Hilfsaktion für die Ukraine:"Das war wie im Actionfilm"

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Udo Schmitt mit Klinikdirektor Mykhailo Hychka in Lwiw. (Foto: privat)

Udo Schmitt hat mit seinem Sohn auf eigene Faust Lebensmittel und Verbandsmaterial in ein Krankenhaus in der Ukraine gebracht. Im Interview erzählt der Brunnthaler von seinen Erlebnissen.

Interview von Angela Boschert, Brunnthal

Mit einem Transporter voller Hilfsmittel ist Udo Schmitt mit seinem Sohn Stefan vergangenen Mittwoch von Brunnthal aus nach Lwiw (Lemberg) in der Ukraine gefahren. Spontan, um schnell und gezielt zu helfen. Die SZ sprach mit dem 65 Jahre alten Immobilienkaufmann, der sich seit 45 Jahren bei der Wasserwacht engagiert und in vielen anderen Hilfsorganisationen aktiv ist.

SZ: Herr Schmitt, wie kam es zu Ihrer Aktion?

Udo Schmitt: Ich weiß aus Erfahrung, dass der Verwaltungsaufwand bei größeren Hilfsorganisationen viel Zeit frisst. Also habe ich mich schlau gemacht und konnte über die ukrainische griechisch-katholische Kirche München in Kontakt kommen zum Regionalkrankenhaus, also der Universitätsklinik in Lwiw. Es gelang uns, die von dort erwünschten Hilfsmittel mit privat gespendetem Geld günstig über eine Apotheke in München-Waldperlach zu besorgen. Der dortige Kindergarten "Arche Noah" hat uns noch Kleidung, Decken, Schuhe, Windeln und Babynahrung mitgegeben und die Unternehmensgruppe Staudinger hat einen Stromgenerator gestiftet.

Wie verlief die Fahrt?

Der befreundete Inhaber des Malerbetriebs Fatmir Sallahi aus Holzkirchen hat mir einen Transporter geliehen und gleich gesagt, er übernehme sämtliche Sprit- und Mautkosten. Mit nur zwei Tankstopps erreichten wir Mittwochnacht Jaroslaw in Polen. Zu spät, um noch bis Lemberg zu gelangen. Wir übernachteten und fuhren am nächsten Morgen die restlichen gut 120 Kilometer bis Lemberg, nun allerdings ein Stück weit zu dritt, denn wir nahmen eine Ukrainerin mit, die nicht zu Fuß über die Grenze gelangt wäre, um ihre Tochter nach Polen zu holen. Sie war mit einer englisch sprechenden Freundin direkt zu uns ans Auto gekommen. An den Straßensperren auf der sehr gut ausgebauten Hauptstraße in der Ukraine kamen wir problemlos vorwärts, aber wir haben gesehen, dass an jedem Abzweig alte Männer mit Schrotgewehren bewaffnet die Zufahrt zu ihren Dörfern mit Barrikaden versperrt haben. Schrotgewehre gegen russische Kalaschnikows, das muss man sich mal vorstellen.

Wurden Sie schon im Kreiskrankenhaus erwartet?

Ja, eine Mitarbeiterin der hiesigen ukrainischen Gemeinde hatte uns angekündigt. Zum Glück sprach die Assistentin des Klinikdirektors Mykhailo Hychka englisch und organisierte die Entladung des Transporters. Alle dort waren glücklich über die Lebensmittel, Infusionslösungen, Verbandsmaterial. Medikamententransporte sind nicht erlaubt. Es war schon 18 Uhr und sie überredeten uns, im Krankenhaus zu übernachten, weil die Rückfahrt erfahrungsgemäß deutlich länger an der Grenze dauern würde.

Kamen Sie mit Ärzten in Kontakt?

Abends haben wir uns lange mit einem Facharzt unterhalten, der schon viel in Europa gereist war. Er betonte, dass die Ukraine seine Heimat ist, er nicht flüchten werde und den Russen überlassen. Er werde in der schönen alten Stadt, in der das Leben bis zu unserer Heimfahrt verlief, als ob kein Krieg sei, bleiben. Auch viele junge Leute wollten in der Ukraine bleiben und ihr Land verteidigen.

Haben Sie Kampfhandlungen mitbekommen?

Um 3 Uhr nachts gab es einen Fliegeralarm, der war weit weg. Doch als wir nach dem Frühstück und einer Ehrung losfahren wollten, gab es erneut Alarm und der Klinikdirektor lotste uns eilends an Patienten und Personal vorbei in einen Luftschutzraum. Sein Gesichtsausdruck war zutiefst besorgt. Die 200 Jahre alten Gemäuer - ein richtig schöner Bau! - haben Mächtigkeit und zugleich Zerbrechlichkeit ausgestrahlt. Es war für meinen Sohn und mich ein bedrückendes Gefühl. Doch die Gastfreundschaft und Herzenswärme der Ukrainer ließ uns das vergessen.

Wie war die Rückfahrt?

Weil unser Navi nicht mehr funktionierte und der Verkehr am Freitagnachmittag in Lemberg schlimmer ist als in München, eskortierte uns ein Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene bis an den Stadtrand. Das war wie im Actionfilm. Über vier Stunden warteten wir an der Grenze zu Polen, was uns für eine Ausreise völlig unverständlich erscheint, doch nach weiteren 1100 Kilometern waren wir um halb fünf am Morgen wieder in Brunnthal.

Ihr Fazit? Wollen Sie noch einmal hinfahren?

Wenn möglich auf alle Fälle! Der Kontakt mit den Betroffenen im Kriegsgebiet war sehr anrührend. Mit dem Rest aus vorhandenen und bereits neuen Spendengeldern wollen wir erneut an die polnische Grenze fahren und dort unsere Hilfsgüter direkt an eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter der Klinik Lwiw übergeben. Die Ukrainer haben uns gewarnt, in der aktuellen Situation zu ihnen zu kommen: "Please do not come now. Come when we celebrate victory" - "Kommt zur Siegesfeier!".

Wer einen weiteren zielgerichteten Hilfstransport unterstützen will, kann sich bei Udo Schmitt unter den Telefonnummern 0172/841 77 18 oder oder 08102/65 55 melden.

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