Gerichtsverhandlung:Silberschatz unbekannter Herkunft

Lesezeit: 3 min

Im Auktionshaus Hermann Historica werden regelmäßig alte Schätze versteigert. (Foto: Claus Schunk)

Ein österreichischer Historiker steht vor Gericht, weil er illegal eingeführte antike Stücke aus der Ukraine bei einem Grasbrunner Auktionshaus angeboten haben soll. Doch er wird freigesprochen - weil es viele Ungereimtheiten gibt.

Von Jennifer Bergmann, Grasbrunn

Raubgräber, antikes Silber, das aus der Ukraine nach Deutschland geschmuggelt worden sein soll: Der Fall, der am Dienstagvormittag zum wiederholten Mal vor dem Münchner Amtsgericht verhandelt wurde, könnte Stoff für einen Krimi sein - wenn er sich denn so zugetragen hätte, wie in der Anklageschrift behauptet. Doch der österreichische Historiker, dem eine Straftat nach dem Kulturgutschutzgesetz zur Last gelegt worden war, wurde freigesprochen, weil es darin zahlreiche Ungereimtheiten gab.

Bei dem angeblichen Diebesgut, das die Aufmerksamkeit ukrainischer und deutscher Behörden erregt hat, handelt es sich um ein Viertelstück eines Silbertellers mit Reliefschmuck und Inschrift sowie eine halbierte ovale Silberplatte. Laut Anklage soll der österreichische Historiker gewusst haben, dass die beiden Stücke zwischen 2016 und 2017 bei einer Raubgrabung in der Nähe von Ternopil in der Ukraine entwendet wurden.

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Kurz vor einer Versteigerung des in Grasbrunn ansässigen Auktionshauses Hermann Historica soll der österreichische Historiker diese Gegenstände im Februar 2020 persönlich abgeliefert haben. Tatsächlich gibt es jedoch keine Belege für eine Übergabe zu diesem Zeitpunkt. Auch ein Zeuge, der zu dieser Zeit jedoch selbst nur sporadisch in dem Auktionshaus gearbeitet hat und von einem Kollegen vertreten wurde, kann vor Gericht weder bestätigen noch widerlegen, dass die Silberware im Februar 2020 dort eingegangen ist.

Da der Beschuldigte schon seit Jahren in Verbindung mit dem Auktionshaus stehe und auch bereits kistenweise Gegenstände dort abgegeben habe, könne es ebenso gut sein, dass auch der Silberteller und die Silberplatte bereits seit längerer Zeit dort verwahrt und erst vor drei Jahren beschrieben wurden, sagt der Zeuge. Genehmigungen zur Ausfuhr aus Österreich habe es bis dahin immer gegeben. Der Angeklagte gibt an, vor 15 Jahren etwa hundert Gegenstände an das Auktionshaus geliefert zu haben. Die Silberware habe er in Stuttgart gekauft. Für beides gibt es keinen Beleg.

"Die Sachen stammen nicht aus der Ukraine", sagt der Angeklagte

"Die Sachen stammen nicht aus der Ukraine", sagt der 1951 geborene Historiker. Ein derartiger "römischer" Schatz sei fiktiv, frei erfunden, solche Funde gebe es in der Ukraine nicht. Er habe vermutet, dass es sich womöglich um einen Barbarenschatz aus dem Mittelrhein handeln könnte, doch das sei nur eine Mutmaßung, die ebenfalls nicht belegt werden kann. Ein anwesender Sachverständiger kann die Zweifel an der Herkunft ebenfalls nicht ausräumen, eine Bestätigung des Fundorts sei nicht möglich.

Aber wie gelangte dann 2019 ein Bild der Gegenstände auf die Website "Violity", wo sie für 300 000 ukrainische Hrywnja bei einer Online-Auktion angeboten wurden, wenn sie nicht aus der Ukraine kommen? Es war der Vorfall, der die Ermittlungen ins Rollen brachte. Der dortige Einlieferer soll die Ware nämlich kurz darauf wieder aus der Auktion genommen und für 6000 Euro an einen Mittelsmann verkauft haben, der dann Kontakt zum Beschuldigten aufgenommen haben soll, so die Anklage.

Der mutmaßliche Schmuggler, gegen den ein Strafverfahren in der Ukraine läuft, ist ebenfalls als Zeuge geladen. Er soll die Ware im Zug aus der Ukraine über Ungarn nach Österreich gebracht haben. Er behauptet, bei all den Grenzkontrollen sei ein derartiger Schmuggel überhaupt nicht möglich. Zwar habe er den genannten Einlieferer für eine Übergabe von Kunstgegenständen in der Ukraine getroffen, dabei habe es sich jedoch um einen Kupferteller und einen Kerzenleuchter gehandelt. Einen Silberteller und eine Silberplatte habe er nie gesehen. Auch Aufzeichnungen aus einem Messengerdienst geben auf eine Übergabe dieser Ware keine Hinweise.

Der für den Fall zuständige Sachbearbeiter der Polizei kann in seiner Zeugenaussage ebenso keine weiteren Beweise liefern. Er erwähnt Aufzeichnungen von einem Telefongespräch zwischen dem mutmaßlichen Schmuggler und dem Angeklagten. Derartige Aufzeichnungen liegen dem Gericht jedoch nicht vor. Auch gebe es keinen Beleg, dass die Gegenstände jemals bei "Violity" eingegangen sind. Es gibt lediglich besagtes Bild. Von dem glaubt der Angeklagte, dass es über Dritte auf die Internetseite gelangt sei. Er habe es selbst aufgenommen, aber lange vor dem angeblichen Schmuggel. Zu sehen sind darauf auch andere Gegenstände, die er zu verschiedenen Zeitpunkten von verschiedenen Händlern erworben haben will, die dies beweisen sollen.

Letztendlich überzeugt die Staatsanwaltschaft die Aussage des Zeugen aus dem Auktionshaus davon, dass sich die Tat nicht wie beschrieben ereignet haben kann. Zumal die Herkunft nicht festgestellt und der angebliche Kauf der Silberware in Stuttgart nicht widerlegt werden kann. Da es keine hinreichenden Tatnachweise gibt, wird der Angeklagte freigesprochen.

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