Art Basel:Und wo bleibt das Neue?

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Mit der Art Basel findet endlich wieder eine internationale Kunstmesse statt, und auch einige Münchner Galerien sind dabei. Doch nur eine nutzt die Chance, wirklich etwas radikal zeitgemäßes zu präsentieren.

Von Evelyn Vogel, Basel

Alles anders - alles beim Alten? Darüber gehen die Meinungen der Besucher auf der Art Basel auseinander. Die einen hatten sich von der ersten Ausgabe einer internationalen Messe nach der Coronapause mehr und anderes - vor allem zeitbezogenere Inhalte - versprochen und stöhnten enttäuscht auf: "Alles wie immer, immer das gleiche". Die anderen waren einfach froh, dass analog wieder eine Messe stattfand und freuten sich über jede noch so kleine Entdeckung. Insgesamt kann man sagen: Viele der Rahmenbedingungen waren auf jeden Fall anders.

Inhaltlich setzten viele Galerien vielleicht auch deshalb auf Sicherheit und Verkäuflichkeit, auch mit großen Namen. Doch eine Tendenz zu Glattem und Gefälligem ist der Art Basel 2021 nicht ganz abzusprechen. Und: Wer kaufen wollte, musste es sich auf jeden Fall etwas kosten lassen. Schließlich hatten die Sammler in den vergangenen eineinhalb Jahren viel Geld gespart und waren bereit, es auszugeben. So kalkulierten die Aussteller wohl nach dem Motto: "Wann, wenn nicht jetzt?"

Auch Münchner Galerien waren auf der Art Basel 2021 wieder vertreten. Allen voran und wie immer die Galerie Thomas, die ihren Schwerpunkt auf die Figur in der Kunst des 20. Jahrhunderts legte. Schon die Bronzeskulptur "Séraphin le Néophyte" von Max Ernst am Eingang war ein echter Eyecatcher und lockte viele Besucher in den Stand, wo Werke der Klassischen Moderne bis hin zur Kunst nach 1945 auf Käufer warteten. Und die waren auch schon kurz nach Eröffnung zahlreich vertreten.

Auch Rüdiger Schöttle und Knust Kunz Gallery Editions konnten sich über mangelndes Interesse nicht beklagen. Schöttle rückte einen riesigen 3D-Teppich von Goshka Macuga mit dem Titel "From Gondwana to Endangered, Who is the Devil Now?" in den Mittelpunkt. In dieser auch technisch beeindruckenden Arbeit thematisiert die polnisch-britische Konzeptkünstlerin in einer sehr eigenen Bildsprache den Klimawandel, besonders die daraus resultierenden Waldbrände in Kalifornien und Australien im vergangenen Jahr. Ernst zwar das Thema, aber ironisch gebrochen die Umsetzung. Auf jeden Fall ein Hingucker, für den eine 3D-Brille jedoch unerlässlich ist.

Bei Knust Kunz wird eine ganz neue Fotoarbeit von Rosemarie Trockel mit dem Titel "mémoires d'une mouche" angeboten, die neben ihrem Kalender-Portfolio zum gleichen Thema aus dem Jahr 1995 gezeigt wird. Herausragend aber hier die Lithografie von Marcel Dzama und Raymond Pettibon, "Untitled (Once begin with line ...)", eine echte Corona-Kooperation, bei der das Blatt zwischen den beiden Künstlern hin- und hergeschickt wurde und so förmlich im Auge der Pandemie entstand.

Die Weintrauben von Lüpertz sind zu einem guten Tropfen vergoren.

Bei Daniel Blau sind vor allem die Weintrauben von Markus Lüpertz zu erwähnen. Das Bild war 2005 schon einmal nach Basel gereist, trat aber wie der Galerist wieder den Heimweg nach München an. Allein: Es kam nie bei diesem an. 15 Jahre später tauchte es erst wieder auf: im Lager eines Münchner Möbelhändlers. Es wieder zu erlangen, war ein kleines Abenteuer. Eine echte Lost-and-Found-Geschichte, welche die eigentlich recht konventionellen Weintrauben, Jahrgang 1970, zu einem recht guten Tropfen haben heranreifen lassen.

Doch die spannendste Koje bespielt die seit knapp zwei Jahren auch in München vertretene Galerie Nagel Draxler aus Berlin und Köln. Der von Kenny Schachter kuratierte "Crypto Kiosk" ist NFT und NFT-verwandter digitaler Kunst gewidmet. Steht man vor oder in dem nach Schachtner benannten NFTism-Raum, entdeckt man zahlreiche unterschiedliche digitale Formate, die im Übrigen nicht nur in Dollar und Euro, sondern auch in der Kryptowährung ETH angeboten werden. Das Thema setzt sich teils im analogen Teil des Messestands mit analogen Umsetzungen der digitalen Inhalte fort. Ein Gesamtkunstwerk, das so zeitgenössisch wie wenig anderes auf der Art Basel ist.

Und noch ein Blick auf eine Side-Show: Vor zwei Jahren war die nicht von einer Messegesellschaft, sondern von zwei Galerien gegründete "June" an den Start gegangen. Auch sie hat - wie die "Liste" - in diesem Jahr Unterschlupf in den Messehallen gefunden. Dort ist erstmals der Münchner Galerist Jo van de Loo mit fotobasierten Werken von Jan Paul Evers vertreten. Zumeist sehr strenge Arbeiten in schwarz-weiß. Insgesamt kann die June aber wie die Liste und die Art selbst nur wenig Neues und Überraschendes bieten.

Art Basel , bis 26. September, www.artbasel.com/basel

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