Trickbetrüger in der Corona-Krise:Selbstlose Helfer und fiese Trittbrettfahrer

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In Garching haben mehrere Vereine gemeinsam mit der Stadt einen kostenlosen Einkaufsservice für ältere Menschen organisiert. Doch offensichtlich versuchen Betrüger, dies für ihre Zwecke auszunutzen.

Von Gudrun Passarge

Welche Gefahr vom Coronavirus ausgeht, weiß inzwischen jedes Kind. Die Gesellschaft hat die eingeschränkte Bewegungsfreiheit akzeptiert und sich eingerichtet. Um älteren Menschen zu helfen, die sich besonders vor dem Virus schützen sollen, gibt es wohl in jeder Kommune inzwischen einen Einkaufsservice, organisiert von sozial denkenden Helfern.

Aber offensichtlich gibt es Trittbrettfahrer, welche die Notsituation von Senioren ausnutzen wollen. Die Stadt Garching warnt vor Trickbetrügern. "Das funktioniert ähnlich wie der Enkelbetrug", sagt Monika Marquardt von der Corona-Hotline der Stadt Garching. Sie rät den älteren Menschen: "Lassen Sie niemals jemand rein."

In Garching wurde das Hilfsangebot sehr zügig organisiert. Die Fußballer des VfR Garching wollten sich engagieren, andere wie die Burschen und der Deandlverein Hochbrück kamen dazu, die Stadt richtete eine telefonische Hotline ein. Als Freiwillige gesucht wurden, hat sich Monika Marquardt gleich gemeldet. Sie ist sonst als pädagogische Fachkraft im Kinderhort der Stadt beschäftigt, hat aber noch eine Zusatzausbildung als Fachfrau für Werbung und Kommunikation. Die Arbeit am Telefon liege ihr also, sagt sie. Sie nimmt die Anrufe entgegen, notiert, was die Senioren brauchen, Medikamente, Lebensmittel, Pflegemittel, und gibt die Liste an einen der gut 50 Helfer weiter. Die Übergabe findet ohne persönlichen Kontakt statt, die Waren würden vor der Tür abgelegt.

Angeblich hatte "eine Frau von der Stadt" angerufen

Sehr erstaunt war Marquardt, als zwei oder drei ältere Bürger sie anriefen und fragten, wann denn jetzt jemand komme. Marquardt hatte zuvor noch gar keinen Kontakt zu den Anrufern gehabt. "Ja, da hat doch aber eine Frau von der Stadt angerufen", hätten ihr die Leute erzählt. Marquardt hat sofort reagiert und die Anrufer aufgefordert, ja niemanden in die Wohnung zu lassen. Auch Florian Cygan vom VfR, der die Hilfe der Fußballer organisiert, sagt ganz deutlich: "Wir rufen niemanden an!" Die Initiative müsse immer von den Leuten kommen. Außerdem habe jeder Einkäufer ein Passwort, das müssten die Anrufer bei den Lieferanten erfragen. Die Stadt hat nach den Anrufen schnell mit einer Warnung in den Medien reagiert, um die Leute auf die Gefahr aufmerksam zu machen.

Der Einkaufsservice läuft seit dem 20. März und ist kostenlos, wie Christopher Redl, im Rathaus zuständig für Soziales, betont. Die Nutzer müssten nur ihre Einkäufe bezahlen und das Geld vor die Tür legen, aber erst, wenn sie den Anruf bekommen haben, dass der Helfer gleich da ist, "und nicht eine Viertelstunde früher".

Noch wüssten nicht alle Garchinger über dieses Angebot Bescheid, doch die, die es nutzten, seien "froh und dankbar", sagt Redl. Allerdings könnte die Nachfrage noch größer sein, sagt er. Helfer stünden jedenfalls genügend parat, Redl berichtet von einer Liste mit Menschen, die sich gerne engagieren wollen, die aber bisher noch nicht zum Einsatz kamen, weil die Nachfrage noch nicht so groß ist.

Ähnliches berichtet auch Nicola Gerhardt über den zweiten Corona-Helferkreis in Garching. Fast gleichzeitig mit der Stadt und den Vereinen haben die beiden Kirchen, St. Severin und die evangelische Laudategemeinde, einen ökumenischen Helferkreis eingerichtet, der außer dem seelsorgerischen Angebot auch Hilfe im Alltag vom Einkaufen bis zum Gassigehen mit dem Hund umfasst. Gerhardt, Vorsitzende des Pfarrgemeinderats von St. Severin, organisiert die Hilfe per WhatsApp. Die Helfer kenne sie alle persönlich, sagt Gerhardt. Außer dem Einkaufsservice gibt es auch gezielt das Angebot, sich am Telefon einfach nur mal zu unterhalten, für Leute, denen die Decke auf den Kopf fällt. Dazu hätten sich sofort Mitglieder aus der Pfarrei bereit erklärt, die selbst zur Risikogruppe gehörten und nicht mehr aus dem Haus kämen.

"Das ist eine Win-win-Situation", sagt Gerhardt, bedauert allerdings, dass bisher wenig Nachfrage bestehe und auch beim ehrenamtlichen Einkaufsservice gebe es noch Kapazitäten. Doch selbst das könne möglicherweise auch positiv gesehen werden, so Gerhardt, als "tolles Zeichen, dass die Nachbarschaft funktioniert" und viele Einkäufe einfach für ihre Nachbarn miterledigten.

Lunchboxen werden hin- und hergetragen

Andrea Sauer ist von Anfang an in diesem Corona-Helferkreis dabei. Die 53-Jährige, die sonst drei Tage die Woche im erzbischöflichen Ordinariat Freising arbeitet, hat ihr Büro jetzt zuhause. Einen Tag in der Woche hat sie eine feste Schicht übernommen. Sie hilft, Essen vom Garchinger Pflegeheim zum betreuten Wohnen im Königsgarten zu transportieren. Vor Corona-Zeiten durften die Leute vom Betreuten Wohnen in der Cafeteria des Pflegeheims mitessen, das ist jetzt nicht mehr möglich. Also werden jetzt Lunchboxen hin- und hergetragen. Jeden Tag übernehmen andere Helfer diese Schicht.

Sauer bekam dabei mit, dass es im Heim Engpässe bei Atemschutzmasken gab. Als Feuerwehrfrau nutzte sie ihre Kontakte und brachte schnell und unbürokratisch eine Tasche voll mit Masken. Einrichtungsleiterin Karen Reisinger war sehr froh darüber: "Wenn wir diese Spende nicht bekommen hätten, hätte ich nicht mehr ruhig schlafen können." Doch inzwischen habe sich die Lage entspannt. Das Programm der Verteilung über den Katastrophenschutz laufe gut, sagt Reisinger.

Der kostenlose Einkaufsservice in Garching ist Montag bis Freitag unter der Telefonnummer 089/ 32 08 94 60 und am Samstag unter 089/320 78 87 jeweils von 8.30-12.30 Uhr zu erreichen. Beim ökumenischen Helferkreis nimmt Nicola Gerhardt Gespräche unter der Nummer 0151/14102307 entgegen, das Pfarrbüro hat die Telefonnummer 089/326 74 20.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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