Preisverleihung:Effektvolle Dramaturgie und ekstatische Momente

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Die Gewinner des Jungen Münchner Jazzpreises 2021: Luca Zambito (l.), Moritz Stahl (2.v.l.), Nils Kugelmann (2.v.r.), Valentin Renner (rechts) in der Unterfahrt. (Foto: Ralf Dombrowski)

Der Junge Münchner Jazzpreis nimmt zu Recht eine herausragende Stellung ein. Beim diesjährigen Wettbewerb in der Unterfahrt gewinnt das Luca Zambito Quartett.

Von Ralf Dombrowski, München

Ein Wettbewerb wie der Junge Münchner Jazzpreis verhandelt nicht nur die Künstlerinnen und Künstler. Es geht ebenso um das Netzwerk einer kulturellen Nische, um Einbindungen in den ästhetischen Diskurs im Allgemeinen und die aktuellen gestalterischen Haltungen im Speziellen. Schließlich auch um die Wertschätzung durch Institutionen und die Gemeinschaft, die sich für ein Ereignis mobilisieren lässt. Schon aus dieser Perspektive hat der Junge Münchner Jazzpreis vieles richtig gemacht.

Er geht in die inzwischen neunte Runde und ist eine private Initiative. Ausgehend von dem zunächst vor allem für diesen Zweck gegründeten Verein "mucjazz" gesellen sich Jahr für Jahr neue Förderer und Mitstreiter zum Team, so dass sich auf dem Flyer der Veranstaltung neben dem eigenen Logo und dem Austragungsort Jazzclub Unterfahrt die Signets von der Kulturstiftung der Versicherungskammer, dem mitschneidenden Medienpartner BR Klassik und dem Schirmherrn und Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter versammeln. Der Preis ist anständig dotiert, was wiederum durch private Stiftungen und Vereinsmitglieder möglich wird, und das Finale wird nach der Juryauswahl ebenso professionell veranstaltet wie in die Netzwelt gestreamt. Das wiederum spricht sich unter den Musikerinnen und Musikern herum, sodass die Bands, die am Ende antreten dürfen, letztlich alle bereits preiswürdig, weil hervorragend sind.

Bemerkenswert ist außerdem, dass die unaufgeregte Art, mit der der Junge Münchner Jazzpreis sich etabliert hat, wenige Gruppen anzieht, die durch Hippness und Trendbewusstsein punkten wollen. Das Dresdener Quartett um die Sängerin Karoline Weidt zum Beispiel widmet sich einem behutsam, fragil und nachdenklich wirkenden Repertoire eigener Songs. Es nimmt, in Reaktion auf Isolationen der vergangenen Monate, Naturstimmungen auf, verkleidet sie mit kleinen, manchmal auch gepfiffenen Motiven, schwenkt dann weiter in ausgefeilt arrangierte Adaptionen - etwa einem Stück von Wayne Shorter - und landet schließlich bei einer kraftvoll groovenden Hommage an die launische Urbanität des Dresdener "Asi-Ecks", das im Stadtgefühl der Feiergemeinde dem Münchner Gärtnerplatz entsprechen dürfte. Weidts Stimme gibt dabei klar und oft wortlos phrasierend die Richtung vor, wird aber von einer Band getragen, die mit den dramaturgischen Feinheiten der Musik elegant umzugehen versteht.

Aus dem Nürnberger Raum gehört das Trio des Pianisten Lukas Langguth zum Finale, das, durchaus ähnlich wie im vergangenen Jahr Vincent Meissner, mit der ganzen Wucht eines rasant interagierenden Klangorganismus' auf die Bühne kommt. Man ahnt die stilistischen Vorväter von Vijay Iyer bis zum späten Brad Mehldau, aber nur noch als Impulsgeber, deren Ingredienzien zu eigenen Rezepten verkocht werden. Faszinierend ist neben Langguths postimpressionistisch geschmeidiger Geläufigkeit vor allem die impulsive Detailvielfalt des Schlagzeugers Jonas Sorgenfrei, der das Fummelige der aktuellen Lillinger-Schule selbstbewusst in einen klangvollen Beat zurückholt.

Das Rennen macht schließlich das Quartett um den Pianisten Luca Zambito, nicht weil es sich mit Saxofonist Moritz Stahl, Bassist Nils Kugelmann und Schlagzeuger Valentin Renner um eine Band aus Lokalmatadoren handelt, sondern aufgrund einer kollektiven Spielenergie, die die Moderne des Combo Jazz mit fröhlicher Selbstverständlichkeit in einem Set zusammenfasst. Da werden keine Mauern des Stilverständnisses niedergerissen, sondern Grundlagen auf den Punkt gebracht: die gemeinsame Gestaltungslust als Motor der Inspiration, der umsichtige und effektvolle Umgang mit der Dramaturgie bis hin in ekstatische Momente, die spürbare Freude an genau dieser Musik in just diesem Moment. Bei der Preisübergabe fällt dann der Begriff "Jazz Jazz" mit schelmenhaftem Augenzwinkern. Und er hat in diesem Fall nicht den Beigeschmack der Kunst für Insider, sondern ist als Prädikat gedacht. Auch das ist ein Diskurs, der beim Jungen Münchner Jazzpreis geführt wurde.

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