Jazz:Heimspiel und Favoritensieg

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Typische Handbewegung: Der extrovertierte, hoffnungsvolle Pianist Vincent Meissner. (Foto: Ralf Dombrowski/oh)

Nicht nur mit dem Gewinn des Jungen Münchner Jazzpreises ist das Vincent Meissner Trio im Aufwind.

Von Oliver Hochkeppel, München

Sie kommen aus Sachsen, trotzdem war es fast ein Heimspiel für das Vincent Meissner Trio am vergangenen Freitag in der Unterfahrt. Erst vor drei Wochen war man dort schon einmal aufgetreten, die drei stellten ihr Album "Bewegtes Feld" vor, das beim Münchner Act-Label erschienen ist. Schon deshalb war man zuletzt zumindest medial hier fast präsenter als Zuhause in Leipzig. Und weil die Jury des Jungen Münchner Jazzpreises sie blind aus 47 Bewerbern für das Finale herausgepickt hatte, durften sie nun also schon wieder in der Unterfahrt antreten, diesmal gegen beziehungsweise mit zwei anderen Bands. Und dies als Favorit gegen das Anton Mangold Quartett und das Linntett, das Sextett der Baritonsaxofonistin Kira Linn. Auch noch, nachdem sich Star-Pianist Michael Wollny wegen Befangenheit aus der Jury zurückgezogen hatte: Meissner ist an der Leipziger Felix Mendelssohn-Bartholdy Musikhochschule sein Student.

Den erwarteten Zieleinlauf gab es dann auch, in der obigen Reihenfolge. Alles glasklar also? So einfach ist die Sache nicht. Dafür waren - das liegt bei Jazz-Nachwuchswettbewerben im Trend - alle Beteiligten zu gut. Jede Band hatte ihre besonderen Qualitäten. Beim großartigen Saxofonisten Anton Mangold (umso unglaublicher, weil sein Hauptinstrument eigentlich die Harfe ist) waren es das Zwiegespräch mit den auffälligen, hellen Sounds von Zhihan Xus Gitarre, vor allem aber die bezwingenden Kompositionen, die spannende Geschichten erzählten und jedem Bandmitglied Platz zum solistischen Glänzen ließen. Folgerichtig ging der separat von Andreas Schiller gestiftete Kompositionspreis auch an Anton Mangold.

Mit dem Kompositions-Sonderpreis dekoriert: Saxofonist Anton Mangold. (Foto: Ralf Dombrowski/oh)

Wer mit klarer Rhythmik und Bigband-Sound sozialisiert ist, dem machte das Linntett mit Abstand am meisten Spaß . Auf den ersten Blick mochte dessen Konzept nicht so innovativ sein wie das der anderen, fußt es doch auf dem klassischen Jazz, auf swingboppendem Tempo, ellingtonesken Melismen und klar verteilten Rollen der Instrumente. Aber mit welcher Wucht, mit welchem melodischen Geschick, mit wie viel Humor und ironischer Brechung war das in Szene gesetzt! Allein die drei Saxofone (die auch mal zu Bassklarinette und Flöte mutierten) ließen so manchen Bigband-Bläsersatz alt aussehen. Inzwischen nach Basel und anderswohin verstreut, stammt die Band ursprünglich aus Nürnberg - Kira Linn selbst ist nach wie vor Mitglied in Peter Fuldas Metropol-Musik-Zirkel - und hat ausweislich der zwei bereits erschienenen Alben und dieses Auftritts einen großen Entwicklungssprung gemacht.

Es hätte also auch gute Gründe gegeben, eine dieser Bands zum Sieger zu küren. Falsch war die Entscheidung für das Vincent Meissner Trio natürlich trotzdem nicht. Weil Meissner am Flügel, Josef Zeimetz am Bass und Henri Reichmann am Schlagzeug, obwohl die jüngsten im Feld, als Band bereits am homogensten und reifsten wirkten (was freilich im Trio auch leichter ist als im Quartett oder Sextett); weil die Kompositionen den weitesten Improvisationsspielraum ließen und stets überraschend und Klischee-frei waren; und weil man das enorme Potential spürte, dass sich nach dem Ablegen mancher Manierismen noch entfalten wird. Einen berauschenden Abend ergab alles in jedem Fall. Und so war der eigentliche Sieger wieder einmal das Publikum.

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