Kommunalwahl in Brunnthal:Alle gegen einen

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In der Gemeinde unterstützen SPD, Grüne und Wählergruppen den parteifreien Herausforderer des CSU-Bürgermeisters.

Von Bernhard Lohr

Der Politik entkommt Jürgen Gott derzeit nicht. Auch nicht im Wald, wenn er mit seinem Mischlingshund Lenz unterwegs ist. Der Anruf erreicht den Brunnthaler Bürgermeisterkandidaten im Hofoldinger Forst, wo er gleich erzählt, dass er an der Messstelle vorbeikam, an der ermittelt wird, ob der Wind über den Baumwipfeln für das Windrad reicht, das die Parteifreien Wähler (PWB) vehement ablehnen. Jürgen Gott ist von der PWB nominiert worden und redet gerne über das Windrad. Aber am Ende legt er sich nicht richtig fest. Denn er muss es vielen recht machen: Auch die Unabhängige Brunnthaler Wählergruppe (UBW), die SPD und sogar die Grünen unterstützen Gott, den Windkraftkritiker.

In Brunnthal wird kurz vor der Kommunalwahl nicht nur darüber hitzig diskutiert, welchen Beitrag die Gemeinde bei der Bewältigung des Klimawandels spielen soll. Ein großes Thema ist auch die Stärke der CSU und ihres Bürgermeisters Stefan Kern, die in den vergangenen sechs Jahren mit absoluter Mehrheit das Geschehen bestimmt haben. Die übrigen - also PWB, SPD, UBW und Grüne - unterstützen deshalb in einem im Landkreis einmaligen Bündnis den früheren Autohändler aus Hofolding in seinen Ambitionen.

Der gemeinsame Gegner soll selbst die sehr konservative PWB mit progressiven Klimaschützern zusammenschweißen. Kann das klappen? Man treffe sich regelmäßig, sagt Gott, und spreche über alles. "Das funktioniert wirklich gut." Man müsse nicht immer einer Meinung sein. Dennoch knirscht es: Eben erst nannte der Grünen-Landratskandidat Christoph Nadler den Wirbel wegen eines Windrads "peinlich".

Der seit 2002 amtierende Bürgermeister Kern bekommt deutlich zu spüren, dass in Brunnthal die Losung "Alle gegen einen" ausgerufen wurde. Es geht rau zu im Gemeinderat. Scharfe Kritiker wie Matthias Amtmann (UBW) und Siegfried Hauser von der PWB blasen zum Angriff. Kern geht es an die Nieren, wenn die anderen regelmäßig vorrechnen, wie teuer der Bau der Ortsmitte aus Gasthof, Hotel, Gewerberäumen und Wohnhaus die Gemeinde gekommen ist. Und dann wird diskutiert, warum er seinen Geburtstag im Trachtenheim feiert und nicht im gemeindlichen Wirtshaus. "Mit argumentativem Wahlkampf hat das nichts mehr zu tun", sagt Kern. Die anderen geben einer selbstherrlichen CSU die Schuld am vergifteten Klima.

Abgesehen von solchen Animositäten gibt es freilich Themen zuhauf am Ort, über die sich zu streiten lohnt. Stefan Kern hält ein Windrad, das Brunnthal anteilig in der Arbeitsgemeinschaft Hofoldinger Forst mit Sauerlach, Aying und Otterfing im Hofoldinger Forst errichten würde, für zumutbar und angesichts des Klimawandels für notwendig. Jürgen Gott erkennt den Klimawandel als Herausforderung an und redet doch dem Schutz des Forstes das Wort. Die Tiefengeothermie sei die bessere CO₂-freie Energiequelle in Brunnthal, sagt er.

Auch da muss er im Wald nicht lange nach Anknüpfungspunkten suchen. Beim Spaziergang mit seinem Hund Lenz stößt er alle 50 Meter, wie er sagt, auf Messstäbe im Boden, die wegen anstehender seismischer Untersuchungen installiert wurden. Das Geothermiekraftwerk der Stadtwerke München in Kirchstockach soll mit Hilfe einer weiteren Bohrung leistungsfähiger werden.

Bei diesem Thema finden in Brunnthal sogar alle zusammen, vor allem wenn es darum geht, auch Brunnthaler Ortsteile anzubinden. Die SPD sagt, Brunnthal dürfe nicht nur Energielieferant für München sein. Gott will dafür ringen, Fernwärme am Ort nutzen zu können. Und Kern sagt, er habe deswegen mit den Stadtwerken bereits Verhandlungen geführt.

Am Energie-Thema, das viele so umtreibt, hängt in Brunnthal tatsächlich vieles dran. Nach der Millionen-Investition in die Ortsmitte sucht die Gemeinde Geldquellen. Neue Gewerbegebiete sind im Gespräch. So geht es um eine Erweiterung des Gewerbegebiets Brunnthal-Nord Richtung Haidstraße, was Kern und Gott gleichermaßen begrüßen würden.

Und die Unternehmensgruppe Ganser erhält ähnlich zustimmende Signale für ihre Idee eines Energie- und Gewerbeparks auf der Kiesabbaufläche in Kirchstockach. Die Stichwörter: Wasserstoff und Brennstoffzelle. Bürgermeister Kern sieht für seine Gemeinde Chancen für die Zukunft, wenn sie es schaffe, im Verbund mit Taufkirchen und Ottobrunn im Umfeld des Ludwig-Bölkow-Campus Innovatives im Bereich Green-Tech aufzuziehen. Es gehe um hochwertige Arbeitsplätze, sagt Kern, und natürlich Gewerbesteuer.

(Foto: oh)

Für ein paar Millionen Euro gäbe es gute Verwendung. Die SPD beklagte soeben einen "Investitionsstau", weil beim seit Jahren vor allem vom TSV Brunnthal mit seinen boomenden Hallensport-Angeboten geforderten Bau einer Sporthalle nichts vorangeht. Bürgermeister Kern hält sich dagegen zugute, vieles schon geschafft zu haben, ob es der Dorfladen ist, die Nahversorgung in Hofolding, Ortsgestaltung in Faistenhaar und Seniorenbetreuung oder Kindertagesstätten. Und er will mit gerade mal 50 Jahren auch nach 18 Jahren im Amt natürlich weitermachen. Dass eine neue Allgemeinarzt-Praxis im Gemeindehaus eröffnen soll, schreibt er sich persönlich zu. Er sei in Vereinen fest verankert und aktiv, sagt er. Der perfekte Bürgermeister.

Jürgen Gott setzt dem die Sehnsucht nach einem anderen Politikstil entgegen. Er macht viele Hausbesuche, redet mit Leuten und kündigt an, politische Stammtische etablieren zu wollen. Alle sollten in Zukunft im Gemeinderat zusammenarbeiten, egal ob sie einer Meinung seien. Auch die CSU schließe er nicht aus.

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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