Einmal rund um München:Zwischen Baumarkt und Biotop

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In unserer Serie "Hart an der Grenze" erkunden SZ-Autoren den Verlauf der Münchner Stadtgrenze. In Folge 12 zeigt sich, dass sich östlich und nördlich von Germering noch immer landschaftlich reizvolle Ecken finden. Wer sie erkunden will, muss aber Autobahnen und Gleistrassen überwinden.

Von Ellen Draxel

Der Auftakt zur zwölften Etappe des Marsches um die Stadt beginnt ruhig und unspektakulär mitten im Wald, im Grenzgebiet zwischen München und Gräfelfing. Die Einmündung ist unscheinbar, Waldwege haben dort keine Namen. Dennoch scheint die Stelle die richtige zu sein. Drei junge Radfahrer kommen vorbei, eine rechte Hilfe sind aber auch sie nicht. "Geht es hier nach Freiham?" Umständlich werden erst Kopfhörer aus der Ohrmuschel gepult, dann beratschlagen die drei Jungen. Sie kommen gerade von der Würm. "Da" - einer zeigt nach vorn - "da geht's zum Hornbach."

Von Autos befahrene Asphaltbänder durchziehen die idyllische Natur

Die Richtung stimmt, also voran gen Baumarkt. Das Gut Freiham, klassisches Referenzobjekt des Viertels entlang der Stadtgrenze, den drei Jugendlichen aber offenbar kein Begriff, blitzt jetzt am Waldrand als Orientierungspunkt auf. Der Weg führt über die Autobahnbrücke und dann auf einem schmalen Pfad oberhalb des brausenden Verkehrs durch blühende Wiesen. Die nächste Biegung leitet den Wanderer rechts zum Gut, doch das ist eindeutig die falsche Richtung. Denn auf der Stadtgrenze exakt entlang ginge es nach links, eigentlich wäre es das schon südlich des Autobahnkreuzes Südwest gegangen, am Gut Streiflach vorbei, und anschließend scharf nach Norden. Aber lässt sich dort, im Niemandsland, auch die Autobahn kreuzen, über- oder unterqueren? Von hier aus ist das nicht zu beantworten.

Den Kontrast zum Autobahnkreuz Südwest...

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(Foto: Catherina Hess)

...bilden beispielsweise Flora und Fauna am Moosschwaiger Weiher.

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(Foto: Catherina Hess)

Sichtschutz: Verborgen vor den Blicken der Germeringer entsteht östlich des Kiesbergs Münchens größtes Neubaugebiet Freiham.

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(Foto: Catherina Hess)

Hinter dem Kiesberg liegt das Gut Freiham.

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(Foto: Catherina Hess)

Am Ende dieser Zufahrt liegt das Gut Moosschwaige

Besser also noch ein Stück weit den Wegen folgen. Denn was die kommenden Stunden dieses Laufes dominiert, ist vor allem ein Kampf mit den breiten, von Autos befahrenen Asphaltbändern, die hier im Münchner Südwesten die oft idyllische Natur durchziehen. Das Autobahndreieck München-Südwest, komplett innerhalb der Stadt gelegen, be- und verhindert ein Balancieren exakt auf der Grenzmarkierung. Wer vorwärtskommen will, muss die knappen Querungs-Optionen beachten. Und natürlich die Sehenswürdigkeiten links und rechts der Strecke.

Also doch durch die Allee zum Gut Freiham einbiegen. Es liegt zwar deutlich zu weit östlich, aber sehr viel Zivilisation auf Münchner Grund wartet nicht auf dem Streckenabschnitt bis Puchheim. Dass auf dem Gutsgelände zurzeit Sanierung angesagt ist, lässt sich nicht verhehlen; vieles ist schon abgesperrt. Gleichwohl herrscht an diesem Tag im barocken Schloss, das einer Kosmetikfirma gehört und bereits renoviert ist, ordentlich Betrieb. Das "Forever Castle Camp" hat dort Unterschlupf gefunden, ein viertägiges, kostenpflichtiges Event mit Lagerfeuer und Animation. Geschlossene Gesellschaft. Zurück nach Westen, wieder auf die Stadtgrenze zu, könnte man nun das Gut Streiflach anlaufen. Eine schnurgerade, geschotterte Allee führt genau dorthin, zu dem ein wenig versteckt liegenden Gebäude, auf das hin und wieder Schilder mit der Aufschrift "Gnadenhof" hinweisen. Auch dieses Gut zeigt sich abgeschottet. Das Tor ist geschlossen, wildes Gekläffe empfängt den unangemeldeten Gast. Ein Willkommen sieht anders aus, allerdings war der "Tag der offenen Tür" auf Gut Streiflach schon im Mai. Und die Tiere, die dort laufen, liegen oder grasen, haben ihre Ruhe sicher verdient.

