Pianistin Alice Sara Ott und Freunde im Konzert:Schubert mal anders

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Die in München geborene Pianistin, Illustratorin und Designerin Alice Sara Ott geht gern neue Wege in der Klassik. (Foto: Esther Haase/DG)

Konventionen in der Klassik durchbrechen: Pianistin Alice Sara Ott und Freunde zeigen im Herkulessaal, wie das geht.

Von Paul Schäufele

Viele der ausgiebig Klatschenden dürften den Satz aus Schuberts Lied "An die Musik" nach diesem Konzertnachmittag intensiv nachvollzogen haben: "Hast mich in eine beßre Welt entrückt!", heißt es dort. Denn ja, die Schubertiade, zu der die Pianistin Alice Sara Ott und Freunde in den Herkulessaal eingeladen haben, ist in ihrer Leichtigkeit, ihrer schwindelerregenden Musikalität und ihrer intelligenten Konzertdramaturgie ein kleines Wunder, ein siebzigminütiger Urlaub. Außerdem ein Geschenk an alle, die Konzertpausen ungefähr so gern haben wie Halsschmerzen im Frühling.

Denn in ihrer Hommage an die Hausmusiken der Biedermeierzeit, in denen Genres wild gemischt wurden, präsentieren Ott und ihre handverlesenen Mitstreiter Schuberts "Forellenquintett" zwar in Gänze, streuen zwischen die einzelnen Sätze jedoch Lieder ein. In den ersten Takten des Kopfsatzes ist dem Ensemble noch momentweise anzumerken, dass es nicht alle Tage in dieser Besetzung spielt. Doch schnell finden sich Streicherquartett und Pianistin in einen glitzernd fließenden Strom, der mit der Lockerheit des Spiels unter Freunden den Satz in lebendiger Bewegung hält.

Otts schwereloses Spiel gibt durch wohlgesetzte Akzente Impulse, die Reaktionen kommen prompt, sodass dieses Kammermusik-Stück als Lehrstück musikalischer Kommunikation gelten kann. Es sind Momente seltener Schönheit, wenn sich zu Beginn der Durchführung die Musizierenden quasi regungslos verhalten, um auf eine gemeinsame Bewegung hin umso energischer ins Forte zu springen. Oder wenn Nils Mönkemeyers warmer Bratschen-Ton und Thomas Reifs Geigenglanz sich im zweiten Satz in melancholischem Dialog aufs Schönste ergänzen. Wies de Boevé (Kontrabass) und Sebastian Klinger (Cello) grundieren dabei verlässlich, ohne dem Stück symphonische Schwere zu geben. Die Liedeinlagen fügen sich in diese Dialoge organisch ein.

Ausgesuchte Phrasierungskunst: der Bariton Benjamin Appl. (Foto: Uwe Arens and Sony Classical)

Benjamin Appls Interpretation von Schuberts "Wohin?", dem zweiten Lied aus "Die schöne Müllerin", in F-Dur gesungen, leitet nicht nur harmonisch zum Andante des Quintetts über. Appls flexibler Bariton, hier mit ausgesuchter Phrasierungskunst eingesetzt, passt sich klanglich in den Quintett-Zusammenhang ein, sei es mit Schubert, dem berückend schönen "Searching for Lambs" von Ralph Vaughan Williams oder einem wilden, mit extrovertiertem Jauchzer vorgetragenen "Since greybeards inform us". Die rasante Beethoven'sche Bearbeitung eines irischen Lieds bereitet vor auf das Finale des Schubert-Quintetts: von geschmackvoll zurückhaltenden Anfangstakten zum wilden Kehraus und Jubel für den geglückten Versuch einer Münchner Schubertiade.

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