Was sind die beiden Hauptbestandteile von Shakshuka? So viel verrät der Moderator der Quizkantine auf dem Sankt-Jakobs-Platz: Es ist etwas zu essen. Und "sehr lecker" - mit viel Knoblauch und Gewürzen. Des Rätsel Lösung: In eine richtig gute "Shakshuka", die es meist am Sonntag gibt, kommen Eier und Tomaten. Nächste Frage: Was gilt als jüdisches Penicillin? Es ist die Hühnersuppe. "Kranke bekommen sie mit Vorliebe", sagt der Mann am Mikrofon. Und weiter geht es mit der Raterei.
15 Jahre gibt es das Jüdische Zentrum am Sankt-Jakobs-Platz nun schon. Es gehört zum Leben mitten in der Stadt. Und weil es dazugehört, feiert die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) ein Sommerfest. Auch um das Festjahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" ausklingen zu lassen. Viele sind gekommen, prominente Gäste, Nachbarn, Touristen. Mehr als erwartet. Und viele lassen sich rund um den Platz mit der Synagoge als ruhendem Mittelpunkt treiben. Kaufen am Bücherflohmarkt etwa Bildbände vom Heiligen Land, machen beim Ratequiz oder später bei einem großen Memory mit. Auf Papp-Tafeln sind da jeweils zwei gleiche Fotos von Schauspielern, Musikern und Wissenschaftlern aufgeklebt. Kinder trügen sie auf dem Rücken, wie Anastasia Komerloh, 43, erklärt. Namen von Sängerinnen wie Pink oder Barbra Streisand. Auf Wunsch werden sich die Kinder umdrehen. Stimmt das Bilder-Paar, darf derjenige weitermachen. Wenn nicht, Pech gehabt.
Komerloh, die Theaterpädagogin im Jugendzentrum "Be Neschama", will mit dem Spiel zeigen, dass man im Alltag viele Persönlichkeiten kenne, aber gar nicht wisse, dass sie eine jüdische Wurzel hätten. "Dass das Jüdische", sagt sie, "als Selbstverständlichkeit akzeptiert wird", ist ein großer Wunsch von ihr. Wie auch von Joel Loulai. Er ist 17 und wird im Jugendzentrum bald ein Madrich, also ein Betreuer, sein. Noch ist er ein Chugist. Ein Workshop-Leiter.
Mehr über das Judentum wissen
Er betreut an diesem Sonntag eine Challenge für Kinder. Diese müssen mit der Luft von zusammenschrumpfenden Luftballons Pappbecher zur Ziellinie treiben oder mit unförmigen Putzhandschuhen Bonbons auspacken. Hier geht es mal nicht um jüdisches Wissen, nur um Geschicklichkeit. Aber Loulai, dem Schüler am Luitpoldgymnasium, ist es sehr wichtig, dass gerade jüdische Jugendliche mehr über das Judentum wissen. Viele seien gar nicht mehr mit dem Glauben aufgewachsen. "Ich möchte, dass junge Leute in meinem Alter mit dem Gebetsbuch, mit dem Judentum etwas anfangen können", sagt er.
Der Schüler und die Theaterpädagogin - beide wollen, dass das Miteinander auf dem Sankt-Jakobs-Platz mit allen Nachbarn und Münchnern weiter eine Zukunft hat, so wie es ja schon jetzt "so gut" laufe, wie Kamerloh sagt. Dass man voneinander lerne, sich respektiere. Musiklehrer Marcus Reißenweber, der am benachbarten Theresia-Gerhardinger-Gymnasium unterrichtet, bestätigt das. "Es gibt keine Grenzen. Das ist ganz wichtig. Wir haben eine gute Nachbarschaft." Grenzen sind nicht spürbar an diesem Tag, nur Gemeinsamkeiten.
Klare Absage an Antisemitismus
Es ist heiß auf dem Platz. Keine Wolke ist am Himmel zu sehen. Zum Glück gibt es viele weiße Schirme. Und diesen Brunnen mit seinen kleinen Fontänen, die kneippende Wirkung haben, bei Groß und Klein. Abkühlung tot Not.
Fast unbemerkt mischt sich die Präsidentin der IKG, Charlotte Knobloch, in einem weiß geblümten Kleid unter die Menschen, geht über den Sankt-Jakobs-Platz zur großen Musikbühne. Auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schlendert über den Platz. Sie treffen sich, umarmen sich herzlich. Dass zur gleichen Zeit das Robert-Probst-Quartett eine jazzige Version von "Kiss" von Prince spielt, ist wohl Zufall. Zufall aber ist es nicht, dass beide in ihren Grußworten dem Antisemitismus eine klare Absage erteilen. Dieter Reiter betont, dass man in Zeiten von rechtsradikalen Mandatsträgen in Parlamenten und dem verstärkt auftretenden Antisemitismus "gemeinsam und mit aller Kraft gegen Antisemitismus" ankämpfen müsse. Auch der Staatsminister für Unterricht und Kultus, Michael Piazolo (Freie Wähler), spricht von einem "Herzensanliegen", dem Antisemitismus entgegenzutreten.