Kritik:Herbstliche Nachtpracht

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Die Reihe "Jazz im Sommer" endet wetterbedingt kühl, die Pianistin Andrea Hermenau aber beschwört musikalisch den Süden.

Von Ralf Dombrowski, München

Der Blick auf das Regenradar machte Hoffnung. Kein nennenswerter Niederschlag bis um zehn Uhr abends, eine Option für Open Air. Das Finale von "Jazz im Sommer", einer vom Verein MucJazz und der JazzStiftung München organisierten Konzertreihe, konnte im Innenhof des Stadtmuseums zwar bei gefühlt arktischen Temperaturen, aber ohne Benieselung stattfinden. Publikum, Musikerinnen und Musiker hatte außerdem vorgesorgt. Das eine hatte Decken, Mützen, Schals im Gepäck, die anderen stecken in solider Herbstgarderobe, um wie die Pianistin Andrea Hermenau die "Nachtpracht" zu beschwören.

Musikalisch zog sie mit ihrem Quartett mehrfach in den Süden, nach Bosnien und Albanien, um von dort Lieder und Motive in ihre Musik zu integrieren. Die Faszination der ungeraden Takte und molltraurigen Melodien verwob sich mit ihrem kompositorischen Spaß, bei Stücken wie etwa "Time Between" die repetitiven Strukturen der Minimal Music in ein sich übereinander lagerndes Kraftmodell zu packen, das wiederum der Schlagzeuger Bastian Jütte mit rhythmisch energischen Schichtungen weiterführte. Sven Faller hielt sich am Bass solide sekundierend im Hintergrund, der Tenorsaxofonist Till Martin fand einen stimmigen Mittelweg zwischen Sangbarkeit und modernistischer Expression, eine geschmackvoll nachtprächtige Mischung, der lediglich ein wenig die organische Selbstverständlichkeit einer Working Band fehlte.

Und das traf auch auf Amuse zu, das Quintett von Karoline Weidt und Kilian Sladek, das den Abend eröffnete. Über ein Jahr hinweg viermal verschoben und nun endlich als Premiere auf der Bühne, stellten die beiden ihr Programm aus getragenem Gesang und vertonter Lyrik vor. Beide kammerjazzig im Ton mit Tendenz zu folkgeprägtem Songwriting, suchten sie von Klaviertrio begleitet ihren Weg in der Balance von klangethnischen Texturen und improvisierender Freiheit. Ein Vokal-Experiment im Workflow und als solches ein atmosphärischer Abschluss einer Reihe, die in viele Stilreviere ausschwärmte.

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