Hilfe in Notlagen:Wenn die Baustellen zu viel werden

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Auch im so reichen Landkreis München sind zahlreiche Menschen von Obdachlosigkeit bedroht. Die Awo versucht, dem entgegen zu steuern. (Foto: Catherina Hess)

Jobverlust, Überschuldung, Obdachlosigkeit - die Arbeiterwohlfahrt hat ihre Angebote zusammengelegt und verzeichnet damit Erfolg.

Von Lars Brunckhorst, Landkreis München

Es ist eine erschreckende Zahl: Mehr als 3000 Menschen im Landkreis München drohte im vergangenen Jahr durch den Verlust ihrer Wohnung die Obdachlosigkeit - das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Gemeinden wie Baierbrunn und Straßlach-Dingharting. Exakt 3101 Klienten, unter ihnen 448 Kinder, zählte die Arbeiterwohlfahrt (Awo) München-Land in ihrer Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit, wie der aktuelle Jahresbericht belegt. Und das unter durch Corona erschwerten Bedingungen.

Der Verlust der Wohnung und die Obdachlosigkeit sind dabei meist nur die Spitze eines Berges an Problemen, den die Betroffenen angehäuft haben. "Wohnungslosigkeit ist das eine", sagt Stefan Wallner von der Awo. In der Regel ist der Verlust der Wohnung Endpunkt einer Entwicklung mit vielen Aspekten. Die Gründe dafür, dass es so weit gekommen ist, sind weitreichend: Ärger im Beruf bis hin zur Kündigung, gesundheitliche oder psychische Probleme, Schulden. Wallner formuliert es aus seiner Erfahrung heraus gerne so: "Meist haben Wohnungslose in ihrem Leben eine ganze Menge Baustellen. Der Wohnungsverlust ist nur eine davon."

Aus dieser Erkenntnis hat der Awo-Kreisverband Konsequenzen gezogen und sein Angebot ausgeweitet: Seit Anfang 2021 bündelt er Hilfeleistungen unter dem organisatorischen Dach des Sozialservice (SOS). Neben der Wohnungsnotfallhilfe und dem Betreuungsverein gehört dazu auch die Schuldner- und Insolvenzberatung. "Mit der neuen Organisationsstruktur wollen wir die Hilfeleistungen für unsere Klienten noch schneller und effizienter gestalten", sagt Michael Germayer, Vorstand des Awo-Kreisverbandes München-Land.

Immer häufiger sei festzustellen, dass Hilfesuchende auf dem Weg durch den "bürokratischen Dschungel" die Orientierung verlieren oder aufgeben, sagt SOS-Leiterin Stefanie Sonntag. Die Bündelung von Wohnungsnotfallhilfe, Schuldner- und Insolvenzberatung sowie Betreuungsverein verkürze die Wege zur effektiven Hilfe. Damit die Hilfesuchenden eine Lösung für das Problem finden, ist in den meisten Fällen ein engmaschiges Hilfsprogramm erforderlich. So eng, wie die Büros in der Geschäftsstelle in der Balanstraße nach dem Umzug zu Jahresbeginn zusammenliegen, so eng ist auch der Austausch der Abteilungen auf der Suche nach Lösungen. "Das spart Zeit und ist eindeutig ein Mehrgewinn für die Bürger im Landkreis München", sagt Stefanie Sonntag. Insgesamt wurden im vergangenem Jahr 311 Klientinnen persönlich beraten, 298 umfassend telefonisch. Ziel ist, dass die Ratsuchenden wieder auf eigenen Beinen stehen und ihr Leben in die eigene Hand nehmen können.

Vorstand Michael Germayer plant schon weiter. Er denkt an einen weiteren Ausbau des Sozialservice zum Beispiel in Hinblick auf Suchtberatung oder Bereitstellung von Beschäftigungsverhältnissen für Langzeitarbeitslose. Enge Kooperation besteht ebenfalls mit der Awo-Flüchtlings- und Migrationsberatung.

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