Kritik:Kühne Klangabenteuer

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Eine Musica Viva im Herkulessaal mit Werken des Komponisten Helmut Lachenmann lässt staunen.

Von Harald Eggebrecht

Am Ende gab es aufgrund des herzlichen Beifalls für den anwesenden, knorrig-freundlichen Helmut Lachenmann und seine so geräuschreiche, mal wild herausfahrende, dann wieder lauernde, fast schleichende Musik sogar eine Zugabe: Noch einmal setzten sich die acht Hornisten des BR-Symphonieorchesters ins Rund vor dem Dirigentenpult und legten jenes furiose, rasante Solo hin, das im letzten Stück des Abends "My Melodies" für acht Hörner und Riesenorchester schon beim ersten Mal innerhalb dieses symphonisch vielfältigen, auch wüsten Treibens schieres Staunen ausgelöst hatte.

Für das Eindringen in Lachenmanns kühne Klangabenteuer war es gut, bei der Musica Viva ausschließlich Stücke von ihm aus verschiedenen Zeiten seines Schaffens zu hören. Es begann mit einem Duo für Gitarren von 1977 "Salut für Caudwell". Christopher Caudwell, der marxistisch orientierte englische Schriftsteller, fiel als Dreißigjähriger im Kampf gegen Francos Faschisten in Spanien. Lachenmanns Stück wirkt in seiner Radikalität, die Mittel der Gitarre ins Extreme zuzuspitzen, manchmal wie ein hocherregtes Schattentheater, bei dem auch Sätze von Caudwell zitiert werden. Mats Scheidegger und Stephan Schmidt boten diese heiße Flüstermusik bravourös.

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Nicht weniger eindringlich agierten Yuko Kakuta und Pierre-Laurent Aimard bei "Got Lost", Musik für hohen Sopran und Klavier von 2007/08. Wie anhand von Nietzsche- und Pessoa-Texten und einer Wäschekorbverlust-Annonce die Sängerin ins Singen, Schnalzen, Schnaufen, Backentrommeln und Trällern gerät, der Pianist seinen Flügel zupft, anschlägt oder mit Unterarmklustern traktiert, die Sängerin Echowirkungen erzielt mit Spitzentönen, ins Klavier gesungen, war im besten Sinne erheiternd und höchst kunstfertig.

Nach der Pause die Uraufführung der zweiten Fassung von "My Melodies". Das durchaus pompöse Stück hat schon in der ersten Version von 2018 Eindruck gemacht. Dirigent Matthias Hermann überzeugte nun mit Übersicht und Engagement ebenso wie das bestens aufgelegte Orchester bei dieser oft attackierenden, zupackenden Musik.

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