Forschung an Covid-19-Medikament:Verhängnisvolle Klumpenbildung

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Hoffen auf ein Gegenmittel: Ulrich Waibel koordiniert mit seiner Firma in Hohenbrunn die Entwicklung eines Medikaments, das zur Behandlung von Covid-19-Patienten geeignet ist. (Foto: Claus Schunk)

Forscher der Hohenbrunner Firma Explicat-Pharma arbeiten an einem Medikament gegen Covid-19. Dabei kämpfen sie mit ganz trivialen Problemen.

Von Angela Boschert, Hohenbrunn

"Die ersten 20 Gramm der Ausgangssubstanz sind da, aber wir brauchen 120 Gramm", sagt Projektleiter Ulrich Waibel von der Hohenbrunner Firma Explicat-Pharma. Das Unternehmen ist an der Entwicklung eines Corona-Medikaments beteiligt. Die Forscher wissen, dass die Ausgangssubstanz, ein Peptid, wirkt. Ob sie das so tut, wie sie wünschen, können sie erst sehen, wenn sie eine standardisierte Corona-Therapie haben. Doch zuvor muss ein anderes Problem gelöst werden: Die Substanz klumpt "fürchterlich", wie Waibel sagt.

Pharmazeuten, Chemiker und weitere Experten haben bereits standardisierte Verfahren entwickelt, um die Robustheit, Reinheit und Identität dieser Substanz zu prüfen. Bei ihr handelt es sich um das Peptid Angiotensin 1-7, das sind Ketten aus weniger als hundert Aminosäuren, also Eiweißbausteinen. Doch hat es wie erwartet sofort mit Sauerstoff reagiert, was zur Verklumpung geführt hat. Jetzt müssen Zusatzstoffe gefunden werden, die das Peptid streufähiger machen, also das Verkleben verhindern. Oder aber welche, die den Ausgangsstoff vor dem Sauerstoff schützen und verhindern, dass er überhaupt mit diesem reagiert.

Dann werden in den Laboren von Explicat und weiteren beteiligten Unternehmen die Tests auf Hochtouren laufen. "Sollten wir mit den ersten Versuchen einen Glücksgriff machen und etwa bei der Wahl und Menge der Zusatzstoffe schnell zum gewünschten Ergebnis kommen, sind wir schneller als geplant. Wir versuchen natürlich, die Risiken klein zu halten", sagt Waibel. Da das Peptid eine körpereigene Substanz ist, sei die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen relativ gering. Noch hat er kein "Datum, bis wann wir die benötigte Menge der Ausgangssubstanz haben". Auch muss der Prüfprozess für jeden weiteren erforderlichen Zusatzstoff neu wiederholt werden.

Wenn alles gut geht, könnte 2022 mit Tests begonnen werden

Das Endprodukt soll ein Inhalat werden, das schwere Verläufe von Covid-19 verhindert. Dazu müssen die Wirkstoffe in Partikeln vorkommen, die ziemlich genau 0,3 Mikrometer groß sind, um in die Lungenflügel zu gelangen. Sind sie deutlich zu klein, werden sie beim Inhalieren ein- und gleich wieder ausgeatmet, sind sie zu groß und zu schwer, bleiben sie im Rachenbereich kleben. In beiden Fällen können sie in der Lunge nicht ihre Wirkung entfalten. Die Behandlung wäre ein Vabanquespiel.

Auch ist noch offen, ob alle Ketten des Angiotensin 1-7 oder nur Bruchstücke davon die gewünschte Wirkung auslösen. "Bruchstücke werden anders wirken, aber wir wissen noch nicht, wo und wie", sagt Waibel. Aktuell werde weltweit über Corona geforscht, sodass tagtäglich "ein gigantisches Wissen darüber dazu kommt. Das ist extrem spannend", schwärmt der Ingenieur und leidenschaftliche Rettungssanitäter. Es gebe viele Spezialfragen, die die Forscher und auch die Mediziner noch nicht beantworten können.

Dennoch: Die ersten Schritte seien getan. "Dass wir vielleicht schon 2022 in sogenannte Phasentests mit gesunden Freiwilligen reingehen können, sehe ich vorsichtig positiv", sagt Waibel. Daran könnten sich die ersten größeren Heilversuche und dann auch die Dosisfindung anschließen. "Beides wäre ein Meilenstein und unser Ziel für nächstes Jahr", so Waibel. Ein Fehlschlag könne aber auch bedeuten, dass die Forscher ihren Ansatz grundlegend ändern müssten. Das sei in dieser "Phase null" der Medikamentenentwicklung völlig normal.

Der aufwendige Prozess der pharmazeutischen Entwicklung des Arzneimittels wird vom Bund mit einer Million Euro unterstützt. Waibel überwacht die Verteilung der Fördergelder an die 30 beteiligten mittelständischen Unternehmen aus Deutschland und Europa. Das von ihm mitgegründete Unternehmen Explicat Pharma Hohenbrunn ist auf technisches Projektmanagement bei der pharmazeutischen Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten spezialisiert.

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