Bildung:Lernen durch Helfen

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Neubiberger Schüler pflegen Brieffreundschaften mit Schülern der St. Sebastian School in Uganda. (Foto: oh)

Wenn Schulen sich für ärmere Länder engagieren, geht es ihnen vor allem um Nachhaltigkeit und Sozialkompetenz.

Von Bernhard Lohr

Johannes Hoffmeister war damals selbst ein junger Kerl. Er hatte mit 19 Jahren gerade das Abi in der Tasche, als er bei einem Hilfseinsatz der christlichen Organisation "Jugend mit einer Mission" auf den Philippinen war. Ein Erlebnis brannte sich ihm ins Gedächtnis ein: Er war in Davao-City, einer Millionenstadt auf der Insel Mindanao. Er feierte mit Freunden Weihnachten. Als er vor die Tür trat, um den Abfall rauszubringen, öffnete sich der Müllcontainer und ein Junge sprang heraus. Die Blicke der beiden begegneten sich. Sie schauten sich für einen Moment in die Augen. Seitdem ist Hoffmeister von der Idee getrieben, den Menschen auf den Philippinen zu helfen - und "das Leben anderer zu verändern", wie er sagt. Als Sport- und Religionslehrer am Gymnasium Höhenkirchen-Siegertsbrunn will der 33-Jährige das gemeinsam mit seinen Schüler tun.

Viele weiterführende Schulen im Landkreis begnügen sich nicht damit, die Schüler in Sport, Mathematik, Deutsch oder Englisch aufs Leben vorzubereiten. Es darf dort im Sinn eines umfassenden Bildungsverständnisses über den Religionsunterricht hinaus gerne um Werte gehen. Lehrer goutieren Sozialkompetenz und Einsatz für nachhaltiges Wirtschaften. Gymnasien, Real- und Mittelschulen bewerben sich um Siegel wie "Schule ohne Rassismus", "Internationale Agenda 21 Schulen" und "Umweltschulen". Noch relativ wenig beachtet ist, dass Lehrer und Schüler Begriffe wie "Globales Lernen" und "Interkulturelles Lernen" mit Inhalten füllen. Der Fokus liegt dann nicht mehr auf der Partnerschule in Frankreich oder England, sondern oft auf einem anderen Kontinent.

Die Schüler verfolgen den Geschichts-Unterricht. (Foto: oh)

Lehrer Hoffmeister hat am Freitagnachmittag seine Schüler vom Arbeitskreis Philippinen zusammengerufen. Es geht locker zu. Nach und nach kommen Niklas Gierling (8d), Zoe Ströhlein (10b) und Yann Wagner (Q11) in den Klassenraum. Es gilt, neue Projekte zu besprechen. Sie organisieren Spendenläufe, konzipieren Ausstellungen und irgendwann steht auch wieder ein Philippinen-Tag an der Schule an, mit typischem Essen und Kulturprogramm. Niklas schloss sich Hoffmeister an, nachdem dieser einen Vortrag über die Philippinen an der Schule gehalten hatte.

Seit vier Jahren ist er jetzt dabei. Er hat in der Zeit viel über die Armut auf den Philippinen und deren Hintergründe erfahren. Vor allem aber hat er einen "direkteren, persönlicheren" Zugang zu dem Thema gefunden, wie er sagt. "Ich möchte anderen helfen, aus dem Teufelskreis herauszufinden." Zoe spricht ähnlich. "Der Blick auf die Welt hat sich nicht direkt verändert", sagt sie, "aber man fühlt sich mehr involviert". Yann bringt seine Motivation, im AK mitzumachen, kurz auf den Punkt: "Da kann man Menschen helfen - warum nicht." So denken viele Schüler. Auch wenn es keine Noten gibt und der Abischnitt nicht gehoben wird.

Neubiberg strebt eine langfristige Partnerschaft an

Viele Schulen arbeiten wie das Gymnasium Höhenkirchen-Siegertsbrunn an einem sozialen Profil. Soeben erst herrschte am Gymnasium Oberhaching Ausnahmezustand, als wieder Afghanistantag war und samt einem Spendenlauf viele Projekte liefen, um Geld für ein Krankenhaus nahe Kabul zusammenzutragen. Die Schulen öffnen sich, seien es Projekte wie am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching zu Ruanda, am Pater-Rupert-Mayer Gymnasium in Pullach zu Argentinien oder am Ottobrunner Gymnasium zu Togo.

