Kinderbetreuung:Eltern fürchten Versetzungswelle im Tagesheim im Arnulfpark

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Eltern, deren Kinder das Tagesheim an der Helmholtzstraße besuchen, klagen über ein "bürokratisches Kuddelmuddel". (Foto: Robert Haas)
  • Im Tagesheim im Arnulfpark ist die Quote der Kinder mit Migrationshintergrund auf 43 Prozent gesunken.
  • Die Erzieherinnen sollen deswegen weniger Gehalt bekommen.
  • Die Eltern fürchten nun, dass die Betreuerinnen in andere Einrichtungen gehen.

Von Stefan Mühleisen und Jakob Wetzel

Die Eltern sind voller Hoffnung. Gut ein Dutzend sind gekommen, sie alle haben ihre Kinder im Tagesheim der Grundschule an der Helmholtzstraße im Arnulfpark. Jetzt sitzen sie im Arcadensaal der BayernLB, wo der Bezirksausschuss der Maxvorstadt tagt. Erwartungsvoll schauen die Mütter und Väter auf die Lokalpolitiker, die blicken ratlos zurück. Von einer "unsinnigen Regel" sprechen sie kopfschüttelnd. Doch der BA-Vorsitzende Christian Krimpmann (CSU) muss sagen: "Wir sind leider nicht zuständig." Man müsse warten, bis die Stadt auf die Briefe der Eltern reagiert. Doch diese drängen. "Diesen Monat sind noch alle Erzieher da", sagt Petra Klein-Gunnewigk vom Elternbeirat des Tagesheims. "Aber lange werden sie nicht warten."

Denn das Tagesheim an der Helmholtzstraße, in dem derzeit 100 Kinder betreut werden, droht bald einen Großteil seiner Belegschaft zu verlieren. Bis zu fünf Erzieherinnen und Erzieher haben angekündigt, sich an eine andere Einrichtung versetzen zu lassen. Selbst wollen sie sich dazu nicht äußern, der Elternbeirat aber klagt, sie würden dazu genötigt.

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Andernfalls nämlich würde ihnen zum 1. Januar effektiv das Gehalt gekürzt: Weil der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund unter 50 Prozent gesunken ist, sollen sie zurückgestuft werden. Für eine Erzieherin gehe es um fast 400 Euro im Monat, sagt Elfriede Hagl vom Elternbeirat. Sie und die anderen Eltern sind entsetzt. Mit dem Wechsel verlören die Kinder ihre Vertrauens- und Bezugspersonen, sagt Hagl. Und angesichts des Erzieherinnenmangels werde es womöglich schwierig, die Stellen rasch nachzubesetzen.

In den vergangenen Wochen haben die Eltern deshalb nicht nur den Bezirksausschuss, sondern auch das Bildungsreferat und die Fraktionen im Stadtrat angeschrieben. Am Mittwoch haben die Grünen reagiert: Per Antrag fordern sie die Stadt auf, "schnell alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese Situation zu entschärfen". Es gehe darum, "eine chaotische Situation zu verhindern". Die Stadt dagegen sieht sich nur als ausführendes Organ: Sie verweist auf Landesgesetze und den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.

Und es gehe auch nicht um eine Gehaltskürzung, sagt das Bildungsreferat. Vielmehr falle eine bisherige Gehaltserhöhung weg. Bei einer "Migrationsquote" von mindestens 50 Prozent gelte die Arbeit in der Kita als "besonders schwierige fachliche Tätigkeit" - damit dürfe die Stadt mehr bezahlen. An der Helmholtzstraße erhielten Erzieherinnen demnach seit 2014 mehr Geld. Die Quote müsse aber regelmäßig überprüft werden. Und schon 2017 sei sie hier wieder unter 50 Prozent gesunken.

"Migrationsquote" von nur noch 43 Prozent

In solchen Fällen werde nicht sofort zurückgruppiert, sondern erst ein Jahr abgewartet, ob die Quote wieder steigt, erläutert das Bildungsreferat. Dabei sei das Tagesheim an der Helmholtzstraße kein Einzelfall: Insgesamt 17 Münchner Kitas befinden sich derzeit in einem solchen Übergangsjahr. Doch bei der jüngsten Überprüfung wurde an der Helmholtzstraße eine "Migrationsquote" von nur noch 43 Prozent festgestellt. Die Mitarbeiter hätten nun die Wahl: Sie könnten zu niedrigeren Bezügen bleiben oder sich eben versetzen lassen.

Bei den Eltern stößt das auf wenig Verständnis. Die Regel sei unlogisch und undurchsichtig, heißt es vom Elternbeirat. Elfriede Hagl spricht von einem "bürokratischen Kuddelmuddel, das so bestimmt keiner wollte". Denn wie viele Kinder Migrationshintergrund haben, hängt davon ab, wer zählt. Das für die Schulen zuständige Kultusministerium definiert ihn anders als das für Kitas zuständige Sozialministerium.

In Schulen gilt: Ein Kind hat Migrationshintergrund, wenn es im Ausland geboren ist, keine deutsche Staatsbürgerschaft hat oder in der Familie überwiegend eine Fremdsprache gesprochen wird. Im Tagesheim aber gelten die Vorgaben des bayerischen Kinderbildungsgesetzes: Demnach hat ein Kind nur dann Migrationshintergrund, wenn beide Eltern nicht deutschsprachiger Herkunft sind. Denn dann gebe es einen höheren Förderbedarf bei Spracherwerb und Sprachentwicklung.

Die Unterschiede zwischen beiden Zählweisen sind erheblich, auch an der Helmholtzstraße. An der dortigen Grundschule liegt die "Migrationsquote" bei 69 Prozent, im Tagesheim bei 43 Prozent. Würde dort aber die Zählweise der Schule angewandt, läge die Quote bei 67 Prozent - und damit deutlich über den 50 Prozent, die fürs höhere Gehalt nötig wären, rechnen die Eltern vor. Dann müssten die Erzieherinnen nicht zurückgestuft werden. Wegen der unterschiedlichen Zählweisen haben derzeit 24 Grundschulkinder vormittags in der Schule einen Migrationshintergrund, nachmittags im Tagesheim aber nicht mehr.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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