Versteigerungen:Geschäft mit Nazi-Devotionalien geht weiter

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In dem Münchner Auktionshaus "Hermann Historica" in Grasbrunn kamen zahlreiche Nazi-Devotionalien unter den Hammer. (Foto: dpa)

Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche bietet ein Auktionshaus Nazi-Gegenstände zum Kauf an - die Versteigerung findet dieses Mal ausschließlich im Internet statt.

Von Martin Bernstein, München

Erneut sind im Grasbrunner Auktionshaus "Hermann Historica" NS-Erinnerungsstücke unter den Hammer gekommen. Die Auktion vom Sonntagabend fand jedoch, anders als eine im Voraus äußerst umstrittene Versteigerung vom Mittwoch, ausschließlich schriftlich sowie im Internet statt. Insgesamt 771 Lose wurden feilgeboten, vor allem Unterschriften und Briefe von Nazi-Anführern sowie Orden.

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Darunter war ein Brief des SS-Obergruppenführers Karl Wolff. Über den Inhalt des Schriftstücks gab das öffentlich einsehbare Angebot keine Auskunft, der war offenbar weniger wichtig als die Tatsache, dass das Schreiben des SS-Mannes "eigenhändig signiert" war. Wolf hatte 1942 Züge in die Vernichtungslager organisiert, als bei der Liquidierung des Warschauer Ghettos Kapazitätsengpässe auftraten.

"Mit besonderer Freude habe ich (...) zur Kenntnis genommen, daß nun schon seit 14 Tagen täglich ein Zug mit Angehörigen des auserwählten Volkes nach Treblinka fährt", schrieb Wolff damals in einem anderen Brief. 1964 wurde er vom Landgericht München II wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen zu 15 Jahren Haft verurteilt. 400 Euro war einem Bieter am Sonntag Wolffs Handschrift wert.

Ein Ärmelband der pro-nationalsozialistischen slowakischen Hlinka-Garden ging für 350 Euro weg. Die 1944 in die SS eingegliederte Organisation war 1942 an der Deportation slowakischer Juden ins Konzentrationslager Auschwitz sowie an antisemitischen Übergriffen und Massakern beteiligt. Ebenfalls für 350 Euro ersteigerte ein Interessent das Dienstbuch eines Angehörigen der Organisation Todt. Ausdrücklich im Angebot vermerkt, obwohl nur einer von vielen Einsatzorten des ehemaligen Besitzers: das Projekt mit dem Decknamen "Ringeltaube" - der Bunkerbau für die Produktion von Jagdflugzeugen im Dachauer KZ-Außenlager Kaufering, bei dem Zehntausende Häftlinge ermordet wurden.

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"Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlost. Es wird so getan, als ob mit ganz normalen historischen Kunstgegenständen gehandelt würde", hatte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bereits nach der Auktion vom Mittwoch erklärt. "Hier wird wieder einmal eine rote Linie überschritten." Dagegen behauptet das Auktionshaus in seiner Präsentation, "ein umfassendes Verständnis der Zeit ohne die eingehende Beschäftigung mit ihren Objekten und Dokumenten, mit ihren Akteuren, aktiv wie passiv, Opfern und Tätern" sei kaum möglich.

"Das Thema ist heikel", räumen aber auch die Grasbrunner Versteigerer ein. Klein forderte, dass der Verfassungsschutz solche Auktionen beobachten solle. Der Geheimdienst müsse wissen, wer derartige Gegenstände kaufe. "Es besteht die Gefahr, dass Nazi-Devotionalien zu Kult-Gegenständen werden", sagte der Beauftragte. "Daraus könnten schnell Wallfahrtsorte für Neonazis werden." Man könne derlei Versteigerungen zwar rechtlich nicht verbieten. "Aber sie sollten gesellschaftlich geächtet werden", so Klein.

© SZ vom 26.11.2019 / BM, EPD - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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