Energiewende im Landkreis:Sparen war gestern

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An Windkraftanlagen führt zumindest nach Ansicht der Grünen auch weiterhin kein Weg vorbei. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In der neuen Version seiner Energievision verabschiedet sich der Landkreis endgültig vom Ziel, den Verbrauch zu senken. Das Zauberwort heißt nun Dekarbonisierung: Mit externen Beratern, ansässigen Firmen und Bürgern soll der Abschied von Öl, Gas und Kohle vorangetrieben werden.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Bei Waschmaschinen oder Geschirrspülern ist die beste Energieeffizienzklasse A+++. An diesen Wert haben sich die Gestalter des Logos für die überarbeitete Energievision im Landkreis München noch nicht herangewagt. Aber auch so ist das neue Markenzeichen verständlich, mit dem die Designer auf das Energieverbrauchsetikett für Elektrogeräte anspielen wollten: "29++" steht in weißer Schrift auf einem nach rechts zeigenden, in blau und grün gehaltenen Pfeil geschrieben.

Allerdings steht 29 nicht für die Zahl der Umdrehungen einer abgenudelten Waschmaschine oder die Sparprogramme eines Geschirrspülers, sondern für die 29 Kommunen des Landkreises.

Der bisherige Energiewende-Fahrplan wird komplett überarbeitet

Und die werden in den kommenden Monaten die im Jahr 2007 beschlossene Energievision gemeinsam mit dem Landkreis neu auflegen. Sie werden - auch das ist neu - in Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister Green City Energy den bisherigen Fahrplan der Energiewende komplett überarbeiten, das heißt: in Anlehnung an das Klimaschutzabkommen von Paris deutlich veränderte Ziele formulieren und sich damit vom bisherigen Weg verabschieden. Dabei sollen - eine weitere Neuerung - die Bürger, vor allem auch Jugendliche, die Chance erhalten, die neue Energievision des Landkreises München aktiv mitzugestalten.

Energiewende im Landkreis
:Abschied vom Einsparziel

Die Einwohnerzahlen steigen rasant im Landkreis München, die Wirtschaft wächst - der Stromverbrauch auch: Angesichts der Zahlen geben die Kreisräte das Vorhaben auf, den Energieverbrauch bis 2050 um 60 Prozent zu senken. Dafür haben sie nun ein anderes Ziel.

Von Iris Hilberth

Der Umweltausschuss des Landkreises wird an diesem Donnerstag, 18. Februar, über den Fahrplan der kommenden Monate informiert - im Dezember schließlich soll der Kreistag die neu ausformulierte Marschrichtung absegnen. "Es ist richtig, dass die alte Energievision jetzt beerdigt wird", sagt der grüne Kreisrat Markus Büchler. "Sie ist einfach nicht mehr zeitgemäß, und hatte ohnehin keinen Bestand mehr."

Die Vision von 2007 sah einen deutlichen Rückgang des Energieverbrauchs vor

Die Vision von 2007 hatte das Ziel, den Energieverbrauch im Landkreis bis zum Jahr 2050 um 60 Prozent auf dann nur noch 40 Prozent des Energieverbrauchs aus dem Jahr 2007 zu reduzieren. Dies sollte vor allem durch die energetische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäuden, den Einsatz stromsparender Geräte, die allgemeine Verringerung des Energiebedarfs, den Einsatz regenerativer Energiequellen wie Geothermie und Umweltwärme sowie regenerativer Stromerzeugung (Biomasse, Photovoltaik, Geothermie) erreicht werden.

Die unterschiedlichen Wege hin zu diesem Ziel werden freilich auch künftig nicht infrage gestellt, sagt Büchler, das "60-Prozent-Ziel" aber habe keinen Bestand mehr. "Es geht mittlerweile bei der Energiewende auch nicht mehr darum, auf Biegen und Brechen einzusparen", sagt der Grüne. Es gehe vielmehr um die konkrete Umstellung, die Büchler an einem Begriff festmacht: "Dekarbonisierung."

Der Abschied von Öl, Gas und Kohle rückt in den Mittelpunkt

Dieser Begriff findet sich auch in Artikel drei der Schlussakte der Pariser Klimaschutzkonferenz, die vom 30. November bis 12. Dezember in der französischen Hauptstadt stattfand und als Wiedereinstieg in eine echte internationale Klimaschutzpolitik gilt. Und eben jener Artikel drei gilt als Sensation, wird mit ihm doch der Abschied von Öl, Gas und Kohle vereinbart und eine Wirtschaft frei von kohlenstoffhaltigen Abgasen angepeilt.

Dieses Vorhaben soll nun auf den Landkreis München heruntergebrochen werden. Im Landkreis München gibt es derzeit etwa 26 000 registrierte Unternehmen - etwa zwei Prozent davon beschäftigen mehr als 50 Mitarbeiter. Und auf die wollen sich die Klimapolitiker des Kreises gemeinsam mit Green City konzentrieren und gemeinsam mit diesen in Workshops lokale Möglichkeiten der Entkarbonisierung erarbeiten.

Ein Jugendkongress soll Handlungsempfehlungen formulieren

Ohnehin soll der Prozess der kommenden Monate offen und transparent gestaltete werden. Am Samstag, 12. März, werden der Landkreis und Green City mit einer Auftaktveranstaltung in Haar über den weiteren Verlauf informieren - Bürger, Verbände und Initiativen sind eingeladen, sich mit Themen und Ideen einzubringen. Am Freitag und Samstag, 22. und 23. April, findet ein Jugendkongress statt, bei dem 200 junge Landkreisbewohner im Alter zwischen 12 und 18 Jahren sogenannte Handlungsempfehlungen formulieren sollen.

"Das ist auch die wichtigste Zielgruppe", sagt der Grüne Büchler. "Diese Generation wird den Klimawandel weiter vorantreiben müssen." Eine Forderung hat Büchler aber selbst: Ohne Windkraft sei die neue Energievision im Kreis nicht zu realisieren. Die Standorte im Hofoldinger Forst und bei Garching müssten daher zwingend umgesetzt werden.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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