Der Kuchen wird neu verteilt - aber wer welches Stück wann abbekommt und wer seinen Teller leer abräumen muss, das entscheidet sich erst in den kommenden Jahren. So beschreibt Tim Guderjahn die neue Krankenhausreform, deren erste Grundzüge Bund und Länder am Montag beschlossen haben. Guderjahn ist kaufmännischer Geschäftsführer der München Klinik, einem kommunalen Krankenhausunternehmen mit fünf Standorten in der Stadt, darunter vier mit der höchsten Versorgungsstufe.
Als Arzt und Betriebswirt versteht er die Nöte seines Unternehmens in doppelter Weise: Man hat den Auftrag, die Patienten in München zu versorgen, egal ob das viel einbringt oder nicht. Aber man muss trotzdem schauen, dass sich das auch rechnet. Letzteres ist durch Corona-Pandemie, Inflation und Energiekrise immer schwieriger geworden. Für das laufende Jahr erwartet die München Klinik ein Rekord-Minus von 90 Millionen Euro. Aber auch schon vor der Pandemie schrieb das Unternehmen rote Zahlen, wie viele andere Krankenhäuser in Deutschland auch.
Eins der Probleme: Medizin als Daseinsvorsorge lohnt sich im System der Fallpauschalen einfach nicht. Deshalb begrüßt Guderjahn die neue Reform: "Es ist sehr wichtig, dass die Strukturen im Gesundheitswesen sich endlich verändern. Ein 'Weiter so' wäre fatal."
Aus Sicht der München Klinik ist besonders eine geplante Veränderung "sehr erfreulich": Künftig sollen die Fallpauschalen wegfallen, die Krankenhäuser pro Patient und Diagnose bekommen. Diese Art der Finanzierung soll durch Vorhaltebudgets ersetzt werden. Durch diese können Kliniken durchschnittlich 60 Prozent der Kosten ausgleichen, unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Behandlungen.
Für Guderjahn ist das der richtige Weg: "Das Vorhalten von Versorgungsstrukturen wird endlich belohnt. Denn die Fixkosten sind immer da. Ähnlich wie bei der Feuerwehr halten wir Platz, Personal und Technik vor, damit wir zu jedem Zeitpunkt unsere Patientinnen und Patienten versorgen können."
Perspektivisch werde diese Reform die München Klinik stärken, sagt Guderjahn
Jedoch stellt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) keinerlei Finanzspritzen für die vielen angeschlagenen Krankenhäuser in Aussicht. Alle großen, öffentlichen Krankenhäuser blickten nun auf angespannte Zeiten, so Guderjahn: "Es wird in Zukunft auch in München weniger Krankenhäuser geben." Und dadurch, dass einige kleinere Häuser auf dem Land schließen werden, würden die großen Zentren in München noch mehr Patienten aus den umliegenden Landkreisen bekommen.
Die Klinik-Landschaft werde sich jedoch nur langsam verändern, "ich denke, dass sich die ersten Effekte erst in fünf oder mehr Jahren abzeichnen werden." Maßgeblich für den Erfolg der Reform ist aus Guderjahns Sicht die Frage, ob die Fachkräfte diese Veränderungen mitgehen und etwa bereit sind, den Standort zu wechseln.
"Zusätzliche Zuschläge" sieht das Eckpunktepapier für Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung sowie Stroke Unit, also die Schlaganfall-Station, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin vor. Er verspreche sich viel davon, so Guderjahn: "Endlich traut sich mal jemand zuzugeben, dass da zurzeit noch eine Ungleichheit im System herrscht, die ausgeglichen werden muss."
Erhofft hatte sich Guderjahn, dass die Vergütung der Krankenhäuser zukünftig noch mehr "an medizinische Ergebnisqualität gekoppelt" wird. Das Papier sieht das aber nicht vor. Stattdessen müssen einheitliche Qualitätskriterien erfüllt werden, um das Vorhaltebudget zu bekommen. Also zum Beispiel wie viele Ärzte mit welcher Erfahrung durchgehend da sein müssen. Hier werde die München Klinik dank ihrer Größe keine Probleme haben, sagt Guderjahn. Perspektivisch werde diese Reform die München Klinik stärken. Wie genau und wie schnell das passiert? "Da sehe ich noch viele Fragezeichen."