Lehrerin Hedwig Schöttler am Gymnasium Neubiberg hält Kontakt zur St. Sebastian Secondary School in dem kleinen Dorf Rakai im Südosten Ugandas, vier Autostunden von der Hauptstadt Kampala entfernt. Seit 2010 gibt es Hilfsprojekte, 2012 war sie selbst in dem afrikanischen Land. P-Seminare haben immer wieder Uganda und die Schule zum Thema. Ein Arbeitskreis "Wir helfen" kümmert sich darum, die Situation in Uganda zu verbessern, und Schülern das Schulgeld zu finanzieren oder Unterrichtsmaterialien anzuschaffen. Die Aufforstung eines Eukalyptuswaldes für Feuerholz wurde ermöglicht und der Bau eines Regenwasser-Sammeltanks. Eben erst wurde ein Schulsportplatz angelegt. Schöttler sieht das Ganze nicht als Einbahnstraße. Sie strebe einen "kulturellen Austausch" an, sagt sie, um ihren Schülern in Neubiberg "den Blick zu weiten". Viele seien mit großem Eifer dabei. Brieffreundschaften seien entstanden. Schöttler sagt, sie strebe eine langfristige Partnerschaft an.

Engagieren sich für Menschen auf den Philippinen: Lehrer Johannes Hoffmeister und seine Schüler Niklas, Zoe und Yann (von links). (Foto: Claus Schunk)

In Höhenkirchen-Siegertsbrunn sichert die Kontinuität der Verein "Dandelion Hands on Charity International", den Lehrer Hoffmeister gründete. Und er hilft, das Geld aus den Spendenläufen und anderen Hilfsaktionen an der Schule an die Bedürftigen zu bringen. 17 000 Euro kamen an seiner Schule allein vergangenes Jahr bei einem Spendenlauf zusammen. Der Verein hilft Menschen in einem Elendsviertel in Davao mit Mikrokrediten, sich eine Existenz aufzubauen. Hoffmeister hat in dem AK-Treffen seinen Laptop dabei, auf dem er Fotos von Familien gespeichert hat, die lachend vor einem kleinen Ladengeschäft stehen. Andere sitzen in einer Garküche, in einem Topf schmurgeln Bananen.

Auf einigen Fotos ist auch Hoffmeister selbst mit drauf. Er erzählt flott, wie scheu, aber auch dankbar die Menschen seien, berichtet von bürokratischen Hürden, die seine Hilfsprojekte überwinden müssen, spricht von notwendiger Transparenz und Offshore-Konten-Verdacht und im nächsten Moment von "Community Development" auf den Philippinen. Er glaubt an die Effizienz einer Hilfe zur Selbsthilfe. 108 Mikrokredite will er 2017 vergeben, und mit jeder so unterstützten Familie werde für fünf bis sieben Menschen das Leben verändert: "Ein Veränderungspotenzial von 500 Menschen", schwärmt Hoffmeister. Seine Schüler kennen all diese aber nur von Fotos. Sie waren noch nicht in Davao. Eine Partnerschaft mit gegenseitigen Besuchen gibt es nicht.

Haarer Schüler fahren im August nach Tansania

Das Erlebnis einer direkten Kontaktaufnahme mit Gleichaltrigen kennen dagegen Schüler des Unterschleißheimer Carl-Orff-Gymnasiums. Eine Gruppe aus dem Schultheaterkreis war im April erst in Südafrika, um mit Schülern der Eersterivier Secondary School ein Stück über Flüchtlinge und Fremdenfeindlichkeit einzustudieren, das im kommenden Jahr bei einem Gegenbesuch in Unterschleißheim aufgeführt werden soll. Ermöglicht wurde der bereits zweite Besuch mit Hilfe des Entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramm (Ensa) des Bundes. Das Ernst-Mach-Gymnasium in Haar steigt dort nun als zweites Gymnasium im Landkreis ein.

Seit Jahren pflegt Lehrer Edwin Busl Kontakte über den Arbeitskreis Eine Welt an der Jesuskirche zu zwei Secondary Schools in Ilembula. Das Gymnasium half beim Bau und bei der Ausstattung von Klassenräumen. Die Schulhäuser bekamen einen Stromanschluss, Sanitäranlagen und Schlafräume. Unter anderem gibt es Kontakt zu einer Aids-Selbsthilfegruppe. Wie sein Kollege Hoffmeister gründete Busl mit dem "SchuPa Tansania" einen Verein, um das Engagement zu professionalisieren. Nun fährt Busl dank finanzieller Hilfe aus Berlin mit vier Schülern im August für vier Wochen nach Ilembula. Ein Gegenbesuch folgt im September, um im Haarer Rathaus eine Partnerschaftsurkunde zu unterzeichnen. Busl will einen Schritt hin zu einer "echten Partnerschaft" gehen - ein kompliziertes Unterfangen angesichts der "Macht-Asymmetrie", wie Busl sagt. Wir meinten ja immer zu wissen, "wohin der Weg geht".

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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