus fotografiert: "Jupiter und Saturn" von Alois Krause. (Foto: Alois Krause)

Klar, das Planetarium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching, wo Alois Krause seine Aufnahmen von Jupiter und Saturn tätigte, existierte bei der Gründung des Vereins noch nicht. Auch war es noch nicht möglich, den Hintergrund eines Bildes zu entfernen, wie Reinhold Pfeufer es bei der Aufnahme einer Tankstelle getan hat. Etliche Fotos der Ausstellung sind auf Reisen entstanden, die karge Berglandschaft Marokkos, das satte Grün der Färöer-Inseln, die traurigen Augen eines Mädchens in Indien. Andere Arbeiten drücken eine spezifische Verbundenheit mit der Heimat aus: Christiane Böckmanns beeindruckende Nahaufnahme eines Adlers im Wildpark Poing oder die Rinde eines Baumes, die ihre Schönheit bei Ingeborg Präsent entfalten darf. Und dann gibt es noch jene Werke, die die Fantasie des Betrachter herausfordern. Als Gerhard Wettemann den alten Flugplatz in Neubiberg fotografierte, hingen Wolkenfetzen über der Landebahn. Nicht nur diese Schwarzweiß-Komposition sieht eher nach weiter Welt aus denn nach dem Landkreis München: Auch sein Bild vom riesigen Airbus-Frachtflugzeug Super Guppy, das 1996 in Neubiberg landete und später wieder abhob, atmet überregionale Größe.

"Kanaldeckel in Bratislava" von Sebastian Thor. (Foto: Sebastian Thor)

Sebastian Thor selbst richtet den Blick gerne zu Boden und fotografiert schöne Kanaldeckel. Als man 2010 im Ottobrunner Rathaus jedoch Aufnahmen "von oben" benötigte, seien die Hobbyfotografen "Feuer und Flamme" gewesen, eine Feuerwehrleiter hinaufzuklettern, um der Gemeinde diesen Wunsch zu erfüllen. Bleibt noch die Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass der Verein 1992 in "Fotoclub Ottobrunn-Neubiberg" umbenannt wurde? Die Gemeinde Neubiberg habe Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Als Verein sei man da natürlich begeistert gewesen. "Wenn es noch einen zweiten Ort gibt, der mit zahlt, dann ist das schon ganz gut."

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