Baierbrunn:Wohnungsbau im Landschaftsschutzgebiet

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Die Baierbrunner Grundschule liegt westlich des Landschaftsschutzgebiets. (Foto: Angelika Bardehle)

In einer Sondersitzung beschließt der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplanes für die Schulwiese und das Areal östlich der Hermann-Roth-Straße. Über die ökologische Dimension der Entscheidung wird kontrovers debattiert.

Von Udo Watter, Baierbrunn

Kurz vor neun am Donnerstagabend ist der kleine Vorraum des Sitzungssaales im Rathaus schon gut gefüllt. Etliche Baierbrunner Bürgerinnen und Bürger warten darauf, dass sich die Tür öffnet und sie zum öffentlichen Teil der Sondersitzung des Gemeinderats am späten Abend zugelassen werden. In Anlehnung an den Westernklassiker "Zwölf Uhr mittags" könnte man von High Noon um Neun reden.

Nun, scharf geschossen wurde höchstens verbal, oder besser gesagt: kontrovers debattiert. Am Ende war das Ergebnis ziemlich eindeutig. Mit 10 zu 4 Stimmen hat der Gemeinderat, der zuvor in einer nicht-öffentlichen Sitzung zusammensaß, einen Beschluss gefasst, der in ähnlicher Form vor zwei Wochen noch knapp abgelehnt worden war. Der Beschluss macht den Weg frei für die Aufstellung eines Bebauungsplanes für die Schulwiese respektive ein Wohngebiet östlich der Hermann-Roth-Straße.

Die Brisanz liegt darin, dass das Areal Landschaftsschutzgebiet ist und Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG) sowie die Verwaltung darauf drängten, einem beschleunigten Verfahren die Stimme zu geben, durch das man sich beim Festsetzen des Baugebiets nicht zu naturschutzrechtlichen Vorgaben (wie Ausgleichsflächen und Umweltverträglichkeitsprüfung) verpflichten muss. Eine Herausnahme des Gebiets aus dem Landschaftsschutzgebiet ist dafür erforderlich. Um die damit einhergehenden ökologischen Bedenken im Gremium zu entschärfen, wurde ein weiterer Beschlusspunkt gefasst: Der Gemeinderat legt Wert auf eine ökologisch-qualitativ hochwertige Planung und will sich dabei eng mit der Unteren Naturschutzbehörde abstimmen.

Werden Umwelt und Naturschutz zur Verhandlungsmasse?

Das besagte Areal, das in idyllischer Lage am Isarhochufer liegt - und auf dem gegenüber der auf westlicher Straßenseite liegenden Grundschule bisher Container für die Mittagsbetreuung stehen sowie die Kinder auf der Wiese spielen durften - gehört privaten Grundstückseignern. Mit diesen ist nun ein städtebaulicher Vertrag nötig. Erst dann ist die Realisierung eines Bebauungsplanverfahrens möglich, welches die Neuordnung der Grundstücke und die Überlassung der Gemeinbedarfsflächen für die Schule regelt.

In gemeindlichen Besitz würden dann rund 50 Prozent des mehr als 8000 Quadratmeter großen Geländes kommen: die Schulwiese, auf der eventuell noch Sport- und Spielanlagen entstehen könnten. Auf rund 20 Prozent der Fläche würde laut Ott eine Bebauung möglich sein, etwa 30 Prozent, vor allem der Bereich zur Hangkante hin, soll naturbelassen bleiben. Längerfristig ist auch eine Verbreiterung der Hermann-Roth-Straße ins Auge gefasst.

Ott, der mit dem Ergebnis sichtlich zufrieden war und zur Unterstützung seiner Position den Juristen Jürgen Busse, Rechtsberater der Gemeinde, eingeladen hatte, wehrte sich gegen die Kritik an seinem Vorgehen, das Thema so kurzfristig erneut aufs Tableau zu bringen: "Das ist nicht passiert, weil der Bürgermeister nicht mit einer demokratischen Niederlage umgehen kann." Vielmehr seien nach der vorherigen Sitzung einige Gemeinderäte auf ihn zugekommen, die wohl anders gestimmt hätten, wenn es das ein oder andere "Missverständnis" nicht gegeben hätte - etwa was den großen Planungsumgriff und seine Auslegung betraf. Dadurch, dass sich die Gesetzeslage im Januar 2023 ändert, war aus Sicht Otts die neuerliche Befassung noch vor Jahresende nötig, und wie es hieß: auf Wunsch aus dem Gemeinderat.

Ott betonte: "Mit dem Aufstellungsbeschluss wird noch kein Quadratmeter an Baurecht geschaffen." Die letzte Entscheidungsinstanz sei der Gemeinderat. Weiterer Vorteil aus seiner Sicht: das schnellere Verfahren nach Paragraph 13b des Baugesetzes. "Wir haben dann eine überschaubaren Zeithorizont, bis Ende 2024. Das ist der Charme dieses Verfahrens", sagte auch Christian Kaldenbach (ÜWG). "Wir eröffnen damit ja nur einen Prozess. Und unsere Kinder kriegen eine Schulwiese", sagt Tanja König (Grüne). Und fügte seufzend hinzu: "Es ist so viel abzuwägen."

Das Unbehagen, Bauland im Landschaftsschutzgebiet zu schaffen respektive als Folge des Beschlusses das Areal herauszunehmen aus den mit dem Schutzstatus verbundenen Vorgaben, bewegte nicht nur sie. Ihr Parteikollege Peter Tilmann, der diesmal für den Beschlussvorschlag stimmte, hatte sich diese Entscheidung sichtlich nicht leicht gemacht: "Wir kaufen die Schulwiese sehr teuer. Ist der Preis zu teuer?" fragte er. Ursula Kuhn (Grüne) meinte: "Wir hätten schon gerne Ausgleichsflächen gehabt." Einen Zeitdruck nehme sie nicht wahr, für den angemahnten Wohnbedarf sehe sie andere, geeignetere Flächen im Gemeindegebiet. Auch hätte sie sich die vorherige Einbindung von Umweltexperten, dem Bund Naturschutz oder der Schulfamilie gewünscht.

Christine Kammermeier (SPD), die wie Kuhn, Robert Gerb (Grüne) und Birgid Ley (ÜWG) gegen den Beschluss stimmte, verlieh ihrer Kritik ebenfalls Ausdruck: "Das ist dort ein sensibler Bereich. Mir geht es vor allem um den Umgriff, der zu groß ist. Wir müssen doch die Öffentlichkeit mitnehmen." In der Tat zeigten sich etliche der Sitzungsbesucher hinterher nicht gerade angetan vom Ergebnis des Abends. "Natur und Umweltschutz werden zur Verhandlungsmasse", kritisierte Stefan Zenz, Vorsitzender der Ortsgruppe des Bundes Naturschutz, vor allem mit Blick auf manche Aussagen Otts. "Wir hätten uns das gängige, normale Verfahren gewünscht. Das Gebiet hat ja nicht umsonst Schutzstatus. Das ist jetzt ein Kipppunkt."

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