Grenznah betrachtet
:Drei Güter, eine Etappe

Die Strecke führt an drei interessanten Anwesen entlang: Gut Freiham, Gut Streiflach sowie Schlossgut Moosschwaige.

Von Ellen Draxel

Weiter also, auf typischer Radfahrer-Piste gen Germering. Tote Gleise liegen am Ende der Schotterstrecke im Boden, ein wenig überwuchert. Hier, an der Maffeistraße, beginnt der 37 000-Einwohner-Ort, dessen Stadtteile Harthaus und Neugermering längst bis an Münchens Stadtgrenze gebaut sind. Links Siedleridyll, am rechten Straßenrand Wohnmobile, deren Reifen mit Stoff oder Karton gegen die Sonne abgeschirmt sind. Und dahinter viel freies Feld vor einem riesigen Kieshaufen, der das derzeit größte Münchner Neubaugebiet Freiham eher unabsichtlich gegen neugierige Blicke aus der westlichen Nachbarschaft abschirmt.

Das Durchschreiten der S-Bahn-Unterführung Harthaus, kurz darauf das Queren der Landsberger Straße, die wenige Meter Richtung Osten zur Bodenseestraße wird - schon lässt sich der Ideallinie der Stadtgrenze gen Norden folgen. Gleich nach der Aral-Tankstelle führt ein Pfad weg von der Hauptverkehrsachse und mitten hinein ins Biotop. Diese Route dürfte so mancher Germeringer als Feierabend-Spazierstrecke nutzen.

Die Allee zum Gut Moosschwaige könnte Kulisse für ein Südstaaten-Epos sein

Weiter nördlich wird es einsamer. Nur ab und an gerät jetzt ein Auto ins Blickfeld. Je näher man der Moosschwaige kommt, desto idyllischer wird die Natur. Hier ein Greifvogel in der Luft, dort eine prächtig blühende Wiese, deren Blüten man nicht kennt, sieht man einmal von der Schafgarbe ab. Am Gut Moosschwaige ist erneut der Zugang versperrt. "Privatbesitz" ist am geschlossenen Tor vor der ebenso prächtigen wie unzugänglichen Allee zu lesen, die hervorragend als Kulisse für ein Südstaaten-Epos dienen könnte. Das feudale, schmiedeeiserne Tor ist zusätzlich durch ein giftgrünes Fahrradschloss mit orangeroter Schließe gesichert. Mit weiteren Informationen geizt der Eigentümer. Ein paar Schritte weiter weist ein kleines Schild auf Investitionen des Europäischen Landwirtschaftsfonds hin. Zufall vermutlich, dass gleich um die Ecke ein riesiger Misthaufen aufgestapelt ist.

Inzwischen sind nur noch Spaziergänger unterwegs. Die Wege sind schmal und bestenfalls gekiest. Die Stadtgrenze kragt dort ohne erkennbaren Verlauf nach Westen aus, der Wanderer kann sich lediglich ungefähr in nordöstlicher Richtung fortbewegen, will er die Route nicht verlassen. Am kleinen Gröbenbach, nach einem Baum-Tor mit Blick auf eine weite Lichtung, endet die zwölfte Etappe. Ein ausgezeichneter Platz für ein Picknick. Zurück in die Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln führt der Weg weiter nach Norden, die S-Bahn-Trasse entlang zum Bahnhof Puchheim.

Alle weiteren Folgen der Serie "Hart an der Grenze" finden Sie hier.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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