Europawahl:Für den Landkreis steht viel auf dem Spiel

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Deutschland stellt 96 Abgeordnete im Europaparlament. (Foto: Laurent Dubrule/dpa)

Landrat Christoph Göbel warnt vor einem Erstarken rechtskonservativer, nationalistischer Kräfte bei der Wahl des EU-Parlaments im Mai. Er fürchtet um die kommunale Selbstverwaltung - und um Arbeitsplätze

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Mikrokosmos Landkreis - wenn man bei mehr als 350 000 Einwohnern überhaupt von einem solchen sprechen kann - spiegelt manche Entwicklungen, die das ganze Land betreffen, noch drastischer wider. Beim Wirtschaftswachstum etwa, das sich ja vorzüglich in der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter fassen lässt: Deren Zahl ist bundesweit von 2011 bis 2018 um etwa 17,5 Prozent von 28,5 Millionen auf 33,5 Millionen angestiegen.

Im selben Zeitraum ist diese im Landkreis München geradezu explodiert: von 183 000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten auf mehr als 230 000 - ein Plus von mehr als 25 Prozent.

Wenn am 26. Mai das Europaparlament gewählt wird, lohnt sich daher auch wieder ein genauer Blick auf die Ergebnisse im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaats; lässt sich an den Resultaten in den 29 Städten und Gemeinden doch sehr genau ablesen, wie sich die Parteienlandschaft verändern und die politische Stimmung im Land verschieben könnte. Vor fünf Jahren stürzte die CSU im Vergleich zur Europawahl 2009 bayernweit um 7,6 Prozentpunkte auf 40,5 Prozent ab - im Landkreis war der Einbruch noch massiver: Hier kamen die Christsozialen nur noch auf 36,1 Prozent (2009: 43,7 Prozent). Die SPD legte 2014 im Landkreis um fast zehn Prozentpunkte zu und kam auf 22,7 Prozent, bayernweit lagen die Sozialdemokraten leicht darunter bei 20,1 Prozent.

Schaffen die Sozialdemokraten die Trendwende?

Eine der spannenden Fragen am 26. Mai dürfte sein: Gelingt den Sozialdemokraten die Trendwende - und können sie in einem Landkreis, der eigentlich als eine ihrer Hochburgen im Freistaat gilt, auch nur ansatzweise an des Ergebnis der vergangenen Europawahl heranreichen. Darüber entscheiden in knapp vier Monaten im Landkreis München insgesamt 262 600 Wahlberechtigte (Stand: November 2018); bei der Wahl von vor fünf Jahren waren es nur etwas mehr als 235 000 Wahlberechtigte gewesen. Auch diese Zahlen sprechen für das weiter ungebrochene Wachstum im Speckgürtel der Landeshauptstadt.

Und das Wachstum steigert auch die Vielfalt. Denn es sind am 25. Mai ja nicht nur deutsche Staatsbürger zur Wahl ihrer EU-Abgeordneten aufgerufen, sondern auch die hier lebenden EU-Bürger aus dem Ausland dürfen mitentscheiden, wer die Bundesrepublik künftig in Straßburg und Brüssel vertreten wird. Insgesamt leben derzeit 33 549 EU-Ausländer im Landkreis München, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und somit auch wahlberechtigt sind. Allerdings kann das Landratsamt derzeit noch nicht bestätigen, ob alle Unionsbürger auch wahlberechtigt sind, schließlich müssen sie seit mindestens drei Monaten einen festen Wohnsitz im Landkreis haben, um hier auch wählen zu dürfen.

Die beiden größten Gruppen der hier lebenden EU-Bürger sind die Kroaten (4817) und Österreicher (4757), gefolgt von 4330 Italienern, etwa 3600 Rumänen und 3370 Polen. Insgesamt haben derzeit nahezu 65 000 der mehr als 350 000 Einwohner des Landkreises München einen ausländischen Pass, etwa 38 000 von ihnen kommen aus einem Land der Europäischen Union.

Sorge um die Entwicklung in Polen

Und deren Zusammenhalt sieht Landrat Christoph Göbel (CSU) gefährdet, wenn sich am 26. Mai "rechtskonservative, nationalistische Kräfte" bei der Europawahl durchsetzen könnten - wie das etwa in den beiden polnischen Partnerlandkreisen Wieliczka und Krakau bereits jetzt der Fall ist. Dort sei mit der Machtübernahme der konservativen, europaskeptischen Regierungspartei Pis zu beobachten, wie die kommunale Selbstverwaltung immer weiter zurückgedrängt werde. "Und genau das dürfen wir nicht zulassen, denn die kommunale Selbstverwaltung ist eine der großen europäischen Errungenschaften", sagt Göbel. Er selbst wünscht sich, dass von der Wahl am 26. Mai ein Zeichen ausgeht: "Und zwar, dass Europa nicht auf die Bremse tritt, sondern der pro-europäische Kurs beschleunigt wird", sagt der Landrat. "Alles andere wäre kleinkartiert."

Und natürlich, sagt Göbel, gehe es aus Sicht des Landkreises München auch um "Tausende Arbeitsplätze", die auf dem Spiel stünden, wenn Zollschranken wieder fallen und Grenzen geschlossen würden. Der Landkreis mit seinen Bürgern aus mehr als hundert Nationen lebe von einem "offenen Europa".

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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