Spermium und Eizelle - die männliche und weibliche Keimzelle - sind die Kombination, aus der neues Leben entsteht. Beide scheinen symbolisch durch das Kostüm dargestellt, das Lou (Lucca Züchner) und Aude (Daniela Gancheva) tragen, während sie in minimalistischem Bühnenbild, zwischen Textprojektionen sexistischer Chatverläufe und ausgedienter Geschlechtervorstellungen, darüber streiten, diskutieren und verzweifeln, was passieren soll, wenn sich die befruchtete Eizelle nicht so entwickelt, wie sie sich entwickeln soll.
Denn Audes ungeborenes Kind hat Trisomie 21, das Down-Syndrom. Ihre selbstbewusst und ausdrucksstark dargestellte beste Freundin Lou - Feministin, Bloggerin und stolz auf Audes Karriere als Bauingenieurin - rät direkt zur Abtreibung: Ein beeinträchtigtes Kind verhindere die Selbstverwirklichung der Frau, die Unterstützung des Partners sei nicht garantiert, der Planet doch sowieso überbevölkert. Aude sieht das Kind stattdessen als Herausforderung, denen habe sie sich doch immer gern gestellt.
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Das 2017 uraufgeführte Stück "Keimzellen" der Kanadierin Rébecca Déraspe ist hochaktuell. Seit 2022 wird der Bluttest zur pränatalen Diagnose des Down-Syndroms in Deutschland von der Kasse bezahlt, immer mehr betroffene Föten werden abgetrieben. Die Inszenierung von Florentina Ileana Tautu zeigt ungeschönt, wie schwer es ist, die individuell "richtige" Entscheidung zu treffen.
Die scharfen Dialoge werden durch Tanzsequenzen und narrative Rückblenden aufgelockert. Letztere versuchen, den Figuren mehr Tiefe zu geben, verwirren aber, wenn Zürcher und Gancheva plötzlich auch die Nebenrollen verkörpern müssen. Am Ende schleicht sich Schuld in den Mittelpunkt und verdrängt die ursprüngliche ethische Diskussion, von der man sich eigentlich mehr gewünscht hätte.
"Keimzellen", 30. & 31. März, 23. & 24. Juni, 20 Uhr, Kulturbühne Spagat , Bauhausplatz 3