Kritik:Klang denken

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Die Münchner Philharmoniker unter Krystof Urbański spielen in der Isarphilharmonie Mahler und Schostakowitsch.

Von Rita Argauer

Gemütlich ist es nicht bei den Münchner Philharmonikern unter Krystof Urbański in der Isarphilharmonie. Mahler und Schostakowitsch - zwei komplizierte Brocken. Auch wenn Mahlers vierte Symphonie von einer freundlichen Grundstimmung ist, die Musik verhindert trotzdem verlässlich, dass man zu tief einsinkt in die Gemütlichkeit. Urbański nimmt das gelassen und setzt auf gute Organisation. Kein Nachdruck für die einzelnen Stimmungen, er vertraut darauf, dass sie schon wirken, wenn sie erklingen.

Die Schellen im ersten Satz klirren also unheilvoll durch den Saal, die Streicher bleiben weich. Passiert so, lässt aufhorchen, aber peitscht nicht. Der gleiche Effekt beim ersten Hornsolo. Toll gespielt und mit unverhohlener Tragik klagend, aber ohne den Gesamtklang in den Abgrund zu ziehen. Diese Strategie des großen Nebeneinanders kulminiert in einem grandiosen Schlusssatz. Christiane Kargs wunderbar unaufdringlicher Sopran schmilzt ins Orchester hinein. Berührt trotz des Wechselspiels zwischen Glauben und Parodie.

Schostakowitschs Symphonie Nr. 6 als Gegenstück zu Mahler - das ist anschließend sehr schön geplant. Genauso zerrissen - und doch wirft Schostakowitsch durch seine musikalischen Brüche eher das Denken seiner Zuhörer an und weniger das Fühlen. All die rhythmische Energie läuft harmonisch ins Leere, bis auf die finale Offenbach-Parodie, die in ihrer Einfachheit dann nur noch zynisch wirkt. Die Philharmoniker spielen das grandios. Hauchdünn ist die musikalische Fläche im ersten Satz, die Bässe vibrieren fast tonlos, die Spannung reißt nie ab. Die Flöten sind extrem genau. Die Holzbläsergruppe greift swingend die Rhythmik auf. Alles ist spürbar, nichts überwältigt. Dieses Programm passt zur Zeit. Einfache Lösungen gibt es nicht. Es geht vielmehr darum, das Anspruchsvolle gut zu organisieren und nicht Einzelpositionen pathetisch zu forcieren. So wie Krystof Urbański und die Philharmoniker das mit Mahler und Schostakowitsch machen.

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